piwik no script img

Von TV-Duellen bis PersonalabbauEingeladen, ausgeladen, gekündigt

Warum uns der Personalabbau in Zeitungen alle angeht, ob die AfD zu TV-Duellen eingeladen und die Philosophin Nancy Fraser ausgeladen werden sollte

Chefmoderatorin Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard von Welt-TV beim Duell zwischen Höcke (AfD) und Voigt (CDU) Foto: Michael Kappeler

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küpperbusch: Eskalation zwischen Israel und Iran.

Und was wird besser in dieser?

Hoffen auf Vernunft des Iran. Mal was Neues.

Bei mehreren deutschen Zeitungen soll es Personalabbau geben. Muss sich dafür nur die Branche selbst interessieren?

Kann man auch „Reamateurisierung“ nennen. Die Süddeutsche baut 30 Stellen ab, die Hamburger Morgenpost erscheint nur noch wöchentlich: Hier zerreiben Anzeigenschwund und Gratiskonkurrenz unterschiedslos Qualitätsmedium wie Boulevard. Morgens Rechner oder Smartphone hochfahren, und man ist nach fünf Minuten übersättigt mit Nachrichtenradau und Klick-dich-arm-Annoncen. Ein Tumormarker ist der Abbau von 13 Stellen beim Kölner Stadt-Anzeiger: Das durchaus beliebte Ressort „Ratgeber, Magazin, Freizeit“ wird künftig mit Rohtextmasse aus dpa und RND befüllt, Korrektur und Bildbearbeitung erledigt eine KI. Da nähert sich Journalismus der Schweinefütterung – nährstoffarmer Schlamm automatisiert ins Publikum gepumpt. Handwerk wird sich ins Hochpreissegment retten, darunter regiert Junkfood und darunter recherchefreie Amateure. Journalismus kann sich trollen.

Die Spitzenkandidaten ihrer Parteien bei der Landtagswahl in Thüringen – Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) – haben bei Welt-TV diskutiert. Was haben Sie gelernt?

Höcke hatte das Ding gewonnen, bevor es losging, und dafür hat er es doch recht hübsch verloren. Die Welt-TV-Redaktion rief die Themen Europa, Migration und Erinnerungskultur auf, eine andere Formulierung für „dreimal Heimspiel Höcke“ – symptomatisch für einen Mainstream, Rechtsradikalen thematisch den rotbraunen Teppich auszurollen. So war es möglich, dass CDU-Voigt auftrumpfte mit dem Hinweis, in seinen Landkreisen seien Bezahlkarte und Arbeitspflicht gegen Migranten längst durchgesetzt, bei Höckes Kumpel in Sonneberg nicht. Mal im Ernst: Rhetorischer Treffer, doch so wird hier inhaltlich mitbejubelt, dass die CDU bei Ausländerfeindlichkeit praktisch noch toller ist als die Theoretiker von der AfD. Das mag an Pluralismus für den Springer-Konzern reichen. Die Gretchenfrage, ob man „ein Forum bietet“ oder „mit Argumenten enttarnt“, bleibt. Thüringen hat gut zwei Millionen Einwohner, und eine Gockelrunde zwischen zwei Oppositionspolitikern ist ungefähr Regionalfernsehen. Thüringen hatte 1930 die ersten NSDAP-Minister, und man kann nicht wachsam genug sein. Beides stimmt und von beidem nichts, von Thüringen war in den gut 70 Minuten fast keine Rede. Hier gingen Lust am Radau und inhaltliche Nähe des Senders vor – vor journalistischen Kriterien: Welche Themen sind in Thüringen wichtig? Und: Wer regiert da eigentlich? Wenn das nicht zu haben ist, kann man es jedenfalls lassen.

Die Uni Köln lud die US-Philosophin Nancy Fraser aus. Wann wurden Sie zum letzten Mal ausgeladen?

Diese Nancys! Also Faeser gegen Fraser. Am Wochenende wurde auch ein „Palästinakongress“ in Berlin aufgelöst, zu dem neben BDS-Verdächtigen auch jüdische Initiatoren aufgerufen hatten. Einhergehend mit Betätigungs- und Einreiseverboten. Das ist schon ruppig und unterstreicht die Frage, ob auch Deutsche ohne Nazivergangenheit, eben Migranten, hier volle Meinungsfreiheit genießen. Der Korridor des Sagbaren wirkt verengt, bei Licht eher verschoben, wenn in der gleichen Woche ein als Faschist zu Bezeichnender im Fernsehen Welle machen darf. – Ich wurde mal aus einer ARD-Talkshow ausgeladen, weil, wie mir der Redakteur im Hintergrund zuraunte, die FDP dringend noch mal was sagen müsste in der Runde. Das waren idyllische Zeiten.

Laut ZDF-Politbarometer erwartet nur einer von zehn in Deutschland einen Sieg der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland. Hat Putin oder Mützenich gewonnen, oder sind die Deutschen einfach Realisten?

Das ist der aktuelle Tenor der TV-Militärs von Oberst Reisner bis General Freuding, es ist die Meldungslage, und es entspricht der inzwischen unbestrittenen Erkenntnis, dass es keine Game-Changer-Waffen geben wird. Dass Deutschland mit Kriegen gegen Russland und die Sowjetunion zwei Weltuntergänge verschuldet hat, muss man auch nicht als dringende Einladung lesen, es einfach noch mal zu versuchen. Die meinungsführende Waffensekte hat sich zwei Jahre gegen stattliche Umfragen immer wieder durchgesetzt, irgendwann ermüdet das und kommt die Opferzahl in den Blick. Kurz: Für diese Haltung – die noch stets mit klarer Unterstützung der Ukraine einhergeht – braucht es weder Putin noch Mützenich.

Und was machen die Borussen?

Nachdem ein bereits verwandelter Elfer nachträglich per Videoentscheid aberkannt wurde, ist das nächste Ziel der Mannschaft, bereits in Adiletten vor der „Sportschau“ zu sitzen, wenn das Match entschieden wird. Fragen: Ambros Waibel, waam

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und mag keinen Videoentscheid.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "und kommt die Opferzahl in den Blick."

    Als ob es davon weniger gäbe, wenn man die Ukraine einfach den Muskowia-Faschisten zum Fraß vorwirft - und nichts anderes bedeutet ein Zurückfahren der Waffenlieferungen.

    Klar, es gibt nicht die eine "Game-Changer"-Waffe, aber welcher seriöse Militärspezialist hat jemals so eine Behauptung aufgestellt? Es geht sowohl um die Qualität (welche Fähigkeiten benötigt die Ukraine), Quantität als auch die VERLÄSSLICHKEIT der Lieferungen. Um diese ist es gerade vor allem ganz ganz bitter bestellt.



    Tatsächlich hat man an allem drei gespart und dadurch bewirkt, dass der Krieg sich in die Länge zieht und mehr Ukrainer*innen sterben.

    Allerdings werden hier Reisner und Freudings Analysen auch noch völlig dreist missrepräsentiert. Keiner der beiden hat gesagt, dass die Ukraine in absehbarer Zeit einer Niederlage entgegengeht, insbesondere wenn die Blockade der US-Hilfen aufgelöst werden kann.

    Dann sieht es für Muskowia sogar ziemlich finster aus, das was den Bestand und die Nachproduktion gepanzerter Fahrzeuge angeht auf dem Zahnfleisch geht.

    Die Erfolge der bisherigen Lieferungen sind doch, obwohl immer "too little - too late" geliefert wurde, äußerst beachtlich. Russlands initiale Invasionstruppe wurde von den Toren Kiews zurückgeschlagen, dann aus Charkiw und Cherson vertrieben, obwohl Moskau sich so sicher war leichtes Spiel zu haben und in "3 Tagen" in Kiew zu stehen (was auch viele in Europa dachten).

    Zum Tag hat Muskowia >2900 Kampfpanzer verloren, was der kompletten Einsatzbereiten stehenden Reserve vor Kriegsbeginn entspricht. Ohne die Lieferungen gäbe es jetzt keine Ukraine mehr und was das für die Ukrainische Bevölkerung bedeuten würde konnte man in Butscha beobachten.

  • "Bei mehreren deutschen Zeitungen soll es Personalabbau geben. "

    Eine sehr dramatische Entwicklung, die man gar nicht als gefährlich genug einschätzen kann!



    Wer aufmerksam die Berichterstattung innerhalb der letzten 30 Jahre beobachtet hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass die Meinungsvielfalt immer mehr abgenommen hat. Eine Beschleunigung dieses Prozeß dürfte viel gefährlicher als äußere Bedrohung sein und würde auch den Erfolg der AFD weiter verstärken.



    Leider scheint der Hauptteil unserer Gesellschaft immer noch nicht verstanden zu haben wie wichtig Presse und Meinungsvielfalt für eine funktionierende Demokratie ist.