Ende der Münchner Sicherheitskonferenz: Eine Bühne für die Ratlosigkeit

Die diesjährige Sicherheitskonferenz war eine Unsicherheitskonferenz. Dabei bräuchte es gerade jetzt ein Diskussionsforum für Frieden und Abrüstung.

Selenski hält eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Der ukrainische Präsident trat am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz auf Foto: Wolfgang Rattay/reuters

In diesen bedrückenden Zeiten gebe es einen Silberstreif am Horizont, versprach der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, am Wochenende. Man müsse nur aufmerksam genug danach suchen. Heusgen wollte Mut machen. Aber seine Worte der Hoffnung konnten nur mühsam übertünchen, dass die Münchner Sicherheitskonferenz eine Unsicherheitskonferenz war.

Erkennbar war das Treffen auch entlang der drängenden Fragen des Globalen Südens konzipiert. Wie ein Tusch sollte wohl das Eröffnungspanel wirken, bei dem Christoph Heusgen mit den Präsidenten von Ghana und Kolumbien, mit UN-Generalsekratär Antonio Guterres und mit der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, über eine gerechtere Welt und die Bewältigung der Klimakrise sprach:„Growing the Pie: A Global Order That Works for Everyone“. Doch diese Aufbruchstimmung wurde überschattet.

Die Sicherheitskonferenz war dominiert von Nachrichten über Frontverläufe und den Tod unschuldiger Menschen: in der Ukraine, in Israel und Gaza sowie in Sibirien, wo pünktlich zur Konferenzeröffnung Alexei Nawalny verstarb, als hätte der Teufel Regie geführt. Am Wochenende sah der Teufel verdammt aus wie Wladimir Putin.

Der geopolitische Befund, diagnostiziert von 50 Staats- und Regierungschefs und -chefinnen, war weitgehend einheitlich: In der Ukraine ist die Lage düster, es fehlt an Munition, Soldaten und einer Perspektive. Da kann der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch so oft den Sieg über Russland beschwören, der irgendwann kommen wird (was soll er auch sagen). Amerika im Würgegriff von Donald Trump ist aktuell schon kein verlässlicher Partner mehr. Plötzlich steht Europa ziemlich nackt und alleine auf der Bühne.

Kein Mittel gegen die Eskalationitis

Daran muss man sich erst gewöhnen, wenn man sich vorgenommen hat, nach der Devise „Nie wieder Krieg“ alt zu werden. Der Fortschritt in Europa wird neuerdings in Millimetern gemessen: in 155 Millimetern genau genommen, dem Kaliber für die deutsche Panzerhaubitze. Die vornehmste Aufgabe der Politik scheint dieser Tage die Eröffnung neuer Waffenfabriken zu sein.

In dieser süßsauren Bedrückung gerät aus dem Blick, wie gefährlich die Welt am Virus der Eskalationitis erkrankt ist. Nichts scheint undenkbar: ein russischer Angriff aufs Baltikum und Polen, russische Atombomben im All, europäische Atombomben in Deutschland.

Schon klar, mit einem Mörder wie Putin ist kein ukrainischer Staat zu machen und kein dauerhafter Frieden, jedenfalls nicht ohne brutale Konzessionen – wenn überhaupt. Eine Alternative zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine und zur Verstärkung der europäischen Rüstungsindustrie scheint nicht in Sicht. Und trotzdem: Wo sind die Diskussionen über eine Welt ohne, weniger oder zumindest nicht mit noch mehr Waffen? Wer bietet eine Bühne für die Suche nach Ab-, nicht Aufrüstung? In München stand diese Bühne nicht.

Naiv? Bestimmt. Aber zugleich nötiger als je zuvor seit dem Ende des Kalten Krieges. Der Silberstreif, von dem Heusgen sprach: Noch ist er nicht sichtbar.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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