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Demonstrationen gegen rechtsZu lange geschwiegen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Demos gegen rechts machen Mut und sind nötig. Denn die rechten Geheimpläne zeigen: Das „Nie wieder“ ist nicht unverrückbar.

Demonstration gegen rechts unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ am Brandenburger Tor am 14. Januar Foto: Soeren Stache/dpa

D er Ruf „Björn Höcke ist ein Nazi“ geht vielen Dresd­ne­r:in­nen inzwischen flott über die Lippen. Wann immer der AfD-Politiker, seine Leute und andere rechtsextreme Gruppen in den vergangenen Monaten über die Straßen der sächsischen Landeshauptstadt zogen, kamen Menschen zu Gegendemonstrationen zusammen – Angestellte, Schüler:innen, Studierende, Nachbar:innen. Die sächsische Zivilgesellschaft ist längst alarmiert und brauchte keine Undercover-Recherche, um zu erkennen, wie gefährlich die AfD ist und wie wichtig es ist, ihr entgegenzutreten. Gut, dass die gesellschaftliche Mitte, dass die Nor­mal­bür­ge­r:in­nen nun auch in Berlin und anderen linksliberalen Hochburgen auf die Straße gehen.

Die Demonstrationen mit Zehntausenden Teil­neh­me­r:in­nen am Wochenende in mehreren deutschen Städten sind ein echter Lichtblick und machen Mut. Sie können aber nur der Anfang sein. Denn zu lange hat die Mehrheit geschwiegen. Man hatte sich in der behaglichen Gewissheit eingerichtet, dass die AfD ein Problem des Ostens und der Provinz sei und die Demokratie unerschütterlich.

Doch die Recherchen von Correctiv über das klandestine Treffen von Rechtsextremen mit AfD-Politikern in einem Potsdamer Landhotel und deren Plan zur massenhaften „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund haben noch einmal gezeigt, wie radikal menschen- und demokratiefeindlich die AfD ist und welche Gefahr von ihr ausgeht. Sie ist eben keine „normale“ Partei, mit der man sich ganz normal streitet.

„Remigration“, das erinnert nicht nur vom Duktus her an den Begriff der „Endlösung“ und an eine andere geheime Besprechung, zu der vor 82 Jahren nur wenige Kilometer von dem Potsdamer Hotel entfernt der Chef des SS-Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, geladen hatte. Der Ausgang ist bekannt.

Gefährdete Menschenrechte

Doch das „Nie wieder“, das seit Jahrzehnten das juristische und moralische Fundament des geteilten und des wiedervereinigten Deutschlands bildet, ist nicht unverrückbar, wie die rechtsextremen Pläne zeigen. Eine Demokratie, die nicht mit Leben gefüllt wird, verkommt zur Hülle. Menschenrechte, die nicht verteidigt werden, sind angreifbar und gefährdet.

Ja, Björn Höcke ist ein Nazi. Und so müssen er und seine AfD auch behandelt werden. Wer der AfD nicht entgegentritt, sondern versucht, sie rechts zu überholen und zu überbieten, wie es die Union etwa beim Thema Migration versucht, legitimiert ihre Forderungen. Die AfD und ihre Ideen müssen bekämpft werden, und zwar auf allen Ebenen: politisch, gesellschaftlich – und wenn möglich auch juristisch.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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17 Kommentare

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  • Das Problem AfD ist auch eines der Glaubwürdigkeit 'unseres' Parteiensystems: Das war fast ein Versprecher, den er am Liebsten wieder zurücknehmen wollte, der Anton Hofreiter bei der ersten Lanz-Sendung in diesem Jahr, als er davon sprach, dass es (auch in der Koalition) an glaubwürdigen Politikern mangele: Wenn wir jetzt erleben, dass statt einer gemeinsamen Problembewältigung aller Demokarten von einer Opposition fast nichts kommt, als Hetztiraden gegen Ampel, Flüchtkinge und überbezahlten HARTZ 4-Empfängern und gleichzeitig der Mindestlohn wieder runter soll, eine Opposition in der Ampel sich gern anschliesst, ein Kanzler, der den Überblick verliert und alles schleifen lässt und Grüne jegliche Grundsätze, nach denen sie eigentlich gewählt wurden, fallen lassen, darf man schon von einer veritablen Parteienkrise sprechen, die es Rechten leichter macht, alles infrage zu stellen. Da tut es gut, wenn so viele Demokraten auf die Strasse gehen, um den rechten Mob in die Schranken zu weisen: Doch wo ist die politische Partei, das Personal, die in der Lage sind, angesichts insbesondere der schon fast nicht mehr zu bewältigenden Klimakrise die Gesellschaft zusammenzubringen und die Verursacher, vor allem der Schwerindustrie an die Kandarre zu nehmen und auch den unvermeidlichen Verzicht auf nicht nachhaltiges Verhalten -angefangen von Yachtbesitzern, Hobbypiloten, Schlossimmobilienbesitzern bis hin zu Kreuzfahrern und Ferntouristen- durchzusetzen als Vorbild für alle anderen. Sahra Wagenknecht ist auch keine Lösung.

    • @Dietmar Rauter:

      Eine Partei, die die von Ihnen vorgeschlagenen Lösungen durchzusetzen versucht, wird niemals eine gesellschaftliche und erst recht keine politische Mehrheit bekommen.

      Ganz abgesehen davon, dass dies nun genau diese Art von Vorschlägen sind, die die Menschen vor den "etablierten" Parteien zurück schrecken lässt,

      • @Tom Tailor:

        Ich kritisiere die mangelnde demokratische Kultur innerhalb der Parteien, die dazu geführt hat, dass sich diese Gruppen immer mehr von ihrer Wählerschaft entfernt hat: Wie ist es möglich, dass zum Beispiel ein Philipp Amthor, der alles versucht und nichts anderes kann, als nach oben zu kommen, immer noch als Kandidat einer 'demokratischen' Partei auftreten kann....

  • Eine sehr wirksame Maßnahme wäre : Grundrechtsverwirkung nach Verfassungs-Artikel 18, wirksamer und niederschwelliger als ein Parteienverbot. Dann darf Höcke sich nicht mehr wählen lassen. Es gibt dazu eine online - Petition. Es haben schon mehr als 790 tausend Menschen unterzeichnet. 800 tausend sind nötig. - Es wird ein Votum für unsere Demokratie sein. Hier der Link.

    httpsweact.campact.de/p...&utm_source=rec-wa

    • @Konfusius:

      Danke für den Link. Habe unterschrieben.

  • Vielleicht wäre der Auftritt des Kanzlers und seiner Außenministerin in Potsdam etwas glaubwürdiger, wenn sie nicht gerade selbst das Recht auf Migration quasi pulverisiert hätten und dazu ansetzen, trotz verfassungsrechtlicher Bedenken, Arbeitslosen weiterhin das Leben zur Hölle zu machen.

    Einfach gesagt: Es ist zu spät. Der Geist des Faschismus ist aus der Falsche und alle haben mitgemacht. Bis zu 60 Prozent der Wähler stehen rechts. Und ja: Die Union kann noch so sehr eine Zusammenarbeit mit der AfD abstreiten. Sind die Wahlen im Osten erst gelaufen, wird das ganz anders aussehen. Inhaltlich ist sie ohnehin fast deckungsgleich zur AfD, inklusive Abschaffung des Sozialstaats und der Einrichtung von Lagern außerhalb der EU.

    Vielleicht sollten sich auch so manche Medienhäuser inklusive des ÖRRs fragen, wie es dazu kommen konnte, dass sich viele Menschen in Deutschland und nicht nur solche mit Migrationshitergrund überlegen, wann sie dieses Land am besten verlassen sollten.

  • "Nazi Raus....". Mittlerweile kommt die AFD Bundesweit auf 20%, das dürfte schwerig werden Millionen von Menschen zu vertreiben.

    Ich bin immer noch auf der Suche nach der Vernunft, solche Parolen bringen nichts,machen die Sache nur noch Schlimmer.

    • @ulf hansen:

      „Ausländer raus“ mach auch nichts besser. Das dürfte nämlich auch schwer werden. Immerhin haben gut 24% der Bevölkerung Migrationshintergrund. Und was jetzt?

    • @ulf hansen:

      Ja, "Nazis raus" wäre ja auch nur eine andere Form der Deportation.



      Schwieriger und mühsamer ist es schon, die Gedanken des NS aus den Köpfen zu bekommen, trotzdem vorzuziehen, weil langfristig erfolgreicher, als neue Märtyrer zu erschaffen.

    • @ulf hansen:

      Nazis raus ist keine Aufforderung zur Deportation und für Vernunft sind die AFD und ihre Wähler nicht zugänglich.

  • Wenn jetzt die "gesellschaftliche Mitte" es auch noch fertigbrächte, den anderen Parteien bescheidzustossen, wenn letztere sich der AfD-Themen bedienen...

  • Das ist ja schön und gut, wenn da an einem Samstag zehntausende Menschen auf die Straße gehen.



    Nur stell ich mir die gleiche Frage, die ich mir 2018 in Chemnitz schon gestellt habe: Was folgt daraus? Wie viele dieser Menschen organisieren sich in antifaschistischen Gruppen und Organisationen?



    Und da habe ich wenig Hoffnung.

  • Von wegen "bedingt abwehrbereit":*



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    Demagogie und Autokratie:



    Eine gedoppelte Dystopie,



    Gekoppelt mit Fehlinformation



    Dann noch eine Amplifikation,



    Fehlt nur noch volle Meinungszensur



    Zu einer echten Musterdiktatur!



    /



    Bei fr.de steht:



    "Bereits vor Jahren schrieb Höcke von „wohltemperierter Grausamkeit“, die gegen alle, die seinem Weltbild nach nicht in Deutschland leben sollten, erfahren würden. Höcke darf man gerichtsfest einen Faschisten nennen. Sein Landesverband ist stärkste Kraft in den Umfragen zur Landtagswahl in Thüringen, die im September stattfindet. Damit es für eine radikale Partei wie die AfD auch langfristig keine Machtoption gebe, müssten sich „die Demokraten jetzt zusammenraufen“, findet der Politologe Funke."



    /



    Florian Schroeder als Buchautor



    "Unter Wahnsinnigen"



    Bei radioeins.de



    "Ich bin dorthin gegangen, wo das Böse ist", erzählt Florian Schroeder. "Dort, wo mir der Humor kaum noch weiterhelfen kann. Raus aus meiner Welt, zu den Ausgegrenzten, Kranken und Verrückten, zu den Durchgeknallten und Wahnsinnigen. Wie werden Menschen zu Straftätern, politischen Extremisten und Lügnern? Wer sind die, die wir verurteilen?..."



    /



    *



    www.swr.de/swr2/wi...l-affaere-100.html



    /



    Auch die Geschichte lehrt, wie schnell im "Handstreich" Recht gebrochen werden kann.



    Um das zu verstehen, muss man nicht Historiker oder Geschichtslehrer sein.

  • Ca. 24 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund lebten 2022 in Deutschland. Wohin wollte man diese Menschen abschieben? In ihre Heimatländer? Die wollen sie nicht mehr haben. Wohin dann? In gekaufte Lager in autoritären Regimen? Und dort werden sie dann aufbewahrt und ernährt? Was für ein Hirnfick! Sollte sowas jemals umgesetzt werden, werden wir schuldig an Millionen von Toten. "Wohltemperierte Grausamkeiten" nennt das Höcke. Die AFD und die rechten Handlanger werden unverdrossen ihren Weg weitergehen und wenn sie nach den Wahlen in "Amt und Würden" sein sollten, werden sie die Landesregierungen und den Apparat nach ihren Vorstellungen umgestalten. Das wird schwerwiegende Konsequenzen für den Weiterbestand unserer Demokratie haben. Deshalb: AFD Verbotsverfahren jetzt. Wenn das BVerfGE den Ernst der Lage nicht erkennt und kein Verbot ausspricht, wird es den Ernst der Lage bei seiner eigenen Abschaffung erkennen. Aber dann ist es zu spät.

    • @shitstormcowboy:

      Die Umsetzung der unintelligenten Pläne der AfD ( das sind drei Lügen in einer Parteibezeichnung) wird nicht nur schwerwiegende Konsequenzen für den Weiterbestand der Demokratie, sondern auch für die wirtschaftliche Situation und die Sicherheit haben, und das beileibe nicht nur in BRD. Von der Umsetzbarkeit mal ganz abgesehen. Ich frage mich ernsthaft, wo die Planer bei der AfD ihr Abitur her haben.

  • Ich höre immer, dass Nazis "auf allen Ebenen" oder "mit allen Mitteln" bekämpft werden sollen und denke dann an die einfachsten Möglichkeiten, die nicht einmal wahrgenommen werden:



    * Gespräche im Alltag



    * mehr Bildung überall



    * weniger Werbenetze (diese sorgen für Meinungsblasen), mehr Auseinandersetzung



    * mehr "dürfen" und mehr Selbstverantwortung, statt Kontrolle!!

    Diese Punkte und viele mehr unterstützen Resilienz einer Gesellschaft und des Einzelnen, werden aber von unseren Regierungen so gut wie nie bei Entscheidungen beachtet. Vorrang hat immer die Industrie, das "Sicherheitstheater" und großmäulige Sprüche wenn sich jemand profillieren will.



    Auch DAS alles nutzen Demagog:inn:en aus. Warum also lassen wir uns so leicht das Ruder aus der Hand nehmen?

  • "Treffen von Rechtsextremen mit AfD-Politikern ?" - Treffen von Rechtsextremen mit Rechtsextremen. Mag durchaus sein, dass in der A..D auch noch Demokraten übriggeblieben sind, aber die hier relevanten Gestalten: da trafen sich Rechtsextreme A..Dler mit anderen Rechtsextremen. Nix Äpfel und Birnen.