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Betriebsratswahl bei TeslaEchte Demokratie in Grünheide

Die Tesla-Beschäftigten haben einen neuen Betriebsrat gewählt. Stärkste Liste wurde die IG Metall – zum Ärger von Gewerkschaftsfeind Elon Musk.

Für sie will die IG Metall einen Tarifvertrag erstreiten: Tesla-Beschäftigte auf dem Weg in die „Gigafactory“ in Grünheide Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Der US-Multimilliardär Elon Musk hat es aber auch nicht leicht. Erst der Ärger über die anhaltenden Proteste gegen seine naturzerstörerischen Pläne, die Tesla-Dependance im brandenburgischen Grünheide zu erweitern. Und jetzt bekommt der erklärte Gewerkschaftsfeind auch noch die IG Metall auf den Hals. Bei der am Mittwoch zu Ende gegangenen Betriebsratswahl in seiner „Gigafactory“ wurde sie zur stärksten Liste gewählt.

Wie der Wahlvorstand der Belegschaft mitgeteilt hat, erhielt die Liste „IG Metall Tesla Workers GFBB“ 3.516 der 8.917 gültigen Stimmen, also rund 39,4 Prozent. Im neuen Betriebsrat kommt sie auf 16 von insgesamt 39 Sitzen. Mit 3.201 Stimmen landete die Liste „Giga United“ um die derzeitige Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz nur auf Platz 2. Sie kommt auf 15 Sitze. Die restlichen Plätze teilen sich drei kleinere Listen.

Vorausgegangen war ein ungewohnt hart geführter Betriebsratswahlkampf. Die IG-Metall-Liste warb mit einem zehn Punkte umfassenden Programm für sich. Wobei gleich der erste Punkt einem Misstrauensvotum gegen den bestehenden Betriebsrat gleichkam: „Der Betriebsrat muss auf der Seite der Belegschaft stehen – ohne Wenn und Aber.“ Genau das ist aus Sicht der Gewerkschaft bislang nicht der Fall. Außerdem kritisierte sie Tesla scharf. So würde „zu oft beim Unfallschutz gespart“. Es dürfte auch keinen Lohnentzug mehr bei Krankheit geben.

Als zentrale Forderung benannte die Gewerkschaft den Abschluss eines Tarifvertrages, mit dem höhere Entgelte, kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub rechtssicher vereinbart werden sollten. „Ein besseres Tesla ist möglich“, gab der IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze als Losung aus.

Stimmungsmache gegen die IG Metall

Betriebsratschefin Schmitz machte demgegenüber heftig Stimmung gegen die IG Metall. „Was wir nicht brauchen, ist eine Gewerkschaft, die versucht, uns auszubremsen, die versucht, uns eine Schablone drüberzulegen, nur damit wir allen anderen Autobauern gleicher werden“, wetterte sie in der vergangenen Woche laut Handelsblatt in einer Rede vor der Belegschaft. In ihrem Programm warnte „Giga United“ vor „Frontenbildung und Klassenkampf“.

Auch Elon Musk mischte sich persönlich ein. Mit Blick auf die IG Metall verkündete er bei seinem Besuch am Mittwoch vergangener Woche, „eine externe Instanz, deren Interessen vielleicht nicht mit denen von Tesla übereinstimmen“, würde „nicht so gut sein“. Auch sprach er sich strikt gegen einen Tarifvertrag aus. Nach seiner Erfahrung würden Tarifverträge dazu neigen „Unternehmen zu spalten“, meinte Musk.

Nun wird sich das Tesla-Management wohl erst einmal auf einen weniger gefälligen Kurs der Ar­beit­neh­me­r:in­nen­ver­tre­tung einstellen müssen. Denn bisher galt der Betriebsrat des Elektroautobauers als arbeit­gebernah.

Das hat etwas mit seiner Gründungsgeschichte zu tun. Denn der erste Betriebsrat wurde Ende Februar 2022 noch vor der offiziellen Eröffnung des Grünheider Werkes gewählt. Damals war der Personalaufbau noch in vollem Gange und es gab dort nur rund 2.500 Beschäftigte, die sich an der Wahl beteiligen konnten. Vor allem in der Produktion, wo üblicherweise die Kernklientel der IG Metall beschäftigt ist, fehlte noch ein großer Teil der Belegschaft. Mittlerweile arbeiten 12.500 Menschen bei Tesla.

Hinter der von der IG Metall kritisierten frühen Betriebsratswahl stand der Versuch, die Gewerkschaft auszutricksen und auszubremsen. Mit Erfolg: Damals gelang es ihr nicht einmal, mit einer eigenen Liste anzutreten. Die Wahl gewann seinerzeit „Gigavoice“, eine laut IG Metall „in weiten Teilen dem Management nahestehende Liste“, auf der etliche leitende Beschäftigte kandidierten – die Vorläuferin von „Giga United“.

Doch das ist Geschichte. Zum Leidwesen von Elon Musk und dem Tesla-Management ist die IG Metall nun mit zweijähriger Verzögerung doch in den Betriebsrat eingezogen. Jetzt werden die Karten neu gemischt.

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13 Kommentare

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  • Wenn Gewerkschaften und Think Tanks, die der aktuellen Regierungspolitik nahe stehen, sich als Unterstützer der Arbeitnehmer gerieren,stellen sich mir die Nackenhaare auf.Da kann man sich noch so groß "progressiv" und "soziale Transformation" auf die Fahnen schreiben. Am Ende macht man Politik für sich.

  • Dass die "eigene" Liste trotzdem fast so viele Stimmen wie die der IG-Metall holt zeigt aber trotzdem auf das viele Mitarbeiter einen eigenen Weg mit ihrem Werk und dem Management gehen wollen. Man darf nicht vergessen, dass die Idee Musks und die Art wie er Unternehmen führt schon viele Leute angezogen hat. Es sind die 2020er und jeder der zu Tesla geht weiß einigermaßen bescheid, auf was er sich einlässt, und kann sich außerdem auch anders entscheiden. Der "goldene Käfig" IG-Metall ist doch einigen ein Dorn im Auge. Wenn man sich Bewertungen von Personal anschaut und mit VW Sachsen vergleicht dann ist Tesla eben ein etwas anderer Arbeitgeber in der Autoindustrie, aber doch in der Gesamtheit fast gleich bewertet.

  • Es geht bei Tesla in die richtige Richtung. Bei der nächsten Betriebsratswahl dürfte die IG-Metall die meisten Stimmen bekommen.

    // „Auch sprach er sich strikt gegen einen Tarifvertrag aus. Nach seiner Erfahrung würden Tarifverträge dazu neigen „Unternehmen zu spalten“, meinte Musk. //

    Es herrscht Meinungsfreiheit.



    Interessant wäre mal zu wissen, wieviel Prozent der Tesla Mitarbeiter Mitglied der Gewerkschaft ü IGM bzw, der anderen sind.

    • @Der Cleo Patra:

      "Es geht bei Tesla in die richtige Richtung. Bei der nächsten Betriebsratswahl dürfte die IG-Metall die meisten Stimmen bekommen."

      Der Artikel vermittelt mir, dass die IGM vor allem Probleme mit anderen Gewerkschaften hat und weniger mit Tesla.



      Die anderen Gewerkschaften würde die IGM wohl gerne aus dem Nest werfen.

      Nach Spalten seitens Tesla sieht das nicht aus. Eher nach einem knallharten Vorgehen der IGM gegen andere Gewerkschaften.

      Den Vorwurf der Spaltung der Arbeitnehmer würde ich daher der IGM antackern.

    • @Der Cleo Patra:

      Etwa 100 IGM Mitglieder von ca 12500 Angestellten. Die "Hausmacht" der IGM ist also nach wie vor gering. Und für eine Gewerkschaft welche vor der Wahl vollmundig verkündete die absolute Mehrheit anzustreben sind weniger als 40% sagen wir wie ist eine gerne Klatsche. Wir bleiben gespannt ob die IGM wenigstens ihren Kandidaten für den Vorsitz durchbringt oder ob der Rest des Betriebsrates den Innovationsbremser außen vor lässt.

      • @Michael Dietrich:

        Würde das auch eher als Niederlage für die IG-Metall sehen. Tesla zieht viele Menschen an, die keinen Bock auf das IG-Metall System mit seinen Vor- und Nachteilen haben.

        • @FancyBeard:

          Welche Nachteile sollten das denn sein?

  • Dieser Musk-Charakter ist ein glänzendes Beispiel dafür was passiert, wenn sich jemand für überlebensgroß hält. Das ging schon los mit Bauen ohne Baugenehmigung. Meiner Meinung nach hat der Genosse einen veritablen Hau. Mit solchen Leuten wie Musk, Bezos et al. vor Augen sollte man sich endlich mal gesamtgesellschaftlich damit auseinandersetzen und definieren, wieviel Geld für eine natürliche Person "GENUG" ist. Leute mit dieser Art Einfluss sind schlicht gefährlich für eine Demokratie.

    • @wheredallthegoodpeoplego:

      Wo genau sehen sie das Problem mit einer "vorläufigen Baugenehmigung" zu bauen? Solange der Bauherr solvent genug ist, zu garantieren, dass er vollständig zurückbaut, sofern er die endgültige Baugenehmigung nicht erhält, ist das komplett im Einklang mit Deutschem Recht. Und Musk ist jetzt nicht soviel ekelhafter als VWs Durch NSDAP-Machenschaften zu Vermögen gelangten Familien Porsche und Piech sowie die dort zu über 30% Beteiligten Scheichs von Katar. BMWs Quandt Familie ist bisher auch nicht durch übertriebene Demokratienähe aufgefallen. Wenn sie also Großindustrielle Firmen und Eigner mit Moral suchen, sind Sie evtl. im Kapitalismus falsch aufgehoben. Ob allerdings der real existierende Sozialismus in Nord Korea als Humanistisches Vorbild taugt, wage ich ebenfalls zu bezeugen.

  • Verstehe ich das richtig, die IG Metall kritisiert, dass 2022 ein Betrieb mit 2.500 Beschäftigten eine Betriebsrat gewählt hat?

    • @Rudolf Fissner:

      Ja. Wobei man sehen muss, dass in einem im Aufbau befindlichen Unternehmen "von oben nach unten" eingestellt wird. Man stellt zuerst Werksleitung, Führungspersonal, leitende Mitarbeiter etc und zuletzt die Produktionsmitarbeiter. Wenn in einer frühen Phase einer Werksgründung ein "Betriebsrat gewählt" wird, dann ist dies keine Arbeitnehmervertretung, sondern die Installation einer Werksleitungs-Vertretung.

      • @Jürgen Meyer:

        Die IG Metall wollte also keinen Betriebsrat ind den Jahren bis die Einstellungen noch nicht vollendet sind?

        Die IG Metall wollte den Arbeitgeber erstmal ohne Betriebsrat alleine gewähren lassen? Hatte die IG-Metall da Sorge, dass ein Betriebsrat da stören könnte?

        Das ist doch ein Grüze-Argument!

    • @Rudolf Fissner:

      Yep, die IGM bekämpfte seit jeher Elektromobilität in Deutschland und ist damit beim Niedergang der deutschen Automobilindustrie als einer der Haupt-Kriegsverbrecher zu benennen. Dass nahezu 2/3 der Belegschaft beim Tesla das nicht vergessen haben und gegen diesen Haufen Innovationsbremsen gestimmt haben, sprich für das Geschichtsbewusstsein der Belegschaft.