Sparmaßnahmen beim Rundfunk: Knick in der Antenne

Einsparungen im Öffentlich-Rechtlichen treffen besonders junge Hörfunkformate. Nicht der beste Weg, um das Interesse junger Menschen am ÖRR zu wecken.

Eine Dachantenne bei Nacht

Für junge Radioprogramme sieht es düster aus Foto: Petra Herbert/plainpicture

Auf der Autobahn nachts um drei. Das Radio läuft, eine beruhigende Stimme kündigt die nächste Hitparade an. Lichter ziehen schnell vorbei, die Augen werden schwer. Die Stimme des Moderators dagegen ist hellwach. „Eine gute Fahrt an alle, die gerade auf dem nach Hause weg sind!“, wünscht er, bevor das Beste der 80er, 90er und 2000er aus den Boxen dröhnt. Der Heimweg wird weniger einsam, begleitet durch Nelly Furtados „All Good Things (Come to an End)“.

Alle guten Dinge gehen zu Ende – so scheint auch die Devise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die neusten Sparpläne haben es nämlich vor allem auf den Hörfunkbereich abgesehen. Der Hessische Rundfunk kündigte bereits vor zwei Wochen an, massive Einsparungen im linearen Radioprogramm vornehmen zu wollen: Drei von sechs Wellen sollen wohl langfristig eingestampft werden, der „Digitalbereich“ soll dagegen finanziell profitieren. Welche Sender genau betroffen sind, sei noch nicht entschieden, dass der Sender mit der jüngsten Zielgruppe YouFM sparen muss, ist aber schon klar.

Nun ziehen auch ZDF und ARD nach, wie die Koordinatorin der Rundfunkkommission Heike Raab am Freitag verkündete: Spartensender wie Kika oder ZDFNeo – beide mit vergleichsweise junger Zielgruppe – sein von Einsparungen betroffen. Aber vor allem der Hörfunkbereich der Sender solle künftig kleiner werden. Die Beratungen der Rundfunkkomission dazu werden am Montag fortgesetzt.

Radio kann, was sonst kaum ein Medium vermag. Ob mitten in der Nacht, früh morgens oder am späten Nachmittag: Es ist immer da, kann sanft in den Schlaf wiegen, kraftvoll in den Tag schubsen oder in einsamen Stunden begleiten, ohne dass man ihm die volle Aufmerksamkeit schenken muss.

Zielgruppe jenseits der 50

Zwar hat sich das Nutzungsverhalten junger Menschen durch Spotify und Co verändert. Doch dass das Medium Radio keineswegs tot ist und auch unter jungen Menschen beliebt bleibt, zeigt ein Blick auf die Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus 2023: Rund 58 Prozent der 14- bis 19-Jährigen nutzen das Radio weiterhin regelmäßig als Zugang zu Musik und Nachrichten.

Dass Öffentlich-Rechtliche nun also Einsparungen bei Radiosendern mit junger Zielgruppe und mehr Investition in den „Digitalbereich“ ankündigen, fühlt sich in etwa an, wie wenn der Erfolg rechter Parteien unter jungen Wäh­le­r:in­nen allein auf Tiktok geschoben wird. Gegen Digitalisierung der Öffentlich-Rechtlichen ist sicherlich nichts einzuwenden. Aber wieder einmal werden junge Menschen als diffuse Masse charakterisiert, die nur durch das Allheilmittel Social Media erreicht werden könne. Unklar ist dagegen, was junge Menschen sich tatsächlich vom ÖRR wünschen.

Denn schon seit Jahren werden die Bedürfnisse junger Menschen im ÖRR vernachlässigt. So erreichen Radiowellen, die als jung gelten – wie etwa YouFM – schon jetzt ein Publikum, das im Durchschnitt rund 30 Jahre alt ist. Die 14- bis 29-Jährigen ansprechen zu wollen, indem man eine große Digitaloffensive ankündigt, ohne eine konkrete Strategie vorzustellen, gleicht in seiner Planlosigkeit dem Tiktok-Auftritt von Olaf Scholz.

Zukünftig werden junge Perspektiven im linearen Programm wohl noch weniger Raum bekommen als ohnehin schon. Die lineare Front wird so vollständig einer Zielgruppe jenseits der 50 überlassen. Sicherlich nicht die beste Antwort auf die Frage, wie junge Menschen wieder mehr Vertrauen in den ÖRR bekommen können.

„All good things come to an end“, singt Nelly Furtado im Radio. Und ja, doch wenn gute Dinge enden, dann müssen eben bessere beginnen. Um herauszufinden, was das sein kann, könnte man ja einfach mal die 14- bis 19-Jährigen fragen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.