piwik no script img

Stromnetz wird nicht verstaatlichtChance für die Energiewende verpasst

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Der Kauf von Tennet, einem Mitbetreiber der Nord-Süd-Stromtrasse, durch den Staat ist geplatzt. Das ist keine gute Nachricht für die Energiewende.

Viel Strom, nur muss er noch verteilt werden: Ein Windpark in Ostfriesland, häufig steht er still, weil die Stromtrassen fehlen Foto: Jochen Tack/imago

D er Verkauf des Stromnetzbetreibers Tennet an den deutschen Staat ist gescheitert. Das ist keine gute Nachricht. Denn alles, was die Modernisierung und den Ausbau der Stromnetze weiter verschleppt, verzögert auch die Energiewende. Die voranzutreiben wäre viel einfacher, wenn der deutsche Staat stärkeren Zugriff auf die Netze hätte. Doch der freidemokratische Finanzminister Christian Lindner will dafür kein Geld ausgeben. Das ist ein riesiger Fehler. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung vertut eine große Chance.

Das niederländische Unternehmen Tennet gehört zu den Betreibern der Nord-Süd-Stromtrassen, die für das Gelingen der Energiewende mitentscheidend sind. Tausende von Kilometern neuer Leitungen müssen gebaut werden, um den im Norden sauber erzeugten Strom in den Süden zu transportieren.

Das kostet sehr, sehr viel Geld. Der Investitionsbedarf von Tennet in Deutschland soll bei mehr als 100 Milliarden Euro liegen. Eigentümer ist der niederländische Staat. Dass der nicht einsieht, warum er solch hohe Summen in das deutsche Stromnetz stecken soll, erscheint nachvollziehbar. Weil der Investitionsbedarf so hoch ist, sollte das Unternehmen an die Bundesrepublik abgegeben werden.

Aber: Die Gewinne in Form von Netzentgelten wurden bislang gern mitgenommen. Das zeigt: Staatskonzerne gehen bei Aktivitäten in der Nachbarschaft genauso vor wie private Unternehmen: Gewinne mitnehmen, Kosten auf die Allgemeinheit verteilen.

Tennet soll privatisiert werden

Nachdem die Verhandlungen gescheitert sind, soll Tennet jetzt ganz oder teilweise an private Investoren verkauft werden, auch ein Börsengang ist im Gespräch. Nach Angaben der niederländischen Regierung unterstützt die deutsche Ampel diese Pläne. Das ist keine gute Idee. Das Stromnetz ist Teil der existenziellen Infrastruktur. In vielen Ländern, etwa in Frankreich, ist es deshalb komplett in Staatsbesitz.

Interessant für private Investoren ist das Stromnetz nur, wenn es Profite abwirft. Und die müssten die Ver­brau­che­r:in­nen finanzieren.

Die einstige Privatisierung des Stromnetzes in Deutschland ist offensichtlich gescheitert. Ansonsten wären die Leitungen in einem besseren Zustand. Weil die Netze nicht ausreichend ausgebaut wurden, werden heute Windräder abgestellt.

Interessant für private Investoren ist das deutsche Stromnetz nur, wenn es Profite abwirft. Und die müssten die Ver­brau­che­r:in­nen in Form stark steigender Strompreise finanzieren. Dabei sind für viele Privatleute, Gewerbe und Industrie die Strompreise schon jetzt zu hoch, auch wegen der Netzentgelte. Für den Klimaschutz wären höhere Stromkosten fatal, denn zum Beispiel der Betrieb von E-Autos oder Wärmepumpen würde viel teurer. Die Akzeptanz würde noch weiter sinken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • «In vielen Ländern, etwa in Frankreich, ist es deshalb komplett in Staatsbesitz."

    Stimmt - nur wird das in Frankreich nicht als Steuerungsinstrument in der Energieversorgung genutzt, sondern um die im Artikel genannten Gewinne mitzunehmen.



    Es ist einem dubiosen Hinterzimmerdeal von MP Stefan Mappus zu verdanken, dass die EdF nicht mehr an der EnBW und deren Netztochter beteiligt ist. Sonst könnte der Artikel auch noch stimmen, wenn man "Tennet" durch "TransnetBW" und "Niederlande" durch "Frankreich" ersetzt.

  • Wayne, dann nehmt halt das nicht für den Kauf ausgegebene Geld und gebt es Tenet für den Ausbau.

  • Vielleicht könnte man Bayern und Baden-Württemberg zur Finanzierungsbeteiligung des Kaufes der Nord-Süd-Trasse bewegen.

  • Frankreich taugt sehr wenig als Vorbild für funktionierende Netzinfrastruktur. Dort kommt man mit der schwankenden AKWs nicht klar, hier mit dem Wind. In beiden Fällen liegt es an der Produktion und nicht an den Trassen.

  • "Die voranzutreiben wäre viel einfacher, wenn der deutsche Staat stärkeren Zugriff auf die Netze hätte."

    Sieht man bei der Bahn wie gut das klappt.

  • "Das ist keine gute Nachricht für die Energiewende."

    Genau deshalb hat Lindner ja auch alles getan, um den Kauf platzen zu lassen.

  • Wenn man überlegt, wieviel diese Regierung (insgesamt) in die Flüssiggasterminals investiert, wieviel Geld an Saudiarabien geht, wieviel Geld gerade heute für Waffenkauf ausgegeben wird, und wie hoch die Entschädigung für die Atomkraftbetreiber war, dann ist es ein Armutszeugnis für die Regierung, dieses Geld nich auch noch aus dem höchsten Haushalt aller Zeiten herausquentschen zu können.

    Das wäre endlich mal eine Investition in Infrastruktur und Zukunft der Energiewende. Frau Krüger, da haben sie vollkommen recht. Eine gigantische verpasste Chance. Man überlege mal, was passiert, wenn jemand wie Musk oder gar ein anderer fremder staatlicher Akteur, z.B. Saudi Arabien diese Infrastruktur übernimmt. Nicht auszudenken. Und dann jammern wieder alle 3 Regierungsparteien und es war nicht vorhersehbar und die Schuld aller Vorgängerregierungen.

    Allein der Cum Ex Schaden ist weit über 25 Mrd, die nicht zurückgefordert wurden. Hätte man hier gut einsetzen können. Haben wir aber vergessen.

  • Echt blöd das alles.

  • Aha, ist mal wieder der Herr Lindner der Schuldige? Die Schuldenbremse gibt es seit 2009. Jeder Techniker weiß, dass ein halbwegs CO2-neutrales Energiesystem ein doppeltes System zur Stromerzeugung benötigt (Wind, Sonne + konventionelle Stromerzeugung) und ein komplexeres Verteilungssystem, insbesondere eine Nord-Süd-Trasse. Pufferspeicher für Wasserstoff brauchen wir noch nicht, da es noch nicht einmal prototypische Testanlagen für den Großbetrieb gibt. Wird es auch nie geben. Schon allein die notwendigen Speicherkapazitäten könnten nie zur Verfügung gestellt werden. Dabei reden wir nur über über den Strom, nicht über den gesamten Primärenergiebedarf. Trotzdem wurde behauptet, die Energiewende wäre für ein paar Kugeln Eis zu haben. Jetzt fallen den Grünen ihre ideologisch motivierten Pläne abseits der Realität auf die Füße. Niemand hat mehr Vertrauen in diese Energiepolitik. Elektroautos werden nicht mehr gekauft, Wärmepumpen rechnen sich in den meißten Fällen nicht und Schweden lehnt eine Verbindung nach Norddeutschland ab, da die deutsche Politik zu unrealistisch und erratisch ist. Die Energiewende muss im Rahmen der Verfassung gelingen. Das ist nicht Lindners Versagen.

    • @Nachtsonne:

      Herr Lindner ist Schuld, aber den Grünen fallen die unrealistischen Pläne auf die Füße???



      Wo haben Sie denn Logik gelernt?



      Mit einem realitätsnäheren und weniger ideologisch motivierten Finanzminister würden Pläne der Grünen sehr gut funktionieren.

    • @Nachtsonne:

      jede Technikerin weis auch das bei einem elektrischen Sys nur 1 Drittel der Gesammtenergie benoetigt wird im Vergleich zu einem Sys. mit Fossiler Energie.

      Fossile Energie muss gefoerdert, transportiert und rafiniert und dann wieder weit transportiert werden und betreibt dann zum Beispiel eine Dampfturbine, die erst den nutzbaren Strom erzeugt.

      Ein Windrad dreht sich und erzeugt Strom der direkt ins Netz gespeist werden kann.

      Energie kann ueber ausreichend lange Zeit sehr gut gespeichert werden... sogar bezahlbar.

      In Form von Waerme.

      Es gibt bereits die ersten E Autos die mit Salzbatterien fahren koennen.

      Wie Sie sehen gibt es eine ganze Reihe von realen Loesungen... nur umsetzen muss man die halt auch...

      zustaendig waere die aktuelle Regierung, Schuldenbremse hin oder her die kann ja auch ausgesetzt werden.

    • @Nachtsonne:

      Ja, Herr Lindner ist schuld zusammen mit Herrn Scholz treibt er die deutsche Wirtschaft mit dem Schuldenbremsen-Fundamentalismus in den Ruin. Während die USA Billionen Staatsgelder in die Energiewende und den Umbau der Wirtschaft investieren, um selbige in die Zukunft ohne die längst todgeweihte Atomkraft und fossile Energie zu retten, halten die beiden Herren weiter am neoliberalen Märchen der Schuldenbremse fest, die nur Superreiche, die die Demokratie zerstören wollen und den fossilen Eignern, die aus ihrem todgeweihten Stoff noch solange wie möglich höchste Gewinne ziehen wollen, glücklich macht. Der verweigerte Netzkauf, ist nur ein weiteres Beispiel für den selbsmörderischen Kurs der aktuellen Regierung.



      Zum Lindner-Scholz-Schuldenbremsen-Fundamentalismus siehe z.B. hier:



      perspective-daily....luss-sein/wgZ4MDKf

    • @Nachtsonne:

      Einmal Rundumschlag? Widerlegung durch Fakten vermutlich langweilig? Ich vermute die Restlaufzeit lässt eine gewisse Sorglosigkeit über die Klimaprobleme zu. Sollen die Enkel doch schauen wie sie zurechtkommen. Auf den Opa hört ja keiner..

    • @Nachtsonne:

      Schweden setzt auf Wärmepumpen. In ein paar Jahren lohnen sich keune konventionellen Heizungen mehr. Der Kauf hätte auch finanziert werden können, ohne die Schuldenbremse zu verletzen. Und mit weiterem Ausbau der regenerativen Energien und Preisverfall von Speichern, benötigt man auch zunehmend weniger fossile Kraftwerke. Niemand hat behauptet, die Energiewende sei zum Nulltarif zu haben. Den Übergang zu gestalten und zu ermöglichen, wäre Lindners Pflicht gewesen.

  • "Weil die Netze nicht ausreichend ausgebaut wurden, werden heute Windräder abgestellt". Das liegt aber nun wirklich am allerwenigstens an den Trassenbetreibern.

    • @TheBox:

      Ein privates Unternehmen muss halt Gewinn machen.

      Ich finde man kann da nicht wirklich einen Vorwurf machen... also wenn Investitionen die sich nicht rechnen von einem gewinnorientierten Unternehmen nicht gemacht werden.

      Vor allem ohne Konkurenzdruck.

      Aber darum sind ja auch Bildung, Oeffentliche Infrastruktur und grosse Teile des Gesundheitswesens nicht in privater Hand.

      Ausnahmen bestaetigen die Notwendigkeit der Regel.

    • @TheBox:

      An Söder, Lindner und an allen, die die Energiewende verzögern und verhindern, wo es nur geht.