Faesers Plan gegen Rechtsextremismus: Aufschlag mit Leerstellen

Dass Innenministerin Faeser dem Rechtsextremismus den Kampf ansagt, ist richtig. Nur: Ihr Aktionsplan lässt viele Fragen offen.

Nancy Faeser blickt in die Ferne

Vieles bleibt vage: Innenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung ihres Aktionsplans am Dienstag Foto: Chris Emil Janssen/imago

Nancy Faeser sieht zu Recht die größte Gefahr für die Demokratie hierzulande im Rechtsextremismus. Nach den tödlichen Attentaten des NSU in Halle, Hanau oder auf Walter Lübcke kann daran kein Zweifel mehr bestehen. Überdies erreichten rechtsextreme Straftaten jüngst ein Rekordhoch und gipfelten im Zuge der radikalisierten Coronaproteste in den Mord in Idar-Oberstein.

Auch Faesers Vorgänger Horst Seehofer räumte die Gefahr am Ende ein. Die frühere Bundesregierung beschloss ein Paket von 89 Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. Faeser knüpft mit einem 10-Punkte-Plan daran an. Die rechtsextreme Szene entwaffnen, ihre Finanzen austrocknen, Onlinehass bekämpfen, Extremisten aus dem öffentlichen Dienst werfen, die Prävention stärken – ist alles zu begrüßen. Dennoch bleibt noch vieles zu vage.

So fragt man sich, warum die Finanzströme der Szene erst jetzt intensiver ins Visier genommen werden. Auch das Waffenrecht bleibt problematisch: Die geplante Verschärfung stoppte die Waffenlobby. Die Zahl der Rechtsextremisten, die im Besitz eines Waffenscheins sind, stieg jüngst noch an. Wie nun psychisch Auffällige wie der Hanau-Attentäter entwaffnet werden sollen, lässt Faeser offen, ebenso, wie genau Extremisten schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden sollen.

Richtig ist, dass die Prävention mitgedacht und die Bundeszentrale für politische Bildung gestärkt wird. Sonst aber findet Faeser überraschend wenige Worte zur Rolle der Zivilgesellschaft. Stattdessen werden viele Aufgaben der Polizei oder dem Verfassungsschutz übertragen, auch Aussteigerprogramme oder Opferbetreuung. Dabei muss klar sein: Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht die gesamte Gesellschaft, der Widerspruch muss im ganz Kleinen beginnen.

Und das gerade jetzt, da die nächste Bewährungsprobe bevorsteht: der Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine. Auf kurz oder lang werden die Rechtsextremen gegen die Hilfesuchenden mobil machen. Wie effektiv Faesers Aktionsplan wirkt, wird erst an den Ergebnissen zu messen sein.

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Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort, seit 2014. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Bis 2014 vier Jahre lang Teil des Berlin-Ressorts der taz. Studium der Publizistik und Soziologie.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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