Atommülllager Asse: Salzwasser im radioaktiven Desaster

Im Atommülllager Asse sucht sich einsickerndes Wasser neue Wege. Die bundeseigene Betreibergesellschaft hält weiter an der Bergung der Abfälle fest.

Eine Mitarbeiterin im Atommülllager Asse im Landkreis Wolfenbüttel.

Seit 1988 sickert Salzwasser in Asse II ein Foto: Stratenschulte/picture alliance/dpa

GÖTTINGEN taz | Die Schlagzeilen am Pfingstwochenende verhießen nichts Gutes: „Immer mehr Wasser im Atommülllager – Säuft die Asse ab?“, fragte die Bild-Zeitung. Der Spiegel wusste schon mehr: „Asse säuft ab.“ Denn das seit Langem ins Atommülllager einsickernde Salzwasser nimmt offenbar neue Wege.

Ausgestrahlt wirft der BGE vor, die Situation in dem Atomlager nicht im Griff zu haben

Die Schachtanlage Asse II im niedersächsischen Kreis Wolfenbüttel ist ein ehemaliges Salzbergwerk. Von 1967 bis 1978 wurden in die offiziell als „Versuchsendlager“ firmierende Grube rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll sowie chemischen Abfällen gebracht. Teilweise kippten Gabelstapler die Fässer einfach über Abhänge oder quetschten sie in bereits volle Hohlräume. Bis heute halten sich Gerüchte, dass dort auch Kadaver von Affen und anderen Säugetieren vermodern, mit denen radioaktive Versuche gemacht wurden. Unklar ist auch, ob entgegen offiziellen Beteuerungen nicht auch hochradioaktiver Müll verklappt wurde.

2010 ergaben Untersuchungen, dass eine sichere Schließung von Asse II nur nach einer Bergung der giftigen Abfälle zu gewährleisten ist. Nach bisherigen Planungen des Betreibers, der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), soll die Räumung 2033 beginnen, allein die Kosten für die Vorbereitung der Rückholung sollen bei 4,5 Milliarden Euro liegen. Ob diese tatsächlich gelingt, war von Beginn an offen – nirgendwo auf der Welt wurde bislang ein unterirdisches Atommülllager geräumt.

Seit 1988 läuft Salzwasser in Asse II, täglich rund 12.000 Liter. Die BGE hat den Großteil über Jahre überwiegend in 658 Metern Tiefe in der sogenannten Hauptauffangstelle gesammelt, nach radiologischer Freigabe nach oben gebracht und abtransportiert. Doch seit ein paar Monaten verändert sich der Salzwasserzufluss: Die BGE verzeichnet in der Hauptauffangstelle einen Rückgang, gleichzeitig läuft an mehreren Stellen unterhalb von 658 Metern mehr Salzwasser zu. Bei den noch etwas tiefer liegenden Sammelstellen – direkt vor den Einlagerungskammern des Atommülls auf der 750-Meter-Ebene – ist laut BGE (noch) kein Anstieg des Salzwasserpegels zu beobachten. Die Beobachtungsintervalle würden hier zur Sicherheit aber verkürzt.

Betreiber halten an Plänen fest

An den Plänen zur Rückholung hält die BGE fest. Aktuell versuchten Fachleute, mögliche Schadstellen ausfindig zu machen und zu reparieren. Eine Flutung des Bergwerks, die das Ende aller Rückholpläne bedeuten würde, will der Betreiber nur dann umsetzen, „wenn der Lösungszutritt so stark zunimmt, dass er technisch nicht mehr beherrschbar ist“.

Aus Kreisen des Bundesumweltministeriums verlautet, dass die Situation in der Asse ernst genommen wird. Der BGE gab das Ministerium auf, fortlaufend und detailliert über die Vorgänge in der Asse zu berichten. Der Betreiber soll zudem Vorschläge vorlegen, wie eine unkontrollierte Ausbreitung von Salzlösung verhindert und die Rückholung gesichert werden kann. Auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) zeigt sich besorgt: „Das Atomdesaster in der Asse schreibt ein neues Kapitel.“ Die Vorfälle zeigten, dass die Rückholung der Abfälle beschleunigt werden müsse.

Die Antiatomorganisation Ausgestrahlt wirft der BGE vor, die Situation in dem Atomlager nicht im Griff zu haben und ungeachtet eigener Bekundungen eine Flutung der Asse vorzubereiten. Stattdessen müsse die BGE mit aller Kraft an der Bergung des dort abgekippten Strahlenmülls arbeiten – alles andere, so Helge Bauer von Ausgestrahlt, hätte „unkalkulierbare Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt der ganzen Region“.

Wir haben die Zahlen für die Kosten der Rückholung im Nachhinein verbessert.

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