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Tiere als SündenböckeBad Animals

Viele Probleme der Welt sind menschengemacht. Weil die Politik das ungern vermittelt, müssen andere Schuldige her. Zum Glück gibt's (noch) genügend Tiere.

Der Kormoran frisst bis zu einem halben Kilo Fisch am Tag Foto: Sonja Jordan/imageBROKER/imago

Der Kormoran

Deutschlands Fischer_innen geht’s schlecht. Die Meere, Seen, Teiche und Flüsse sind wie leergefegt – kein Fisch mehr zu fischen. Und geht’s den Fischer_innen schlecht, haben auch Gastronom_innen und wir nichts mehr zu lachen. Zum Glück ist der Schuldige aber längst gefunden: der Kormoran. Der räuberische Vogel kann gut ein halbes Kilo Fisch am Tag fressen und ist zu allem Überfluss auch noch als gefährdete Art geschützt. Laut Fischer_innen muss der Kormoran weichen, damit es wieder was zu fischen gibt. Prominente Fürsprecher haben sie in Friedrich Merz und Alexander Dobrindt gefunden, die jetzt ein umfassendes Kormoranmanagement fordern. Vergrämungsmaßnahmen und Abschussprämien sind im Gespräch. Dass – wie Klimaforscher_innen nahelegen – die Erwärmung des Gewässers und eingewanderte Arten schuld an der Fischarmut sind, kann man da getrost ignorieren. Warum die Klimakrise bekämpfen, wenn man auch einfach Kormorane abknallen kann?

Der Otter

Es gibt wohl keine Lebensform, die vor Markus Söder sicher wäre, wenn ihre Vernichtung ihm und seiner Parteivereinigung ein paar Wählerstimmen einbrächte. Dass er aber sogar das putzigste aller Tierchen zerbatzen wollte, weil der bayerische Landesfischereiverband mehr Mitglieder hat als die CSU, zeigt Söders ganze Verkommenheit. Die supersweeten Fischotter in bayerischen Landen hat dann aber letztlich der Verwaltungsgerichtshof vor dem zur Landtagswahl im letzten Jahr geplanten Totalabschuss gerettet. Dass es sich bei den seit Kurzen auch wieder in Berlin heimischen Ottern um Geflüchtete aus Bayern handelt, ist dabei wohl nur ein Gerücht – aber da Söder ja wirklich einer zum Davonlaufen ist, liegt die Sache halt nahe.

Die Katze

Singvögel werden in Deutschland sehr geschätzt. Trillilitrillila macht ein Gutteil deutscher Dichtung aus und irgendein Trillilitrillila ist immer grad vorm Aussterben bedroht. Vogelliebhaber zeigen in diesem Kontext gern mit dem Finger auf die Katze. 200 Millionen tote Vögel sollen in Deutschland auf ihr Konto gehen. Die Botschaft: Katzen schlimmer als Nazis. Die Quelle der Zahlen sind natürlich immer nur „grobe Schätzungen“. Aber einmal in der Welt, haben diese Zahlen Folgen. In Baden Württemberg beispielsweise haben Katzen zwischen 1. April und 31. August Hausarrest, aus Sorge um den Fortbestand der Haubenlerche. Investigativrecherchen hätten ergeben, dass Katzen im kurpfälzischen Walldorf-Süd einen Anschlag planen. „Geil, ’ne Haubenlerche. Die mach ich platt“, wollen Vogelschützer von Walldorfer Katzen gehört haben, die bei der Planung des Massenmords dabei waren. Die Vogelschützer hatten sich dort als Spitzel eingeschlichen und bereiten zurzeit die Anklage der Katzen vor dem ­Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor.

Der Wolf

„Der Wolf gehört hier nicht her!“, findet Markus Söder und forderte im Frühling 2023 kurzerhand, den Abschuss der Raubtiere zu er­leichtern. Wer oder was in Söders Kopf sonst noch „nicht hierhier gehört“, möchte man lieber nicht wissen, klar ist jedenfalls, dass der Wolf eine perfekte Projektionsfläche bietet. Er reißt nachts ­unschuldige Schafe. Sind etwa auch wir Menschen bald in Gefahr? Über die Sinnhaftigkeit der Verordnung, die den Abschuss von Wölfen erlaubt, lässt sich ­streiten, über die Gefahr, die der Wolf für die Nutztierhaltung ­darstellt, ebenso. Wenigstens aber konnte Söder die Gunst des Bauernverbandes gewinnen – der den Vorstoß begrüßte –, ohne echte ­Lösungen für Probleme in der Landwirtschaft anbieten zu müssen.

Der Löwe

Es war das perfekte Sommerloch-Thema. In Brandenburg wurde im vergangenen Jahr eine Löwin im Wald gesichtet, ein Anwohner aus Kleinmachnow hatte ein verschwommenes Video davon ins Netz gestellt. Hunderte schwerbewaffnete Polizist_innen suchten mit Drohnen, Hubschraubern und sogar einem Panzer stunden-, tage-, ach, gefühlt wochenlang nach dem entlaufenen Raubtier. Wem das Tier gehören sollte, war eh klar: den bösen Clans. Ob nun Abou-Chaker oder Remmo, spielt da keine Rolle, gegen die ganzen Clans müsste eh mal mehr unternommen werden. Gibt’s da nicht auch ein paar Vergrämungsmaßnahmen? Dass die Löwin sich später als Wildschwein herausstellte, sollte an der Sache nichts ändern – sind schließlich auch gefährliche Wesen, die mit ihren Zähnen die Schlagadern an den Oberschenkel-Innenseiten von Menschen so stark verletzen können, dass es schnell mal um Leben und Tod ­gehen kann.

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22 Kommentare

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  • Da fehlt doch der alles entscheidende Unhold:



    Wie Otto Waalkes bereits in den 70ern feststellte, ist Umweltfeind Nr. 1 das...



    Buschwindröschen.



    Anzusehen und vor allem anzuören überall, wo es youtube gibt.

  • „…das putzigste aller Tierchen…“

    Noch keinen Waschbär kennengelernt, was? Der fehlt in der Aufzählung. Hätte ich anstatt der Hauskatze ausgewählt. Kaum ein Tier wird mehr gehasst als dieser kleine Räuber.



    Achso, dann gibt es noch Wildschweine, Elstern, Krähen…



    Die Liste vom Menschen als böse markierten Tiere ist lang

    • @Klabauta:

      Auf die Liste der gefährlichen Spezies gehört der Mensch an die erste Stelle....

  • Ich finde das hier wenig fundiert Argumentiert wird. Yellowstone Park: ca, 9000 km2 groß, gut 120 Wölfe macht 0,013 Wölfe pro km2, jetzt Schweden: 447000 km2, ca. 400 Wölfe, 10,5 Mio. Menschen, macht 0,009 Wölfe u. 24 Menschen pro km2. Deutschland: 357000 km2, ca. 1200 Wölfe u. 84,6 Mio. Menschen macht 0,033 Wölfe u. 237 Menschen pro km2. Das bedeutet wir haben in einem Habitat das nur zu kleinen Teilen wirklich gut für Wölfe geeignet ist eine Wolfpopulation die die von Schweden und sogar die des Yellowstone um ein Vielfaches übersteigt. Die Zahlen lassen sich leicht Googeln. Machen Sie sich bitte nichts vor, in einem derart dicht besiedelten Land wie Deutschland gibt es schon lange kein natürliches Gleichgewicht mehr. Die Alpenflüsse sind für ein paar KWh angeblich umweltfreundlichen Strom kanalisiert. Ist aber gut fürs Gewissen; gibt ja „Ökostrom“. In diesen Kanälen sollen sich Otter und Kormoran frei entfalten? Das halte ich für Naiv. Die Einsicht, dass Katze, Wolf, Kormoran usw. ihre Bestandsexplosion gerade auf Kosten anderer weniger populärer Geschöpfe feiern mag der gepeinigten Seele auf dem Weg zu einem ethischen „Carbon Footprint“ nicht behagen, war ist es doch.

  • Man muss nicht mal Ahnung von Bio oder ökologischem Gleichgewicht haben um festzustellen das hier polemisch und keinesfalls fundiert Argumentiert wird. Beispiel Wölfe: Ein bisschen Algebra kann schon helfen: Yellowstone Nationalpark, knapp 9000 km2 groß, gut 120 Wölfe macht 0,013 Wölfe und vermutlich ca. 0 Menschen pro km2, jetzt Schweden: 447000 km2, ca. 400 Wölfe 10,5 Mio. Menschen, macht 0,009 Wölfe und 24 Menschen pro km2. Deutschland: 357000 km2 ca. 1200 Wölfe, und 84,6 Mio. Menschen macht 0,033 Wölfe und 237 Menschen pro km2. Das bedeutet wir haben in einem Habitat das nur zu kleinen Teilen wirklich gut für Wölfe geeignet ist eine Wolfpopulation die die von Schweden und sogar die des Yellowstone um ein Vielfaches übersteigt. Die Zahlen lassen sich leicht Googeln. Machen Sie sich bitte nichts vor, in einem derart dicht besiedelten Land wie Deutschland gibt es schon lange kein natürliches Gleichgewicht mehr. Die Alpenflüsse sind für ein paar KWh angeblich umweltfreundlichen Strom kanalisiert. Ist aber gut fürs Gewissen; gibt ja „Ökostrom“. In diesen Kanälen sollen sich Otter und Kormoran frei entfalten? Bei so viel Naivität kann ich nur bitter lachen. Die Einsicht, dass Katze,

    • @Chris Sonc:

      Ökologische Gesetzmäßigkeiten spielen auch in dicht besiedelten Gebieten die Hauptrolle. Abgesehen vom Freispruch der Katze als ökologisches Problem geht der Artikel schon klar; als Ökologe hätte man den ein- oder anderen, tiefer gehenden Gedanken eingeflochten. Mit anderen Regionen zu vergleichen, hat mit fundierter Argumentation nicht viel zu tun.

      • @Axel Donning:

        Leider hatte ich die Begrenzung der Größe der Kommentare übersehen, so dass mein Kommentar oben abgeschnitten wurde ..



        @ Axel Donning: wo ich in meiner Argumentation behauptet habe Ökologische Gesetzmäßigkeiten spielen keine Rolle und wieso das vergleichen von Habitaten mit gleicher/ähnlicher Fauna nicht zulässig sein soll, erschließt sich mir nicht. Wenn ich sehe das Deutschland viel mehr Wölfe pro km2 hat wie Ökosysteme die gemeinhin als natürlicher gelten dann wirft das eine Menge Fragen auf, nach den Ursachen, nach der Sinnhaftigkeit usw.. Millionen von Kartoffelkäfern auf einem Kartoffelacker (Monokultur) wird man gemeinhin auch nicht als natürlich und Wünschenswert bezeichnen, auch wenn die Mechanismen dahinter ausgesprochen „natürlicher“ Art sind.

        • @Chris Sonc:

          Wie sehen die Zahlen und Verhältnisse in Polen, Rumänien usw. aus?



          Im allgemeinen Stelle ich mir auch die Fragen, die Axel Donning hier einwirft ...



          Zudem ginge es auch um der Begegnung von Flächenverbrauch, Art der Flächennutzung (Abbau der Agrarindustrie uns Massentierhaltung, nachhaltigere Forste) und um Renaturierung. Da muss dringend viel mehr passieren und nicht wieder kassiert, weichgespült und umetikettiert werden. Jedenfalls könnten und müssten so größere Lebensräume für diverse Tiere entstehen - auch für Wölfe.

        • @Chris Sonc:

          Wenn ich sehe das Deutschland viel mehr Wölfe pro km2 hat wie Ökosysteme die gemeinhin als natürlicher gelten ...

          Was "gemeinhin als natürlich gilt", hat aber nichts mit dem zu tun, was eine gesunde Population (mit Dynamik und Schwankungen) ist. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Populationsgrößen ist so sinnvoll wie die nach der Sinnhaftigkeit des Daseins von Pinguinen in der Antarktis. Ich denke, man muss eben sehr wohl Ahnung von Bio haben, wenn man hier mitreden will.

  • Eine der schlimmsten Empfehlungen der Bibel "Macht Euch die Erde untertan!" führt zu solchen Selbst-Überschätzungen vieler Menschen. Es ist nicht möglich, die Natur "untertan" zu machen. Es wäre nebenbei auch Blasphemie... Aber die "Krone der Schöpfung" ist derart uneinsichtig und selbstherrlich, dass sie immer wieder Ausflüchte sucht.

  • Nicht alle Menschen mit persönlichen Interessen im Konflikt mit Tieren sehen die Umwelt einfach strukturiert, es gibt auch differenzierte Stellungnahmen.



    angelflix.de/blog/...ter-fuer-gewaesser



    Von der CSU werden in der Regel die im Text adressierten Themen emotional aufgeladen im Klientelinteresse abgearbeitet, offenbar bevorzugt im Komplex Umwelt mit von den Grünen und Umweltverbänden abweichenden Ansätzen.



    www.sueddeutsche.d...fasching-1.6339189

  • Ich mag keinen unseriösen Journalismus egal für welhe Partei oder Sache.

    "Die supersweeten Fischotter in bayerischen Landen hat dann aber letztlich der Verwaltungsgerichtshof vor dem zur Landtagswahl im letzten Jahr geplanten Totalabschuss gerettet."

    Es ging (wie die TAz selbst in ihrem Artikel berichtete taz.de/Otterschutz-in-Bayern/!6007985/ ) um die Abschussquote von 32 Ottern bei einem geschätzten Bestand von über 600 Ottern. Die Vokabel "Totalabschuss" erinnert mich da eher an Rehtorik längst vergangeneer Zeiten, sie verkürzt und polarisiert aus meinr Sicht unnötig.

  • Ich finde den Kommentar in der Sache wenig hilfreich ...

    "... ist zu allem Überfluss auch noch als gefährdete Art geschützt."

    Der Kormroran ist zwar einen geschützte Art, aber schon seit 1998 offiziell laut EU keine gefährdete Art mehr und ihm wird von der EU ein günstiger Erhaltungszustand zugewiesen.

    "Laut Fischer_innen muss der Kormoran weichen, damit es wieder was zu fischen gibt."

    Keiner will das der Kormoran "weichen" muss. Es geht darum ob man eine einzelne Art dermaßen schützt, dass bedrohte Fischarten kaum noch eine Zukunft haben. Kormorane haben in unsrer überprägten Kulturlandschaft kaum noch natürliche Feinde (menschengemacht)

    "Dass – wie Klimaforscher_innen nahelegen – die Erwärmung des Gewässers und eingewanderte Arten schuld an der Fischarmut sind, kann man da getrost ignorieren."

    Der lateinische Name für den großen Kormoran lautet Phalacrocorax carbo sinensis . Sinensis ist das lateinisch Wort für chinesich. Ob es im klassischen Sinne eine invasive Art ist oder nicht kann man wohl nicht mehr klären, aber man kann festhalten das er heutzutage alle Kriterien an eine Invasive Art erfüllt .

    • @Olaf Lindner:

      "Ob es im klassischen Sinne eine invasive Art ist oder nicht kann man wohl nicht mehr klären, aber man kann festhalten das er heutzutage alle Kriterien an eine Invasive Art erfüllt."



      Der Mensch auch.

    • @Olaf Lindner:

      Bedroht wirklich der Komoran diese Fischarten? Oder nicht eher die menschlichen Fischer?

  • "Laut Fischer_innen muss der Kormoran weichen, damit es wieder was zu fischen gibt. Prominente Fürsprecher haben sie in Friedrich Merz und Alexander Dobrindt gefunden..."



    /



    Kormoran, Vogel des Jahres 2010



    www.nabu.de/tiere-...ormoran/index.html



    "Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen!"



    (Casablanca 1942)



    Interessant, dass die beiden Spitzenpolitiker sich auch der Ichthyologie verschrieben haben. Beim Thema Haushalt denken sie ja sonst eher fiskalisch und ökonomisch statt ökologisch, wenngleich sie vielleicht noch was lernen können aus der Welt der Ornithologie.



    www.deutschlandfun...stoff-und-phosphor

  • Ergänzung: Eine Variante der Kritik an Tieren ist eigentlich eine an die der Menschen, wenn dieser meint, Tiere zu züchten (so bspw. auch Katzen), anhand Aussetzen von Tieren andere/vorige Fehler ausbügeln zu können, das Einschleppen von Tieren in neue Lebensräume.

  • Was sind Bücke?

  • Wer glaubt, ein aus Afrika importierter Apex Predator tut den Systemen gut, auf die er losgelassen wird, muss träumen.



    Katzen sind allerdings tatsächlich auch nicht so toll. Und ich bin noch nicht mal Vogel-Liebhaber...

    • @Kater Karlo:

      Nennt sich Kater Karlo, aber findet Katzen nicht so toll ...

    • @Kater Karlo:

      Ohne unsere Katzen müssten die Hühner des Nachbarn sich ihr Futter mit deutlich mehr Ratten teilen.



      Gibt also auch Vögel, die Katzen toll finden.

      • @Herma Huhn:

        Gibt auch neben Katzen andere Mittel, Ratten zu bekämpfen.