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Olaf Scholz in ChinaViele Worte, wenig Fortschritt

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Der Besuch von Kanzler Scholz in China zeigt, dass Deutschland abhängiger von der Volksrepublik ist als umgekehrt. Peking versteht dies auszunutzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am 16.4 Foto: Michael Kappeler/dpa

D ie deutsche Chinapolitik leidet unter dem Dreiklang ihrer treffenden Charakterisierung des Verhältnisses zur Volksrepublik als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Die Widersprüche zwischen den drei Charakteristika erschweren eine konsistente Politik, die auch durch Interessengegensätze in der EU wie innerhalb der deutschen Wirtschaft verkompliziert wird.

Vor der Chinareise von Bundeskanzler Scholz hatte dessen PR-Team tiefgestapelt und als Ziel nur genannt, man wolle im Austausch mit China bleiben. Das ist so richtig wie banal. Doch jetzt wurde auch viel aneinander vorbeigeredet – etwa bei dem vom Kanzler angesprochenen Krieg in der Ukraine. Bei Scholz’ letztem Besuch im November 2022 waren er und Xi sich noch demonstrativ einig, dass nicht nur ein russischer Einsatz von Atomwaffen völlig inakzeptabel sei, sondern allein schon Drohungen damit.

Jetzt sprach sich Xi zwar auch vage für eine – von Russland abgelehnte – Friedenskonferenz in der Schweiz aus, aber er wies auch westliche Vorwürfe wenig glaubwürdig zurück, dass China durch Dual-Use-Güter – Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind – Russland entscheidend stütze. Scholz’Hinweis, Russlands Krieg bedrohe Europa, ließ Xi kalt. China hat kein Interesse an einer Niederlage Russlands und kann mit dem Konflikt leben, solange er nicht eskaliert.

Ähnlich war es bei den Themen Klimawandel sowie versteckte Subventionen chinesischer Exporte. Xi wies eine Benachteiligung ausländischer Exporteure wie eigene wettbewerbsverzerrende Praktiken zurück. Vielmehr wies er geschickt darauf hin, dass Solarpanele und Elektroautos aus China doch Europa helfen, seine Klimaziele zu erreichen. Als Erfolg kann er für sich reklamieren, dass sich der Kanzler nicht für EU-Gegenmaßnahmen aussprach. Scholz’ Besuch zeigte erneut, dass Deutschland abhängiger von China ist als umgekehrt und Peking dies langfristig auszunutzen versteht. Für Scholz war jetzt kaum mehr drin.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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6 Kommentare

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  • Der Kanzler ist "nur" der Regierungschef. Gleichrangig mit Xi wäre nur der Bundespräsident. Soviel zum Zeremoniell. Wenn es ihm nützt, lässt sich der chinesische Präsident aber auch mal herab, mit einem Kanzler zu reden.

    China ist opportunistisch und unterstützt Russland nur so lange, wie es der Wirtschaft nutzt. Die chinesische Wirtschaft schwächelt, und ist auf die Geschäfte mit Russland angewiesen.



    Wenn die EU für die Chinesen Geldverdienen bedeutet, wäre Xi weniger bereit, alle Karten auf Putin zu setzen. China ist nach außen "Russlands treuer Freund", aber nur solange die Kohle stimmt. Russland wird immer mehr zu einer Belastung, und in Ostsibirien sind auch noch alte Rechnungen offen.



    Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

  • Ich schließe mal die Möglichkeit nicht aus, dass der chinesische MP dem BK Scholz erst am dritten Tag die Ehre erweist.

  • Außenpolitik ist eben (Genscher) interessen- und nicht wertebasiert.



    Und wenn BK Scholz erst am dritten tag seines China-Besuchs dem chinesischen MP die Ehre erweist, demonstriert er das unübersehbar. Logisch, dass Xi den erhobenen Zeigefinger unseres Kanzlers nicht ernst nimmt und ihn nach auch und vor allem für China erfolgreichem Abschluss von nützlichen Handelsabkommen politisch "abtropfen" lässt.

    • @Trabantus:

      "Außenpolitik ist eben (Genscher) interessen- und nicht wertebasiert." Auch Werte sind Interessen, dieser vulgär-Realismus das Staaten rein material interessen geleitet sind, hat die Wissenschaft schon in den 1990er begraben. Menschen sind nicht rational und Staatschefs auch nicht. Werte leiten nicht zwingend die Außenpolitik aber sie leiten das denken, das interpretieren etc. Und ja manche Staaten werden auch von Ideologie getrieben. Der Iran hat viele Mitglieder im Führungskreis die ideologisch denken, so auch die USA, Russland, Europa. Das heißt nicht blinder Fanatismus aber d.h. man macht bestimmte Dinge auch wenn sie einem kein Geld einbringen oder einen schwächen weil man es richtig findet oder sich nicht vorstellen kann nichts zu tun,.

  • China wird so lange wie möglich billige Rohstoffe aus Russland kaufen, da kann der Krieg gegen die Ukraine gar nicht lange genug dauern.

    Es geht auch nicht darum, dass Russland besiegt wird, es geht darum, dass sich Rissland aus der Ukraine zurückzieht.

    Solange China vom Ukrainekrieg profitiert, wird es nichts unternehmen, was diesen Krieg beendet. Und China ist wirtschaftlich einfach zu groß, als dass Deutschland da etwas bewegen könnte.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Tja, und so ist es mittlerweile umgekehrt, die Selbstbediener (das ist noch die freundliche Umschreibung, für das, was der Westen mit China veranstaltet hat) aus dem Westen müssen zur Kenntnis nehmen, dass ihre fetten Jahre vorbei sind, die auf Ausbeutung auch der Zweitweltstaaten basierte (globale Werkbank China, Produzent von Billigartikeln für den Westen, Müllabladeplatz). Keine so schlechte Lektion, auch wenn westliche Staatsfürsten immer noch der Ansicht sind, "aber das steht uns doch zu"! Um Hassknecht zu zitieren: "Macht mal die Augen zu, dann seht ihr, was euch zusteht".