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Appell vor EU-WahlUnternehmen zeigen Flagge gegen AfD

Mehr als zwei Drittel der Industriefirmen sehen in der AfD eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort. Vor allem um die EU machen sie sich Sorgen.

Auch viele Ar­beit­neh­me­r*in­nen in Thüringen wissen wie unsozial die Politik der AFD ist Foto: Roman Moebius/imago

Berlin taz | Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes sowie der anstehenden EU-Wahl haben der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Arbeitgeberverband BDA in einer gemeinsamen Erklärung vor einem Rechtsruck gewarnt. „In Zeiten, in denen Populisten und Extremisten die Demokratie angreifen und das Vertrauen in unser politisches System zu untergraben versuchen, müssen wir Flagge zeigen. Wir tun dies mit großer Überzeugung gemeinsam“, teilten die beiden Sozialpartner am Mittwoch mit. Deswegen ermutige man auch alle Unternehmen und Betriebe sowie die Betriebs- und Personalräte, „für die Demokratie zu werben und sie wo nötig entschlossen zu verteidigen“.

So zeigen dieser Tage nicht nur die Gewerkschaften Flagge, die traditionell gegen Rechtspopulismus sind. Auch immer mehr Un­ter­neh­me­r*in­nen und Wirt­schafts­ver­tre­te­r*in­nen positionieren sich. Mittlerweile macht sich fast jedes zweite Unternehmen gegen die AfD stark, wie eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergab, die ebenfalls am Mittwoch veröffentlicht wurde und für die das Institut rund 900 Geschäftsführer, Vorstände oder Leiter von Strategieabteilungen in Industrieunternehmen oder Unternehmen aus industrienahen Dienstleistungen befragte. Demnach treibt die Führungsetagen vor allem die Sorge um den Bestand der EU und des Euros. Rund 77 Prozent der Befragten Unternehmen sehen hier ein Risiko durch die AfD.

„Wir sind eine Wirtschaftsallianz aus mehr als 30 deutschen Unternehmen und Organisationen, die sich klar zu einem geeinten Europa bekennt“, heißt es etwa seitens des jüngst gegründeten Bündnisses „Wir stehen für Werte“, in dem sich große Konzerne wie BASF, die Deutsche Bank, Vonovia und Volkswagen vereint haben und die eigenen Angaben zufolge „1,7 Millionen verschiedene Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft“ beschäftigen.

Wie die Untersuchung des IW zeigt, ist dieses Engagement nicht allein durch Altruismus, sondern auch durch eigene Interessen begründet. So warnten 69 Prozent der Befragten, dass die AfD dem Wirtschaftsstandort schaden könnte, und rund 63 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die AfD den Zusammenhalt in Belegschaften verschlechtern könnte. „Die überwiegende Mehrheit“ der Unternehmen sei „sich der Risiken des AfD-Erstarkens sehr bewusst, aus gesellschaftlichen wie ökonomischen Gründen“, fasst folglich Studien­autor Matthias Diermeier die Ergebnisse der Befragung zusammen.

Dexit würde 2,5 Millionen Jobs vernichten

Denn ein EU-Austritt Deutschlands etwa, den die AfD immer wieder ins Spiel bringt, käme die Wirtschaft teuer zu stehen. Allein in den ersten fünf Jahren nach einem „Dexit“ würden 690 Milliarden Euro Wertschöpfung verloren gehen, berechnete das IW in einer anderen Studie. Das entspricht rund 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Und die Beschäftigten hätten nichts davon. Im Gegenteil: Der EU-Austritt würde 2,5 Millionen Jobs vernichten.

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9 Kommentare

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  • Die Unternehmen wären dankbar, wenn die Regierung sie etwas unternehmen lassen würde.

  • Die Arbeitgeber haben ein großes Interesse an Migration.



    Sie dient der Lohndrückerei durch Mehrangebot sowie der Vermehrung von Konsumenten.



    Die Arbeitgeber sind wohl dagegen, weil die AfD ihre Profite hierbei schmälern könnte.



    Lafontaine machte zudem deutlich, dass offene Grenzen und freizügiger Personenverkehr Privilegien seien, die große Teile der Bevölkerung nicht nachvollziehen könnten. "Der Ruf nach offenen Grenzen ist eine zentrale Forderung des Neoliberalismus", sagte Lafontaine. Unternehmer befürworteten "freizügigen Personenverkehr, um in den Entwicklungsländern qualifizierte Arbeitskräfte abzuwerben und durch verstärkte Zuwanderung die Lohnkonkurrenz zu verschärfen", sagte Lafontaine.



    www.zeit.de/politi...n-fluechtlinge-afd



    www.sueddeutsche.d...ffenheit-1.3381764

  • Das. Ist vernünftig. Aber unter der Hand bietet die AfD den Arbeitgebern ein Paradies an: Niedrige Steuern, geschwächte Gewerkschaften, längere Arbeitszeiten, geschwächte Vertretungen der Arbeitnehmer und eine autoritäre Herrschaft für die Superreichen. Dass dies alles kontraproduktiv ist, sollten Arbeitgeberverbände verstehen, denn abgestuft möcht Merz ein vergleichbares Angebot machen.



    Grundsätzlich ist es gut, dass es diese gemeinsame Erklärung gibt. Menschen müssen aber in demokratische Parteien eintreten, sich in Kirchen, Gewerkschaften und Vereinen engagieren. Das ist leider etwas, was erfolgen muss. Die Gesellschaft muss stark besser stärker sein, um rechtsextreme Parteien und Strömungen loszuwerden.

  • Sobald der Gewinn geschmälert werden könnte, wird sogar politisch Stellung bezogen. Das hat einen Geruch an sich, den ich nicht riechen würde.

    Denn es bedeutet: Sobald die AfD Maßnahmen verspricht, die zu Gewinnsteigerungen führen können, sind sie wieder die Guten für solche Konzerne.

    Igitt

    • @realnessuno:

      Die AfD bietet diese Maßnahmen die ganze Zeit an



      Bernd Lucke ist BWLer und Neoliberaler.

  • Sollte die Überschrift besser nicht 'Unternehmen zeigen Flagge für Profite' lauten?

    Die genannten großen Konzerne 'wie BASF, die Deutsche Bank, Vonovia und Volkswagen' stehen ja nicht gerade für uneingeschränkten Schutz der Menschenwürde, Nachhaltigkeit und Kampf gegen die Korruption. Der Artikel macht es doch am Ende klar: Es geht ums Geschäft.

    • @Stoersender:

      Das ist ziemlich egal, solange es gegen die Rechtsradikalen geht.

  • Ich denke und vermute, dass AfD-Wähler größtenteils nicht in großen Industriebetrieben arbeiten. Dieser Appell setzt zwar ein deutliches Zeichen, verfehlt sein (Wähler)-Ziel aber wahrscheinlich dennoch.

    • @Mopsfidel:

      Nein, das verfehlt das Ziel ganz und gar nicht, denn es zerbricht die Behauptung der AfD Wirtschaftskompetenz zu haben.

      So wie die Massenproteste den Mythos von der schwegenden Mehrheit zerbrechen.