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Dynamische StromtarifeMehr Flexibilität beim Strompreis

Dynamische Stromtarife könnten für ein stabileres Netz und für günstigere Preise sorgen. Wie das funktioniert und was man selbst dazu beitragen kann.

Wenn der Strom günstig ist, könnte die Wasch­maschine automatisch starten. Beladen ist sie dann aber besser mit dreckiger Wäsche Foto: plain­picture

Wie setzt sich der Strompreis aktuell zusammen?

Der Strompreis errechnet sich aus drei Komponenten: Stromerzeugung, Transport sowie Steuern und Umlagen. Der erzeugte Strom wird dann über die Strombörse verkauft. Die Erzeugungskosten machen ungefähr die Hälfte des Strompreises aus. Die Produktionskosten von Wind- und Solarstrom sind viel geringer als bei Gas oder Kohle, deshalb variiert der Börsenstrompreis je nach Anteil der Erneuerbaren. So lag zum Beispiel am 25. März 2024 um 18 Uhr der Börsenstrompreis bei 175 Euro für eine Megawattstunde, weil zu dem Zeitpunkt der Anteil der Erneuerbaren im Strommix bei nur 23 Prozent lag. Am Tag darauf um 12 Uhr, lag der Anteil der Erneuerbaren wiederum bei 71 Prozent. Eine Megawattstunde Strom wurde für nur 11,50 Euro gehandelt. An besonders windigen und sonnigen Tagen kann der Preis sogar negativ werden. Weil die Preise der Strombörse so stark variieren können, legen die Stromanbieter ihre Fixpreise eher in den durchschnittlichen oberen Bereich des Preissegments.

Was ist der dynamische Stromtarif?

Beim dynamischen Stromtarif zahlen die End­ver­brau­che­r*in­nen für die Kilowattstunde Strom keinen festen Standardpreis, sondern einen Preis, der sich am aktuellen Börsenpreis orientiert. Anbieter dynamischer Tarife müssen ihre Kun­d*in­nen darüber informieren, wann der Stromverbrauch am günstigsten ist. So können diese etwa genau dann die Waschmaschine anstellen. Dieser Tarif kann eine wichtige Rolle spielen, um das Netz flexibler zu gestalten.

Wozu brauchen wir ein flexibles Stromnetz?

Mehr als 1,8 Millionen Kilometer ist das Stromnetz in Deutschland lang. Das Zusammenspiel aus überregionalen Übertragungsnetzen und regionalen und lokalen Verteilnetzen ist eine relativ komplizierte Sache. Denn das Stromnetz muss immer im Gleichgewicht sein. Alles, was in das Netz reingeht, muss auch rausgehen, und umgekehrt. Wie viel Strom im Netz sein muss, wird durch Erfahrungswerte abgeschätzt. Abends und morgens ist der Stromverbrauch höher, am Nachmittag meist am niedrigsten, an Wochenenden und Feiertagen niedriger als unter der Woche. Der Ausbau erneuerbarer Energien verändert das System der Stromversorgung; denn mit Sonne und Wind lässt sich nicht gut planen. Es kann passieren, dass an sonnigen oder windigen Tagen viel mehr Strom produziert wird als verbraucht. Um das Netz nicht zu überlasten, werden Wind- und Solaranlagen dann oft angehalten und vom Netz genommen. Die überschüssige Energie zu speichern, ist technisch sehr aufwändig und aktuell noch zu teuer. Hier können private Haushalte Teil der Lösung sein.

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Was können private Haushalte tun?

Zum einen können sie ihren Stromverbrauch anpassen. Die Spülmaschine dann anmachen, die Suppe auf dem elektrischen Herd dann köcheln lassen, wenn die Mittagssonne auf die Solarmodule in der Nähe scheint. Machen das genügend Haushalte, kann die abendliche hohe Auslastung der Netze etwas entzerrt werden.

Um den dynamischen Stromtarif nutzen zu können, ist ein intelligentes Messsystem, besser bekannt als „Smart Meter“, notwendig. Es gibt im Viertelstundentakt den aktuellen Börsenstrompreis an die Ver­brau­che­r*in­nen weiter. Gleichzeitig hält es den Stromverbrauch im 15-Minuten-Intervall mit dem für diesen Zeitraum gültigen Preis fest.

Viele moderne Haushalte besitzen zudem Geräte, in denen sich Strom speichern lässt. Das E-Auto und hauseigene Ladestationen eignen sich hervorragend, um Strom dann aufzunehmen, wenn der Preis niedrig ist. Auch Wärmepumpen können thermische Energie speichern und flexibel Strom beziehen. Der Batterieheimspeicher der eigenen Solaranlage kann auch mit anderswo produziertem Strom, etwa aus Windkraft in einem Off-Shore-Park, voll aufgeladen werden. Nachtspeicheröfen lassen sich ebenfalls gut mit dem Tarif kombinieren.

Und was bringt das?

Laut einer Studie des Thinktanks Agora Energiewende könnten Haushalte 2035 mit dem dynamischen Stromtarif bis zu 600 Euro Stromkosten jährlich einsparen. Trotz des Risikos, zu manchen Tageszeiten einen höheren Strompreis zu zahlen, gehen Ex­per­t*in­nen davon aus, dass Kun­d*in­nen mit dem flexiblen Tarif insgesamt einen deutlich niedrigeren Preis zahlen. Auch mit E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeichern können perspektivisch bis zu zehn Prozent der Stromnachfrage flexibel gestaltet werden. Dadurch müssen weniger fossile Ausgleichskraftwerke zugeschaltet werden, was dem Stromsystem insgesamt ungefähr 4,8 Milliarden Euro jährlich einsparen kann.

Und: Durch die flexible lokale Stromnutzung wird auch der Netzausbau entlastet. Dadurch könnte laut Agora das erforderliche Ausbautempo doch noch eingehalten werden. Wenn genügend Haushalte den dynamischen Tarif nutzen, erhöht sich automatisch der Anteil von Wind- und Solarenergie am Strommarkt. Das führt auch dazu, dass der Strompreis für alle Ver­brau­che­r*in­nen sinkt, genauso wie der CO₂-Ausstoß der Stromproduktion.

Wie würde das in der Praxis aussehen?

„Es ist gerade sehr windig, schmeiß doch mal die Waschmaschine an und lade dein Elektroauto“ – in ein paar Jahren könnte es normal sein, eine Benachrichtigung wie diese aufs Smartphone zu bekommen. In einem Smart Home, wo alle elektronischen Geräte intelligent miteinander verbunden sind, müsste dafür nicht mal jemand zu Hause auf Knöpfe drücken. Das E-Auto lädt sich selbst genau dann auf, wenn die Mittagssonne am stärksten auf die Solarmodule im Nachbartal scheint. Und wenn man morgens die Wäsche in die Waschmaschine wirft, startet sie automatisch, sobald der Strom günstig ist. So einfach könnte Stromkosten sparen in Zukunft aussehen. Allerdings müssten An­wen­de­r*in­nen für diese automatisierte Lösung neue Geräte kaufen, was sich erst mittelfristig rechnen dürfte.

Mithilfe von Wetterprognosen und Strommarktanalysen könnten wir unser Leben zudem an die natürlichen Energielieferanten anpassen und das nächste große Backen beispielsweise auf ein windiges Wochenende legen. Auch das spart Kosten und Energie.

Welche Anreize bietet die Politik?

In der Politik wurde das Potenzial vom dynamischen Stromtarif bereits erkannt, und die ersten Weichen für ein intelligentes Stromnetz, das sogenannte Smart Grid, wurden gestellt. Heute bieten einige Stromanbieter bereits einen dynamischen Stromtarif an, ab 2025 sind alle gesetzlich dazu verpflichtet. Das im Mai 2023 verabschiedete Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende setzt die Abdeckung aller Haushalte mit Smart Metern bis 2032 voraus, für Betriebe mit hohem Stromverbrauch und Betreiber großer Photovoltaikanlagen soll der Umbau früher beginnen. Für Haushalte werden die betrieblichen Kosten der Stromzähler auf 20 Euro jährlich gedeckelt.

Der Bundesverband der Verbraucherzentrale empfiehlt eine Deckelung des dynamischen Stromtarifs, um enorme Kosten an sonnen- und windarmen Tagen auszuschließen, und das Risiko für Ver­brau­che­r*in­nen zu minimieren. Eine politische Entscheidung zu dieser Forderung gibt es noch nicht. Wenn die vergünstigten Tarife für alle so früh wie möglich zugänglich sind, kann das ein wichtiger Beitrag zur Energiewende sein.

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8 Kommentare

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  • "Auch Wärmepumpen können thermische Energie speichern und flexibel Strom beziehen."



    Da liegt wohl die Betonung auf "können". Die können nur, wenn denn ein zusätzlicher Speicher installiert ist. Und wenn der nach 24 bis 48 Stunden leer ist, dann rödeln an kalten Tagen wieder alle Wärmepumpen gleichzeitig (incl. dem elt. Heizstab, wenn es die WP allein nicht mehr schafft).



    Dann hilft dem Kunden der flexible Strompreis wenig, und auch Netz und Stromerzeugung müssen nach wie vor der Maximallast gewachsen sein.



    BTW treiben "Ausgleichskraftwerke", die nur relativ wenige Stunden bzw. Tage im Jahr laufen, mit ihren Kapital- und Unterhaltskosten den Strompreis in die Höhe. Daran können alle Agora-Milchmädchenrechnungen nichts ändern.

    • @sollndas:

      Da eine typische Wärmepumpe nur an und aus kann und nicht zu oft schalten soll, haben sie alle einen großen Speicher-Wasserbehälter. Für Warmwasser haben sie den sowieso und das macht bei einem gut gedämmten neuen Haus mehr als die Hälfte des Jahreswärmebedarfes aus. Abschalten für einige wenige Stunden geht fast immer. Richtig ist natürlich, daß der Gesamtbedarf nicht sinkt sondern eher (wenig) steigt und in der Restzeit entsprechend mehr Leistung bezogen wird.

  • Waschen



    Und der Lärm und die Nachbarn ? In vielen Mietshäusern muss mensch da mit den Uhrzeiten schon Rücksicht nehmen. Und tuts gern.



    Und dass das Zeug, fremdgesteuert gewaschen, dann 12 Stunden in der Trommel gammelt, bis mal wer nach Haus kommt und's aufhängt ? Im Gegenteil: Statt "öko" Strom und Wasser zu sparen, wozu uns jede waschmaschine nötigen möchte, sind die glücklicherweise übriggebliebenen zwei oder drei Schnell(er)waschgänge gefragt, die's in 40, 60 oder 90 Minuten schaffen, wenn mensch (morgens/abends) mal zuhause ist.



    All dieses "Sparen" können die wenigsten sich leisten ...

  • "Auch mit E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeichern können perspektivisch bis zu zehn Prozent der Stromnachfrage flexibel gestaltet werden."

    Man beachte die drei Konjunktive 'können', 'perspektivisch' und 'bis zu'. Es kann also auch weit weniger als die eventuellen 10 Prozent Flexibilität sein.

    Haushalte sind derzeit zu circa 28 Prozent am gesamten Stromverbrauch beteiligt. Wenn nun davon 10 Prozent flexibel gestaltet werden können, reden wir von einer möglichen gesamten Flexibilität von 3 Prozent. Und dazu der ganze Aufwand mit weiteren technischen Geräten? Das klingt leider nicht nach einem genialen Plan sondern nur nach einer Alternative für Nerds.

  • Es geht nicht um die Waschmaschine. Es geht um das Laden von E-Autos und Wärmepumpen (die klassischerweise einen Wasserboiler erhitzen). Das sind Großverbraucher. Und das funktioniert gut. Und zwar so gut, dass ich die Wirtschaftlichkeit meiner PV-Anlage in Zweifel ziehe... Ich habe bei meinem dynamischen Stromtarif oft an einigen Stunden am Tag Tarife im Bereich von ca. 20ct; mit anderen Worten, ich zahle nur die Steuern und Netzgebühren, der Strompreis liegt dann oft bei 0ct.

  • Die gute alte Waschmaschine mal wieder. Sehen Sie in Ihre Anleitung: eine Vollwäsche entspricht rund einer Kilowattstunde zu 30 Cent. Die wird nicht gespart sondern nur verschoben, rechnen wir mit 10 Cent Ersparnis. Dafür wird eine passende Steuerung gebraucht. Die muß nicht nur 24/7 in mehr als Standby stehen, sie muß auch permanent Daten austauschen. Ein einziges Watt sind 9 kWh pro Jahr, auch zu Hochtarifzeiten, also heute 2,7 Euro jährlich. Mindestens 27 solche Wäschen müssen es jedes Jahr also schon sein, nur um nicht draufzuzahlen. Wenn Sie einzelne der Annahmen für zu pessimistisch halten, rechnen Sie mit anderen. Die Schwelle für das Nicht-Draufzahlen -- gekauft werden will die ganze Zusatztechnik ja auch noch -- mag sich leicht senken, gespart wird, wenn überhaupt, erst jenseits davon.



    Je häufiger ein Haushalt waschen muß, desto dringender ist es in Regel und schlechter aufschiebbar. Dazu gilt für jede neue Zusatztechnik, sie kann nicht nur, sie wird kaputtgehen. Nicht bei jedem und nicht jedes Jahr, aber in der Masse oft genug, um zusätzlichen Ärger und Schwierigkeiten zu verursachen. Für die Wärmepumpe eines Mehrfamilienhauses oder die zweistellige (in kW) Ladeleistung eines PKW mag das Sinn ergeben, der Rest ist Werbegeklingel.



    Und was sagen uns die anderen Zahlen im Text? 600 Euro können jährlich gespart werden bei einem verschiebbaren Anteil von 10 % des Gesamtverbrauches. Die schöne neue Zukunftswelt rechnet also mit einer künftigen Jahresstromrechnung von 6000 Euro für einen solchen Musterhalt. Die Kugeln Eis sind heute ganz schön teuer geworden.

    • @Axel Berger:

      Sie haben (zum Glück für die Verbraucher) an manchen Stellen nicht ganz korrekt gelesen.



      Die 600 % Ersparnis erreichen Haushalte nicht mit 10% ihres Stromverbrauchs.



      Haushalte können bis zu 600 Euro sparen.



      Und Wärmepumpen und E-Autos in Privathaushalten machen 10% des Gesamtstromverbrauchs in Deutschland aus.



      Zugegeben, bis eine vollautomatisch gesteuerte Waschmaschine sich aufgrund des Flextarifs lohnen würde, vergeht in den meisten Haushalten mehr Zeit als die Maschine Garantie hat. Aber die 600 Euro lassen sich auch damit erreichen, dass man von Hand auf den Knopf drückt oder die jetzt schon in den meisten Geräten existierende Zeitschaltuhr nutzt. Angeblich jedenfalls. Mir scheint das auch etwas zu hoch gegriffen.

    • @Axel Berger:

      Ich würde mal noch ergänzen das es Haftungsprobleme mit sich bringt, Geräte in Zeiten zu betreiben, wo der Betrieb nicht direkt überwacht werden kann. Sollte die Waschmaschine dann trotz Hausordnung wirklich in der Nacht laufen dürfen und dabei das ganze Haus unter Wasser setzen, wird natürlich keine Versicherung dafür einstehen.



      Die Zahlen aus dem Artikel lesen sich auch für mich wenig realistisch. Die ominösen Kugeln Eis sollten eigentlich Allen noch eine Lehre sein, bevor wieder Jubelbeiträge zu solchen offensichtlichen Luftnummern veröffentlicht werden.