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Landratswahl in DithmarschenEin Fußbreit den Faschisten

Kommentar von Benno Schirrmeister

Kippt bei der Landratswahl in Dithmarschen die Brandmauer gegen rechts? Die Wiederwahl des Amtsinhabers wäre ein symbolischer Triumph für die AfD.

Soll nach dem Willen der CDU auf seine Kandidatur verzichten: Dithmarschens Landrat Stefan Mohrdieck Foto: Axel Heimken/dpa

A usgerechnet Dithmarschen! Dort hatte sowohl vor 1933 als auch noch nach 1945 jeweils ein Nazi den Landratsposten inne. Dass ausgerechnet dieser Landkreis nun zu einer Erprobungsstation für die Brandmauer der demokratischen Parteien gegen die AfD avanciert, bereitet Unwohlsein.

Zwar hat der bisherige Amtsinhaber Stefan Mohrdieck nicht mit der AfD zusammengearbeitet. Doch wäre seine Wiederwahl ein symbolischer Triumph für diese: Möglich wäre sie nur, wenn SPD und Grüne den Faschisten eben doch einen Fußbreit Platz, sprich die AfD an der Macht teilhaben lassen. Dabei sind andere als symbolische Triumphe auf dieser Ebene kaum zu erringen. Ein Landrat kann zwar im Ausländerrecht ekliger oder humaner als andere sein. Aber er ist gebunden an die Gesetze: Die Entscheidung darüber, wer sie als Hauptbeamter der Gebietskörperschaft verwirklicht, ist keine über politische Inhalte.

Sie zur Richtungswahl zu machen, ist in der aktuellen politischen Lage gefährlich. Dabei wundert nicht, dass die SPD am Amtsinhaber festhält: An der eigenen Sichtbarkeit zu arbeiten, gehört zu den Aufgaben der Opposition. Und warum die Kreis-CDU nicht vermag, auch nur eine öffentliche Zusage von Unabhängigen Wählern, Fraktionslosen oder Grünen für ihren Newcomer zu erarbeiten, weckt Zweifel an ihrer kommunikativen Fähigkeit.

Aber als wirklich irre muss das Stillhalten der Grünen-Fraktion gelten: Auf der Landesebene bildet die Partei mit der CDU eine Koalition. In der von dieser getragenen Regierung arbeitet Thorben Schütt mit: Der Volljurist leitet das Büro der Innenministerin. Das ist eine Top-Empfehlung für einen Landratsposten – auch wenn sich Schütts parlamentarische Erfahrung bislang darauf beschränkt, dass er einmal in einem Planspiel zwangsweise und eher widerwillig in einer Grünen-Fraktion mitgewirkt hat.

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Vielleicht gibt es ja auch umgekehrt für die Dithmarscher Grünen Gründe, ihn nicht zu mögen. Die müssten aber schon sehr schwer wiegen, gönnte man ihretwegen den Faschisten einen Triumph. Mindestens müssten sie ihre Vorbehalte also öffentlich artikulieren. Es ist ihre Brandmauer, die wackelt.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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19 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Amthor 2.0. Der Kohl ist gegessen. Heftige Blähungen. Da hilft nur Köm.



    www.ndr.de/nachric...thmarschen270.html

  • Inzwischen habe ich mich informiert und, wie es im Amtsdeutsch heißt, zur Kenntnis genommen, dass in Bremen und Schleswig-Holstein Landräte nicht von den Bürger*innen gewählt werden. Manchmal frage ich mich schon, in was für einer bzw. wie verfassten Demokratie wir eigentlich leben. Anders herum: Als bisweilen belächelter Bürger von Bayern (wo erst kürzlich zwei AfD-Richter von der Staatsregierung regelrecht ins Amt gehievt worden sind...) fühle ich mich fast genötigt, milde zurückzulächeln.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Auweiowei:

      „Manchmal frage ich mich schon, in was für einer bzw. wie verfassten Demokratie wir eigentlich leben. "



      Die Strukturen sind wg. Föderalismus in den Bundesländern unterschiedlich. Die Basis hierzu wurde ursprünglich durch Verwaltungsfachleute der Nationen geschaffen, die DE 1945 befreit und dann neu organisiert haben. USA, GB, FR, UdSSR. Dahere gab und gibt es Unterschiede. In den 1970ern bis 1990ern wurde einiges geändert - aka „reformiert".



      (Ab 15 Uhr 45 wird zurückgelächelt.)

  • Also CDU und FDP kommen zusammen rechnerisch für den CDU-Kandidaten auf 27 Stimmen von 54 Stimmen.

    Der von der SPD unterstützte unparteiische Kandidat kommt rechnerisch ebenfalls, einschließlich der Stimmen der AfD auf 27 von 54 Stimmen.

    Es müssen sich also aus den Reihen von CDU und FDP 7 Personen bewegen, damit der bisherige Landrat nicht an den Stimmen der AfD hängt. Bzw. einer, wenn der Kandidat auch die Stimmen der AfD akzeptieren wird, was er ja schon angekündigt hat. Klar ist dann aber auch, mit wem die SPD dann ins Bett gestiegen ist.

    Umgekehrt müsste sich aus den Reihen der SPD, der Grünen, der Unabhängigen bzw. und fraktionslosen nur 1 Stimme für den CDU-Kandidaten aussprechen.

    Sicher, es ist nicht gesagt, dass sich alle aus den eigenen Reihen für den CDU-Kandidaten aussprechen.



    Aber alles in allem wedelt hier der Schwanz mit dem Hund und die SPD weiß das, wie die dünnhäutigen Reaktionen beweisen!

  • Der amtierende Landrat ist parteilos, und in keinem der vielen Artikel zu dem Thema habe ich irgendwas gelesen, das Zweifel an seiner Amtsführung erkennen läßt.



    Aber die CDU will den Posten unbedingt für einen Nachwuchs-Apparatschik.



    Und da die CDU keine Mehrheit hat für ihren Kandidaten, spielt sie skrupellos die AfD-Karte.

    Einfach nur erbärmlich.

  • Ich gehe natürlich davon aus, dass auch ein Landrat sozusagen plebiszitär und geheim und nicht durch Delegierte gewählt wird - oder ist das in S-H etwa nicht so?

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Auweiowei:

      Hier bekommen Sie die zugehörigen Informationen:



      taz.de/Landratswah...marschen/!5987432/

  • Mag sein, dass ich dieses Verwirrspiel um die Landratswahl im hohen Norden nicht richtig auf die Reihe bringe, weil mir der nördlich-kühle Blick oder Durchblick fehlt - aber bitte: seit wann verhält es sich denn eigentlich so, dass man hinterher, will sagen nach der Wahl, die Wählerstimmen für diese oder jene Kandidat*innen genau dem jeweiligen "Stimmvieh" zuordnen kann? Es soll doch sogar schon vorgekommen sein, dass in demokratischen Wahlen eingetragene Parteimitglieder gegen "ihre*n" Kandidat*in und für die/den anderen gestimmt haben. Na und?



    P.S. Und hält man/frau das Wahlvolk denn für so bescheuert. dass es sich am Ende, also nach der Wahl, für die pseudodemokratischen Verlautbarungen aus den Reihen der Demokratiefeinde (AfD) ernsthaft interessiert?

  • Warum sollen sich die Grünen zum Durchlauferhitzer für den CDU- Kandidaten Schütt machen, der keinerlei parlamentarische Erfahrung hat und noch nie als Abgeordneter gewählt wurde und der von den richtigen Leuten in der CDU als Apparatschick protegiert zu werden scheint, um nach der Durchlaufstation als Landrat den nächsten Karrierestep in einem Ministerum anzugehen?

    Warum sollte sich Mohrdieck nicht von der AFD abgrenzen, wenn er in geheimer Wahl mit deren Stimmen gewählt würde? Vielleicht stimmen auch etliche CDU-Mitglieder im Kreistag für ihn.



    Und warum recherchert de taz nicht, was die Grünen gegen Schütt haben. Es wird mit Sicherheit gute Gründe geben, doch die Grünen scheinen sich zu fein zu sein, mit offenen Karten zu spielen.

  • Was für eine feige Demokratie, wenn man aus Verzweiflung darüber, dass ein Amtsinhaber eventuell vom tumben Rechten mitgewählt wird, einen nur von der CDU präsentierten nassforschen jungen Typen mitwählen zu müssen und das als Bollwerk gegen die AfD versteht. Die 'Grünen' am Gängelband einer CDU, die gerade in Schleswig-Holstein (wie in Baden Württemberg) im Hintergrund noch die Keime einer Barschel-Partei in sich birgt und eigentlich nur aufgrund einer in sich widersprüchlichen SPD (der Heide-Mörder ist immer noch nicht enttarnt) und einem Aufsteiger Habeck an der Macht halten konnte.

  • Es gibt keine Brandmauer. Ob die AFD mitregiert entscheidet das Volk an der Wahlurne nicht die Parteizentralen.

  • Eine Brandmauer ist ja die letzte Barrikade im Brandfall (oder besser Braunfall?).

    Viel wichtiger wäre es den Brand zu löschen.

    Also auf eine Politik umzuschwenken, die das Volk versteht, auf die sich das Volk verlassen kann und bei der das Volk mitgeht.

    Aber ich fürchte die aktuellen Politiker:innen haben jede Bodenhaftung verloren.

    Mich wundert, dass diese studierten Leute, die oft genug Jura oder Politikwissenschaften studiert haben, beim Blick in die Geschichtsbücher offenbar das Kapitel "Ursachen" überlesen haben.

    Das gilt insbesondere für die Personen in der FDP.

  • "Zwar hat der bisherige Amtsinhaber Stefan Mohrdieck nicht mit der AfD zusammengearbeitet. Doch wäre seine Wiederwahl ein symbolischer Triumph für diese: Möglich wäre sie nur, wenn SPD und Grüne den Faschisten eben doch einen Fußbreit Platz, sprich die AfD an der Macht teilhaben lassen."

    Soweit die Behauptung.

    In der Realität versucht die CDU mit Drohungen und Gängelung, die Demokratie auszuhebeln, um mal wieder einen ihrer Getreuen auf einen Posten zu hebeln.

    Ja, die CDU. Exakt diejenige Partei, die anderswo in Deutschland auf Kommunal- und Kreisebene absolut keine Berührungsprobleme mit der AfD hat.

    "Der Volljurist leitet das Büro der Innenministerin. Das ist eine Top-Empfehlung für einen Landratsposten"

    Ach, echt? Warum und seit wann? Muss man als Landrat nicht eher mit Land und Leuten vertraut sein, statt als Ex-JU-Apparatschik eine steile Parteikarriere hinzulegen, und mit der Bevölkerung, die man als Landrat vertreten würde, nicht den geringsten Dreck zu tun zu haben?

    Zur Erinnerung: das CDU-geführte Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein ist in Sachen "militante Bauern mit Landvolk-Flaggen" bislang ziemlich untätig geblieben.

    2018 las sich das alles noch sehr anders: taz.de/Neuer-Landr...marschen/!5475656/

    • @Ajuga:

      Die CDU ist die mit Abstand stärkste Fraktion im Kreistag und hat mehr Sitze als SPD und Grüne zusammen. Es ist nur legitim, wenn deren Vertreter gewählt wird. Hier sollte sich dann die SPD dem damaligen Wählervotum fügen und den CDU Kandidaten unterstützen.

      www.ndr.de/nachric...2_wahlid-4790.html

    • @Ajuga:

      Gängelung ?



      Sehe ich aktuell besonders bei den Grünen.



      Bekommen umweltpolitisch zu wenig (bis nichts) auf die Kette, pampern umweltschädliche Technologien und gänglen dann den kleinen Mann* damit man überhaupt merkt dass es die Grünen noch gibt.

  • Hat irgendwer den Artikel verstanden? Was ist jetzt das Problem mit dem SPD-Kandidaten? Warum wäre seine Wiederwahl ein Sieg für die AfD, wenn er nicht mit den Faschisten zusammengearbeitet hat?

    • @Realdemokrat:

      Ja, der Artikel ist alles andere als selbsterklärend. Man muss eigentlich schon voll im Thema sein, um ihn zu verstehen.

    • @Realdemokrat:

      Danke für deine Frage.



      Ich habe mich nach dem Lesen auch gefragt, worum es in dem Artikel eigentlich geht.

    • @Realdemokrat:

      Im Artikel "Keine Mehrheit ohne AfD-Stimmen" wird mensch draus schlauer. Die CDU erpresst den amtierenden Landrat bzw. die ihn unterstützenden demokratischen Fraktionen damit, dass deren Stimmen allein für eine Wiederwahl nicht reichen würden und deshalb nur ihr eigener CDU-Kandidat in Frage käme, wenn man nicht auf AfD-Stimmen bauen wolle, und damit, dass in anderem regionalem Zusammenhang die CDU zurückgesteckt habe und nun die SPD dran sei.



      Tja, nun, was soll man sagen? Geschickter wäre es, das ganze geräuschloser verhandelt zu haben, oder?