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Niedersachsen startet Windenergie-AusbauAusgleichszahlungen für Anwohner

Niedersachsen will mehr Windräder aufstellen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollen die Betreiber Kommunen und Anwohner finanziell beteiligen.

Sieht nach einer lukrativen Lage aus: viele Windräder, wenige Wohnhäuser in Norddeich Foto: McPhoto/Imago

Osnabrück taz | Niedersachsen will die Genehmigung von Anlagen für erneuerbare Energie an Land neu regeln. Einen 50-seitigen Gesetzentwurf der Landesregierung soll der Landtag in dieser Woche beschließen. Er ist ein Aufbruch ins Neuland, denn künftig soll bei Windkraftanlagen die finanzielle Beteiligung der betroffenen Kommunen und Anwohner verpflichtend werden, um die Akzeptanz zu erhöhen.

Wer im Kartenportal des „Energieatlas Niedersachsen“ des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das Häkchen bei „Windenergieanlage“ setzt, könnte denken: Schon ganz schön zugebaut, das Land.

Rund 6.300 Anlagen sind in Niedersachsen in Betrieb, mit einer Leistung von 12,7 Gigawatt. Das ist mehr als ein Fünftel der bundesweit installierten Windenergie-Gesamtleistung. Niedersachsen ist damit Spitzenreiter in Deutschland.

Aber das ist erst der Anfang. Der Energiehunger nimmt zu. Zugleich verschärft sich die Klimakrise. Mehr Windenergie soll her, und das schnell. Damit das funktioniert, braucht es mehr Akzeptanz in Kommunen und Bevölkerung.

„Nicht zuletzt geht es um die Demokratisierung der Energiewende“, sagt Marie Kollenrott der taz, Landtagsabgeordnete der Grünen, Fraktionssprecherin für Energie und Klimaschutz. „Und wir legen hier eine Blaupause für die anderen Bundesländer und den Bund vor. Das ist eines der größten Vorhaben unserer Rot-Grün-Legislatur.“ Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, habe auch schon Interesse gezeigt.

Nicht zuletzt geht es um die Demokratisierung der Energiewende

Marie Kollenrott, Grünen-Landtagsabgeordnete

Kollenrott hat den Gesetzentwurf mitverfasst, der auch den Bau von Freiflächen-Photovol­taikanlagen neu regelt. Der Entwurf legt regionale Teilflächenziele fest, um das Generalziel Niedersachsens zu erreichen, 2,2 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete auszuweisen. Zudem schreibt er die Aufstellung neuer Raumordnungspläne vor.

Sein Kernstück ist jedoch die Beteiligung von Kommunen und Bevölkerung am wirtschaftlichen Ertrag neuer Windenergieanlagen. Auf Freiwilligkeitsbasis gibt es das schon. Jetzt wird es verbindlich.

Der Anlagenbetreiber muss betroffenen Gemeinden 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde als „Akzeptanzabgabe“ zahlen, zudem den Anwohnern innerhalb eines Radius von 2,5 Kilometer 0,1 Cent. Um diese Partizipation zu gewährleisten, stehen dem Betreiber viele Wege zur Verfügung, von der Direktzahlung und der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Unternehmen bis zum vergünstigten Stromtarif.

„Das ist eine Beteiligung der vielen“, sagt Kollenrott und stellt eine Beispielrechnung auf: Angenommen, ein Windpark von drei Anlagen zu je 5 Megawatt erzeugt bei 2.500 Vollast-Betriebsstunden pro Jahr 37,5 Millionen Kilowattstunden Strom, brächte das der Kommune jährlich 75.000 Euro ein. Gesetzt, 500 Anwohner melden ihren Anspruch an, bekommt jeder 75 Euro pro Jahr. Meldet sich niemand, fallen die 0,1 Cent zusätzlich an die Kommune, für gemeinwohlorientierte Vorhaben. „Die Bürger sollen merken: Das ist auch mein Windrad“, sagt Kollenrott. Ende April könnte das Gesetz in Kraft treten. „Es wird große Strahlkraft haben“, hofft Kollenrott.

Horst Mangels, als Geschäftsführer der Energie 3000 Energie- und Umweltgesellschaft mbH in Alfstedt Windparkprojektierer und -betreiber, lobt den Vorstoß von Rot-Grün: „Das ist wirklich ein Vorbild. Gut, dass eine solche Akzeptanzabgabe jetzt verpflichtend ist. Man muss die Menschen vor Ort einbinden. Das macht Mühe, aber es lohnt sich.“

Hoffnung auf schnelleren Ausbau

Mangels, zugleich Geschäftsführender Vorstand des Landesverbands Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen (LEE) und dadurch in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden, hat bisher 107 Anlagen gebaut, meist unter Beteiligung lokaler Investoren. Vor zwei Jahren entstand eine Enercon E-138 EP3 in Ebersdorf. „Da haben wir 71 Gesellschafter. Und wir haben die Anteile bewusst klein gehalten, damit sich möglichst viele beteiligen konnten.“

„Viele Bürger finden die Windkraftnutzung generell gut. Nur in ihrer Nachbarschaft wollen sie sie nicht unbedingt haben“, sagt Mangels. Doch er ist überzeugt: „Wenn man die Leute informiert, zu Gesprächen einlädt, ihnen etwas zurückgibt, kann man den Großteil überzeugen.“

Ob die finanzielle Beteiligung die Akzeptanz der Windkraftnutzung wirklich erhöht, wird Ergebnis einer Abwägung vor Ort sein. Schall und Schattenwurf bleiben ja als Problem bestehen, die Veränderung des Landschaftsbildes. Naturschützer werden weiter vor Bodenverdichtung und Flächenfraß warnen, vor Auswirkungen auf das Lokalklima, tödlichen Folgen für Vögel, Fledermäuse und Insekten.

Kollenrott ist überzeugt, dass sich mit dem neuen Gesetz „die Dinge beschleunigen“. Am Ende könnten die 2,2 Prozent Landesfläche sogar überschritten werden. „Es gibt Kommunen“, sagt Kollenrott, „die erklären sich schon jetzt bereit, mehr Fläche zur Verfügung zu stellen, als sie eigentlich müssten.“

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16 Kommentare

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  • Windkraft und Solar brauchen Flächen, also Platz. Dazu wandelt Deutschland abseits der Städte landwirtschaftliche und anders genutze Flächen (Wasserflächen, zukünftig Natutschutzflächen) in Gewerbeflächen um. Um den Solarpark kommt ein hoher und stabiler Zaun. Fertig.



    Der Energieverbrauch findet aber in den Städten statt.



    In SH wird Windstrom abgeriegelt, weil es fehlt an Leitungskapazität. Der günstige Ökostrom ist hier teuer.



    Es fehlt das Engagement in den Städten selbst Strom zu erzeugen. In den Städten gibt es hunderte von betonierten, ökologisch nutzlosen Quadratkilometern Fläche. Diese Flächen sind für Solarkraftwerke sehr gut nutzbar.



    Berlin hat bisher 23 MW an Windkrafterzeugung installiert. Bremen und Hamburg bringen es zusammen auf über 300 MW.



    www.wind-energie.d...zahlen-und-fakten/

  • „Und wir legen hier eine Blaupause für die anderen Bundesländer und den Bund vor."

    Ja leider ist das nicht so. Es entwickeln gerade 16 Bundesländer 16 eigene - natürlich unterschiedliche - Bürgerbeteiligungsgesetze. Das bremst den Ausbau der Windkraft unglaublich aus. Wenn man das haben will, soll man es wenigstens bundeseinheitlich machen.

  • Schluss mit Allmende kostenlos kommerziell nutzen



    @ Janix .. und die, die vom fugenlos blauen Hochdruckwetterhimmel überm Kopf 1/3 per Kondensstreifen weggenommen kriegen und diejenigen, denen der Blick in den Nachthimmel Starlink statt Sterne bietet. I.e. wir alle. Wer kein Konto hat, dem bringens Spohr und Musk persönlich vorbei.

    • @lesnmachtdumm:

      Was genau wird denn kostenlos genutzt? Der Betreiber muss (mittlerweile ziemlich teure) Pachtverträge mit den Flächeneigentümern (inkl. baurechtlicher Abstandsfläche) schließen.

  • Baust dir n Haus für paar Hunderttausend - oder findest ne Wohnung für 1000 im Monat. verbringst da dein Leben. Und "entschädigt" wirste mit 75 Örö ? Was für ne Orwellsche Sprachdystopie. w.wiki/Gmv

    • @lesnmachtdumm:

      Das ist Ihre Meinung. Könnten Sie sie für mich verständlicher und nachvollziehbarer formulieren? Warum ist das bereits "Orwell" für sie? Muss es immer der ganz große Satz sein?

  • Reales Beispiel aus einem Gespräch: "Da bekommt der eine Bauer das ganze Geld, und wir haben nur das Ding ein paar Hunderte Meter vor der Nase, das ist doch nicht gerecht"



    Die Idee ist also gut für die Akzeptanz.

    Bitte übrigens gleich auch diejenigen entschädigen, die an Hauptverkehrsstraßen wohnen müssen, an Flughäfen, an den letzten Kohlekraftwerken, ...

    • @Janix:

      ...und allen anderen Gewerbebetrieben. Ist doch verrückt: Warum soll ein Industriebetrieb den Nachbarn Geld zahlen?

  • Bisher gilt noch immer die Almosenregelung freiwillig 0,2 Cent/pro kWh anzubieten. Ein ganz deutlicher Nutzen für das Gemeinwesen ist aber eine elementare Frage von Gerechtigkeit.

    Noch ist es zulässig den erheblichen Eingriff in Natur und Landschaftsbild, verbunden mit Lärm und Schlagschatten zu sozialisieren, den Ertrag aber weitgehend zu privatisieren.

    Es muss deutlich anders gehen: 1,0 nicht 0,2 cent für die Gemeinden! Erhöhung der Lebensqualität in den Gemeinden durch bessere finanzielle Möglichkeiten für Kindergärten, Schulen, Altenbetreuung, Jugendarbeit, Feuerwehr etc. Dann müssten Gemeinden nicht ständig nur den Mangel verwalten!

    • @independent:

      Es gibt in Deutschland ziemlich strenge Grenzwerte für Immissionen, insbesondere an Wohnhäusern. Lärm und Schlagschatten fallen da selbstverständlich auch drunter. Da darf die WEA auch nicht lauter zu hören sein als jeder andere Industrie- oder Handwerksbetrieb in der Nachbarschaft.



      Das Landschaftsbild (obwohl es dafür sehr wohl eine sechsstellige Kompensationszahlung vom Betreiber an Vater Staat gibt) ist kein Allgemeineigentum.

      Und zu guter letzt: Ein Windprojekt Onshore Deutschland kommt aktuell für den Betreiber auf eine kleine einstellige Rendite p.a. Quasi knapp über dem Tagesgeldkonto einer Direktbank. Da wollen Sie jetzt von den sechs Cent, die der für seinen Strom bekommt, noch einen Abschneiden? Dann stoppt der Windkraftausbau in Deutschland. Wenn das das Ziel ist, ok, aber davon sollte man dann nicht überrascht sein.

  • 0,1



    Wer kauft ihr'n/sei'n Strom denn beim Quirl von nebenan ? Das wird wieder n Bürokratiemonster. Den Preis fürs Durchschleusen dieser 0,1 Cent schlagen Erzeuger, Netzbetreiber und Endverkäufer dann auf den Strompreis für alle drauf. 1 Cent oder so ....

    • @lesnmachtdumm:

      Wieso überhaupt Geld? Wieso sollte ein WEA Betreiber Ihnen Geld bezahlen? Er hat mit dem jeweiligen Landwirt einen Flächenpachtvertrag geschlossen und eine Genehmigung nach BImSchG beantragt und bekommen. Das geht Dritte eigentlich gar nichts an.

  • Heimatgefühl zwangsenteignet



    Zählen solche Quirle um mein Haus rum [*] künftig zu den anerkannten Fluchtursachen ? Welche Länder gewähren Asyl ? Die Schweinswale in der Nordsee erleben das gleiche. Und wandern ab .... (oder sterben aus).

    * Ja, ch'weiß, hier zoomt das Tele alles noch näher ran als im wirklichen Leben - aber stellt euch dochmal wirklich in solche Landschaften (etwa in Altenbeken): Von Heimat is da nix mehr ... Gibt Landschaft, die hält das ästhetisch einigermaßen aus (flach, weit ...) - in andern ist es niederschmetternd. Die kleinen wie die großen Börden zwischen Weser und Lippe verlieren völlig ihre Dimensionen. Der Blick schweift bis zum fernen Rand gegenüber, und da stehen die Riesen dann, scheint's zum Greifen nah. Dreimalsohoch wie die Hügel. Und das sind noch die Zwergerl-Modelle von vorgestern. Zum Glück is sowas rückstandsfrei/er) wieder abzubauen als die AKWs. Beten wir für unsre Enkel.

    • @lesnmachtdumm:

      „Die Bürger sollen merken: Das ist auch mein Windrad“



      Nur ist es das eben gerade nicht. Es gehört jemand anderem, der dafür auch viel Geld beim Hersteller bezahlt hat und einem Landwirt viel Pacht für die Fläche zahlt.

      Es würde doch kein Mensch auf die Idee kommen, zum - beispielsweise - erfolgreichen Schuhoutlet am Stadtrand zu gehen und dort zu verlangen, von jedem verkauften Paar Schuhe einen fixen Geldbetrag abzubekommen. Leute, tretet doch mal einen Schritt zurück und betrachtet nüchtern, was hier eigentlich gefordert wird. Warum soll ausgerechnet die Windkraft, die schmutzigen Kohlestrom verdrängt, hier schlechter behandelt werden als ALLE anderen Wirtschaftszweige?

    • @lesnmachtdumm:

      Also fassen wir kurz zusammen: Sie wollen im 21. Jahrhundert leben aber es soll alles so aussehen wie im 17. Jahrhundert, ist das soweit korrekt?

    • @lesnmachtdumm:

      Ach, das Landschaftsbild kann man doch problemlos noch mit ein paar PV-Freiflächenanlagen aufbessern. Die sind doch viel ökologischer und effizienter als z.B. blühende Rapsfelder.