Kampf gegen rechts: Faesers Brandmauer
Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellt ein 13 Punkte umfassendes Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus vor. Nicht alles davon ist neu.
„Wir wollen alle Instrumente des Rechtsstaats nutzen, um unsere Demokratie zu schützen“, erklärte Faeser. Dass momentan so viele Menschen gegen Hass protestierten, sei für die Ministerin „Ermutigung und Auftrag zugleich“. Man wolle der rechtsextremen Szene weiter mit „Prävention und Härte“ begegnen und diese wie die Organisierte Kriminalität behandeln. „Jeder Verstoß muss konsequent geahndet werden“, so Faeser. Der Rechtsextremismus bleibe die größte Gefahr für die Demokratie.
Schon im März 2022, kurz nach ihrem Amtsantritt, hatte Faeser ein erstes Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus vorgelegt, zehn Punkte umfassend: von der Verschärfung des Waffenrechts bis zu mehr politischer Bildung. Das neue Paket kommt nun auf 13 Punkte – einige bekräftigen Bekanntes, andere sind neu. „Wir legen noch mal eine Schippe drauf“, so Faeser.
So sollen verstärkter Ein- und Ausreisesperren gegen Rechtsextreme verhängt werden, um deren internationale Vernetzung zu erschweren. Auch soll das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Informationen intensiver mit Behörden teilen, um diese für rechtsextreme Netzwerke zu sensibilisieren. Besser eingedämmt werden sollen auch die Finanzströme der Szene. Faeser hält hier die Hürde für den Verfassungsschutz, bisher nur bei einem Verhetzungs- und Gewaltbezug tätig werden zu können, zu hoch. Stattdessen soll mit einer Gesetzesänderung künftig ein „Gefährdungspotenzial“ reichen. Auch soll der Geheimdienst leichter Auskunft erhalten, wo Rechtsextremisten Girokonten halten.
Früherkennungseinheit gegen Desinformation
Zudem schließt sich Faeser der Forderung an, das Bundesverfassungsgericht mit einer Grundgesetzänderung besser vor möglichen autoritären Einflussnahmen zu schützen – hierzu sind bereits die Ampel-Fraktionen im Bundestag im Gespräch. Und im Innenministerium wird eine „Früherkennungseinheit“ aufgebaut, die ausländische Desinformationskampagnen aufspüren soll – eine Weiterentwicklung der dort bisher tätigen AG Hybrid. Die Größe der Einheit und das genaue Vorgehen ließ Faeser indes offen.
Andere Punkte standen dagegen schon in Faesers erstem Plan. So betont die Innenministerin erneut, dass Verbote gegen rechtsextreme Gruppen „fortlaufend geprüft“ würden – so wie bei der Artgemeinschaft und den Hammerskins zuletzt schon vollzogen. Auch verweist Faeser nochmals auf die Gesetzesreform ab dem 1. April, mit der Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden sollen. Oder auf die Anfang des Jahres gegründete Ansprechstelle zum Schutz von Kommunalpolitiker*innen.
Auch die politische Bildung wird gestärkt werden, etwa im Bereich Antisemitismus oder im Sport. Zudem weiter ausgebaut werden soll die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim BKA. Laut der Polizeibehörde wurden dort seit Einrichtung im Juni 2021 gut 19.300 Meldungen übermittelt – rund 83 Prozent seien tatsächlich strafrechtlich relevant gewesen. 77 Prozent wurden einer örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörde übergeben, in 11 Prozent der Fälle befanden sich die Verfasser im Ausland.
Andere jetzt erneut präsentierte Projekte verhakelten sich zuletzt in der Ampel. So pochte Faeser darauf, endlich das Waffenrecht zu verschärfen, zu dem sie schon Anfang 2023 einen Gesetzentwurf vorlegte. „Wir dürfen nicht auf weitere Straftaten warten.“ Die FDP aber lehnt die Reform ab und argumentiert, es brauche keine Verschärfung, nur eine bessere Umsetzung der Regeln. BKA-Präsident Holger Münch pflichtete Faeser indes am Dienstag bei: Jede Waffe weniger bei Extremisten bedeute mehr Sicherheit.
Politische Straftaten auf Höchststand
Faeser appellierte auch, das Demokratiefördergesetz endlich zu verabschieden. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) macht hier derzeit Druck. Zwar einigte sich das Kabinett bereits, aber die FDP-Fraktion im Bundestag blockiert. Sie fordert die Wiedereinführung einer Extremismusklausel, mit der Projekte ihre Verfassungstreue unterschreiben sollen – was diese als Generalverdacht ansehen. Auch warnen die Liberalen, dass mit dem Gesetz nicht Initiativen gefördert werden dürften, die legitime politische Kritik „bekämpfen“ würden.
Anderen von Faesers Punkten drohen zudem praktische Probleme: So dürfte die Verhängung und Kontrolle von Ein- und Ausreisesperren für Rechtsextremen eine rechtliche und praktische Mammutaufgabe werden. Schon das Verfahren gegen den österreichischen Identitären Martin Sellner, der in Potsdam und anderswo zuletzt mit seinem „Remigrationsplan“ hausieren geht, zieht sich. Die Stadt Potsdam hatte eine Einreisesperre angestoßen, Sellner dies aber sogleich mit einer Fahrt nach Passau PR-mäßig ausgeschlachtet. Dort wurde er an der Grenze kontrolliert, aber letztlich durchgelassen. Für Mittwoch war Sellner zudem für einen rechtsextremen „Aschermittwoch“ in Ronneburg bei Gera ankündigt. Ob er tatsächlich eine Anreise plant, blieb offen.
Faeser zeigte sich auch für einen Kabinettsausschuss zum Kampf gegen Rechtsextremismus offen, wie es ihn bereits in der Vorgängerregierung gab und wie ihn zuletzt Familienministerin Paus eingefordert hatte. Auch Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang betonte, man müsse Rechtsextremen „enttarnen“ und ihnen die Räume streitig machen. Mit Blick auf die AfD erklärte er, dass hier zuletzt die Grenzen zwischen der Gesellschaftsmitte und Rechtsextremen „verschwimmen“. Die Partei selbst ignoriere eigene Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu rechtsextremen Gruppen. Haldenwang warnte, dass das zuletzt stetig gestiegene rechtsextreme Personenpotenzial, das zuletzt bei 28.800 lag, zuletzt weiter angewachsen sei. Auch BKA-Präsident Münch warnte, dass die Zahl der politischen Straftaten im vergangenen Jahr einen Höchststand erreicht habe – genaue Zahlen würden demnächst vorgelegt.
Aktualisiert am 15.02.2024 um 17:45 Uhr. d. R.
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