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Situation in der UkraineUkrainekrieg – war da was?

Anastasia Magasowa
Kommentar von Anastasia Magasowa

Die Lage für das angegriffene Land ist heikel – auch weil es zu wenig Hilfe bekommt, um zu gewinnen. Das dürfte die Autokratien in der Welt beflügeln.

Ein Soldat des pro-ukrainischen Bataillons aus Russland bei einer Übung Foto: Efrem Lukatsky/ap

D ie Aufmerksamkeit für den Krieg Russlands gegen die U­kraine nimmt ab. Dafür gibt es viele Gründe – von der Eskalation des Krieges in Gaza bis hin zur Uneinigkeit unter den Unterstützerstaaten. Die schwindende Aufmerksamkeit für die Ukraine verringert leider nicht die Intensität der militärischen Aggression Russlands – ganz im Gegenteil. Je schwieriger es für die U­kraine wird, westliche Unterstützung zu erhalten, desto zuversichtlicher ist Russland.

Im Gegensatz zur demokratischen Welt können autoritäre Regime wie das russische das Spiel langfristig spielen. Wenn sie sich zu Beginn der Invasion strategisch geirrt haben, weil sie mit einem schnellen Sieg gerechnet haben, heißt das nicht, dass sie keine Lehren daraus gezogen haben. Russland setzt auf die Erschöpfung der Ukraine – physisch, militärisch und moralisch – und seine größeren Ressourcen an Menschen und Material.

Gleichzeitig ist die russische Autokratie in der Lage, nicht nur aus Fehlern zu lernen, sondern auch Verbündete zu finden. So kann sie nicht nur mit westlichen Sanktionen ganz gut umgehen, sondern sich auch technologisch weiterentwickeln. In der Nacht, in der Präsident Wolodymyr Selenskji und sein US-Amtskollege Joe Biden nach ihrem Treffen in Washington eine Pressekonferenz abhielten, feuerte Russland zehn Raketen auf Kyjiw ab. Alle Raketen wurden dank der Luftabwehrsysteme abgeschossen, die die Ukraine von ihren Verbündeten, insbesondere den USA und Deutschland, bekam. Dennoch beschädigten die herabfallenden Granatsplitter Häuser und Gebäude der zivilen Infrastruktur; mehr als 50 Menschen wurden verletzt.

Die Ukraine erhält jetzt genug Hilfe, um zu überleben, aber zu wenig, um den Krieg zu gewinnen. Das hält – zumindest die meisten – Ukrainer nicht davon ab, weiter für ihre Freiheit zu kämpfen, aber es untergräbt die Glaubwürdigkeit der westlichen Partner.

Indem die westliche Welt den Krieg im Zentrum Europas vergisst, offenbart sie nicht nur ihr Zaudern gegenüber einer imperialistischen Bedrohung, sondern gibt den Autokratien grünes Licht für weitere Aggressionen globalen Ausmaßes.

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Anastasia Magasowa
Anastasia Rodi (Magazova) ist 1989 auf der Krim (Ukraine) geboren. Studium der ukrainischen Philologie sowie Journalismus in Simferopol (Ukraine). Seit 2013 freie Autorin für die taz. Von 2015 bis 2018 war sie Korrespondentin der Deutschen Welle (DW). Absolventin des Ostkurses 2014 und des Ostkurses plus 2018 des ifp in München. Als Marion-Gräfin-Dönhoff-Stipendiatin 2016 Praktikum beim Flensburger Tageblatt. Stipendiatin des Europäischen Journalisten-Fellowships der FU Berlin (2019-2020) in Berlin. 2023 schloss sie ihr Studium am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin ab. Sie hat einen Master of Arts (Politikwissenschaft). Als Journalistin interessiert sie sich besonders für die Politik in Osteuropa sowie die deutsch-ukrainischen Beziehungen. Von den ersten Tagen der Annexion der Krim bis heute hat sie mehrere hundert Reportagen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine geschrieben.
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22 Kommentare

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  • Nochmal kurz nachgefragt: Was ist das konkrete Szenario eines Sieges der Ukraine? Die militärische Unterwerfung Russlands, ein Siegfrieden? Unmöglich. Ein Regimechange in Russland? Wohl kaum ... Der ökonomische Ruin Russlands? Sieht nicht danach aus ... Was heißt hier "gewinnen"?

    • @Comandanta Ramona:

      Vielen Dank für die Antworten auf meinen Kommentar. Mir fällt auf, dass hier vorwiegend Szenarien genannt wurden, die einen Sieg voraussetzen. Ich habe meinen Frage folglich zu unpräzise gestellt. Hier ein neuer Versuch: Was ist der Erfolg versprechendste Weg in Richtung dieser Ziele angesichts der Gesamtsituation, also Unmöglichkeit eines militärisch erlangten Diktatfriedens, des Regimechanges in Russland und der Unwirksamkeit der Embargos...

      • @Comandanta Ramona:

        Ihre Frage ist IMO falsch gestellt, da weder das Sanktionsregime unwirksam noch ein Fall des Putinregimes unmöglich sind. Letzteres wird sogar zwangsläufig stattfinden. Das wollen einige Politiker im Westen immer noch nicht wahr haben, sie hängen der Vorstellung an, Putin ließe sich durch "Kompromisse" (die natürlich allein die Ukraine eingehen soll) einhegen.



        Als Antwort auf ihre Frage schreibe ich gern nochmal, was ich schon vor über einem Jahr geschrieben habe: Der russische Angriff wird enden, wenn sich die russische Armee sich auflöst, oder wenn Putin entmachtet wird oder stirbt. Je nach dem was eher eintritt. Alternativ könne eine Konstellation eintreten, in der Putin zu dem Schluss kommt, dass die Fortführung des Krieges ein zu großes Risiken für seinen Machterhalt bedeutet, d.h. dass er seine Truppen freiwillig zurückzieht, um das Szenario "Volk spielt nicht mehr mit und Armee löst sich auf" zu vermeiden. Und der einzige Weg dahin ist es, die Ukraine militärisch und finanziell zu unterstützen. Egal wie lange es dauert. Und je substantieller insbesondere die Militärhilfe ist, desto schneller wird das Ziel erreicht.

    • @Comandanta Ramona:

      Ganz einfach, Russland wird komplett aus dem Land Ukraine geworfen wie seinerzeit in Afghanistan. Nur dann gibt es eine Friedenskonferenz mit der Feststellung der Kriegsschuldfrage, der Reparationsleistungen (wo auch alle mit am Tisch sitzen, welche ukrainische Flüchtlinge aufgenommen haben) und der Sicherung des Friedens in Europa außerhalb der russischen Grenzen.



      Sollte dass zu einer Rebellion, Aufstand oder Bürgerkrieg IN Russland führen, dann sei es so. Auch wenn das den Einsatz chemischer Waffen oder Nuklearwaffen bedeuten KÖNNTE.



      Wir sollten davor nicht soviel Angst haben, dass Russland zusammenbricht.



      Es ist das letzte Kolonialreich Europas mit seinen Eroberung aus dem 18. und 19. Jahrhunderts jenseits des Urals.

    • @Comandanta Ramona:

      Sie werden in der Ukraine nur sehr wenige Menschen finden, die von Russland mehr wollen, als dass es sie in Ruhe lässt. Das Szenario ist daher recht klar definierbar: Russland zieht sich vom gesamten ukrainischen Territorium (einschließlich und insbesondere allen besetzten/ annektierten Gebieten) zurück und stellt Luft- und Artillerieangriffe auf dieses Territorium ein.

      Reparationen und Ahndung von Kriegsverbrechen sollten später in einem Friedensvertag ausgehandelt werden, und Russland müsste ganz sicher die Kröte eines kurzfristigen NATO-Beitritts der Ukraine schlucken, aber um die Kämpfe zu beenden und auch die Unterstützung der Ukraine aus dem Ausland auf Friedenniveau herunter zu fahren, würde das völlig ausreichen.

    • @Comandanta Ramona:

      Ein wichtiger Baustein wäre zum Beispiel, dass Russland die Ukraine in den Grenzen von 1994 wieder anerkennt. Und nicht mehr in die Lage kommt, das infrage stellen zu können, ohne ausgelacht zu werden.

    • @Comandanta Ramona:

      Nochmal kurz für Sie zusammen gefasst: ein Sieg der Ukraine würde folgendes Szenario bedeuten. 1. ein Ende des zigtausendfachen Mordens und Verstümmelns unschuldiger Zivilisten und Soldaten auf ukrainischer Seite. 2. Demokratie in Freiheit und alle dazugehörigen Entwicklungsmöglichkeiten für alle Ukrainerinnen und Ukrainer. 3. Ein Ende des imperialistischen und verbrecherischen russischen Eroberungsfeldzugs gegen die Demokratie. 4. Ein untrügliches Signal an Russland und andere Schurkenstaaten die bestehende Weltordnung zu achten. 5. Eine Perspektive für alle demokratischen Nationen, insbesondere deren jüngere Generation, einer Zukunft in Frieden und Freiheit entgegen zu sehen.



      Was das für Russland bedeutet ist in erster Linie Russlands Sache. Solange Russland sich an internationales Recht hält, hätte Russland die Möglichkeit wieder Vertrauen zu gewinnen und vielleicht in zukünftigen Generationen wieder vollwertiger Teil der Weltgemeinschaft zu werden.

  • Demokratische Gesellschaften müssen leider immer auch mit Demagogen und Dummheit leben. Das macht die nationalen und sozialistischen Alternativpopulisten so gefährlich, da sie mit ihren vermeintlich einfachen, in Wahrheit durch andere Interessen geleiteten Antworten, viel Sand in den politischen Prozess streuen können. Die daraus resultierende Bremswirkung zeigt schon deutliche Spuren. Auch bei der eigentlich notwendigen Unterstützung der Ukraine.

  • Welche Hilfe sollte das sein, die der Ukraine zum Sieg (welcher Sieg auch immer) verhelfen könnte?

    • @Kunoberti:

      Materialnachschub im notwendigen Maße.

  • Erschreckend, wie sich manche Länder zieren, vor allem da die Hürden für sie geringer sind als für die Ukraine. Wie Selenski schon sagte, die Unterstützer zahlen "nur" mit Geld, die Ukraine mit Blut, um dieser Aggression entgegenzutreten.

  • Deutschland wäre aufgrund seiner Wirtschaftsleistung in der Lage der Ukraine die nötigen Waffen und sonstige Unterstützung zukommen zu lassen, um diesen verbrecherischen Angriff durch Russland effektiv und nachhaltig zurück zu schlagen. Ggü. Deutschland und erst recht Europa ist Putin mit seinem Russland ein wirtschaftlicher Zwerg, dem sehr schnell die Puste ausgehen würde. Leider bevorzugen wir es weiterhin, dass die USA die Hauptverantwortung für die Unterstützung der rund 9000 km entfernten Ukraine tragen. Das kann klappen, muss aber nicht, wie Europa seit langem weiß. Dass Spanier, Franzosen und Briten nicht die Hauptverantwortung tragen mögen ist aufgrund ihrer geographischen Lagen nachvollziehbar. Der Osten Europas würde, hat aber nicht die wirtschaftliche Kraft dies alleine zu tun. Deutschland ist gefragt und Olaf Scholz windet sich schon viel zu lange diese Verantwortung, die zweifellos im deutschen Interesse liegt, anzuerkennen. Wenn die Ukraine den Krieg verliert, werden wir (Deutschland) einen extrem hohen Preis zahlen müssen. Dies gilt vielleicht noch nicht für alle heute Lebenden, aber definitiv für den jüngeren Teil der Bevölkerung. Setzt sich diese alte neue Weltordnung der Schurkenstaaten durch, werden nicht mehr Energiewende und Modernisierung der Gesellschaft die bestimmenden Themen sein. Krieg, Krisen, (Staats-)Terrorismus und alle dazugehörigen Folgen (Unsicherheit, Hunger, Kälte, Krankheit, Korruption, Kriminalität, etc.) werden die beherrschenden Themen der kommenden Jahrzehnte sein.

  • Vielen Dank für diesen Beitrag. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist klar, dass die Welt brennen wird, wenn Putin sich durchsetzt.

    Leider hoffen die westlichen Staaten immer noch auf billiges Gas und werden deshalb am Ende von den Autokraten überrollt.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das scheint im Moment die vorherrschende Handlungsmaxime in Europa zu sein.



      Warum kann man nicht einfach sagen, dass Russland diesen Krieg komplett ungerechtfertigt und gegen alle internationalen Regeln und Vereinbarungen verstoßend angefangen hat und ihn daher konsequenterweise auch verlieren MUSS. Es sei denn, man will, dass sich das Unrecht von Wladimir W. Putins Gnaden durchsetzt.



      Wir in Europa und auch großen Teilen der restlichen Welt haben so viel mehr zu verlieren, als wir durch Geld jemals wieder wett machen könnten.

      • @Radium:

        Es sieht leider so aus, als wenn Putin die völkerrechtswidrigen Angriffskriege gegen Serbien und Irak kopiert hat.

        • @Uns Uwe:

          Wenn das seine Absicht war, hat er erst recht versagt. Und das obwohl die Russen beim Kosovo-Krieg am Boden (nicht der Luftkrieg) mit von der Partie waren.



          Und wenn die sog. »Operation Iraqi Freedom« wirklich Vorbild gewesen sein soll, dann war schon die »Einleitung« nur ein lauer Aufguss von »show and awe«.



          Aber, diese Kriege sind nahezu wie geplant gelaufen. Dass für den Irakkrieg George Bush, der Dümmere, Donald Rumsfeld und Dick Cheney genauso vor den IStGh gehören, bestreite ich gar nicht.



          Dieser Krieg dagegen dauert an und kostet auf beiden Seiten täglich Leben.



          Deshalb muss er beendet werden - mit einer klaren und deutlichen Niederlage Russlands.



          Oder hat die »Russische Föderation« nach ihrer kruden Logik, einen Freibrief wegen dem Kosovokrieg und dem Irakkrieg?

          • @Radium:

            Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Motive der USA und Deutschlands in Bezug auf die Ukraine nicht glaubwürdig sind.

            Bezüglich Ukraine und Russland sind es ähnliche geostrategische Interessen wie damals bei Jugoslawien und Irak.

            Und auf die entspechende Heuchelei braucht man nicht unbedingt herein zu fallen, finde ich.

      • @Radium:

        "...angefangen hat und ihn daher konsequenterweise auch verlieren MUSS."

        Na wenn er MUSS. Aber irgendwie hält er sich nicht an diese Vorgabe.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Tja, dass Kriegsglück nicht planbar ist, hat er ja ganz zu Anfang schon zu verkraften gehabt. Dass sich ehemalige, loyale Buddies gegen ihn wenden, hat er auch schon zu verkraften gehabt. Genauso wie er nun in vielen Ländern zur Persona non grata geworden ist. Läuft also nicht so gut für ihn.



          Da ist also nicht zu erwarten, dass er sich an Ihre Vorgabe hält.



          Wir in Europa sollten uns aber schon an unsere eigenen Versprechen halten.



          Wo sind beispielsweise die 1 Mio. Artilleriegranaten, Herr Barroso?

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ja, den meisten Menschen ist leider hemmungsloser Konsum wichtiger als Demokratie.

    • @Gnutellabrot Merz:

      "Leider hoffen die westlichen Staaten immer noch auf billiges Gas und werden deshalb am Ende von den Autokraten überrollt."



      Das ist ein bißchen arg verkürzt.



      Meiner Ansicht ist es keine derart verrohte Egoistik, sondern lediglich eine Mischung aus naiver Blindheit und hoffnungsvoller Gesundbeterei. So nach der Devise, wenn ich dem bösen Buben (=Autokraten) nicht auf den Fuß trete, lässt er mich in Ruhe.



      Dass das eigentlich noch nie funktioniert hat, spielt dabei keine Rolle.

  • Die erforderliche Hilfe lässt sicherlich nach. Ich denke, dass die generelle Aufmerksamkeit nicht abnimmt, sondern dies "herbeigeredet" wird. Aus meiner Sicht sind die Menschen schon zu einer Unterscheidung der Weltereignisse, außer idR in wirtschaftlicher Hinsicht, fähig und bereit.