Landratswahl in Dithmarschen: Nazi-Knüppel gegen eigene Leute
Die CDU hatte dem Amtsinhaber vorgeworfen, er wolle sich mit Stimmen der AfD wählen lassen. Dieser Verdacht haftet nun ihrem eigenen Mann an.
T horben Schütt (CDU) ist der neue Landrat von Dithmarschen – hurra, die Demokratie ist gerettet! Oder? Worum ging es eigentlich genau?
Erstens: Es ging nicht, wie andernorts, um die Wahl zwischen eine*r AfD-Kandidat*in und eine*r Vertreter*in einer demokratischen Partei. Schleswig-Holstein ist zwar nicht frei von braunem Bodensatz, doch die AfD spielt eine vergleichsweise geringe Rolle. Im Landtag ist sie nicht vertreten, bei den Kommunalwahlen 2023 landete sie bei acht Prozent.
Zweitens: Dass die Öffentlichkeit durch die Augen aller Medien von Bild bis taz gebannt auf die Wahl in der Kleinstadt Heide schaute, lag ursprünglich an einer Mitteilung von Lukas Kilian, Generalsekretär der Landes-CDU. Der warnte, der parteilose Amtsinhaber Stefan Mohrdieck habe nur eine Chance auf Wiederwahl, wenn die AfD für ihn stimme. Angeblich habe die Rechtspartei sich bereits für ihn ausgesprochen, raunte Kilian.
Allerdings: Die AfD verneint, dass es diese Zusage gab, und den anderen Fraktionen des Kreistages ist nichts davon bekannt. Aus welchem Grund also lässt die CDU den Nazi-Knüppel aus dem Sack?
Amtsinhaber hätte Stimmen von CDU oder FDP gebraucht
Im Dithmarscher Kreisparlament sitzen neun Parteien, das Spektrum reicht von der Linken mit einer bis zur AfD mit sechs Mandaten. Die CDU ist mit 21 Sitzen stärkste Fraktion, gefolgt von der SPD mit neun. FDP und Grüne sind ebenso vertreten wie drei Wählergemeinschaften.
Ein Rechenspiel: Hätten CDU und FDP geschlossen für Herausforderer Schütt gestimmt, bräuchte Mohrdieck alle anderen Abgeordneten von ganz links bis ganz rechts, um gleichzuziehen. Dazu müsste der 57-jährige Vater zweier Kinder, der auf dem zweiten Bildungsweg ein Verwaltungs-Studium abschloss, eine Art politisches Super-Chamäleon sein.
Da klingt es wahrscheinlicher, dass der gebürtige Brunsbütteler Mohrdieck, der seit 2018 Landrat ist, für Teile der CDU-Fraktion wählbarer gewesen sein könnte als das CDU-Mitglied Thorben Schütt. Der 33-jährige Jurist, der als selbst ernannter „überparteilicher“ Kandidat antrat, stammt zwar aus Heide, hat aber in Kiel Karriere gemacht, zuletzt leitete er das Büro der Innenministerin. Seine Bewerbung für den Posten reichte er im Dezember 2023 ein.
Wollte der CDU-General die eigenen Leute disziplinieren?
Mal um die Ecke gedacht: Winkte vielleicht der CDU-Generalsekretär mit dem Nazi-Knüppel in Richtung der eigenen Leute, damit die geschlossen für Schütt stimmen?
Wenn ja, ist der Plan richtig schief gegangen. 28 Stimmen, das ist die denkbar knappste Mehrheit, entfielen auf Schütt, 23 auf Mohrdieck, drei Abgeordnete enthielten sich. Hinterher behauptete die AfD, sie habe Schütt gewählt – was sein kann oder auch nicht.
Die CDU hat den Posten gewonnen, aber der Preis ist hoch: Das Theater vor der Wahl hat der AfD-Kreistagsfraktion eine Bedeutung verliehen, die sie zuvor nicht hatte. Der ehemalige Landrat hatte keine Chance auf eine unbeeinflusste Wahl. Und der neue wird nie beweisen können, dass er nicht mit Stimmen von rechts gewählt wurde.
Änderungshinweis: In einer früheren Version des Textes hatten wir geschrieben, dass Thorben Schütt seine Bewerbung im Januar eingereicht hat. Das ist falsch. Die Bewerbungsfrist endete bereits im Dezember 2023.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Bezahlkarte
Hundegulasch und Auslandsüberweisungen
„Wrapped“-Marketingkampagne von Spotify
Nicht einwickeln lassen!
Freihandelsabkommen Mercosur
Gegen die Isolation
Nach Recherchen zum Klaasohm-Fest
Ab jetzt Party ohne Prügel
Privatjet auf Sylt besprüht
Haftstrafen für Letzte Generation – ohne Bewährung
Einkaufen im Supermarkt
Der Trick mit den einsamen Bananen