Regierungserklärung von Olaf Scholz: Kein Wort des Bedauerns
Scholz nutzt die Bühne des Bundestags, um sein Handeln zu rechtfertigen. Klare Ansagen, wie es weitergeht, macht er nicht – deutet aber zwei Auswege an.
Oppositionsführer Friedrich Merz nahm die technischen Ausführungen von Olaf Scholz (SPD) zum Anlass für einen Frontalangriff gegen den Kanzler: „Wenn Sie weiter so uneinsichtig sind, dann werden wir alles dafür tun, dass der Spuk mit Ihrer Bundesregierung so schnell wie möglich beendet wird“, sagte der CDU-Chef. Doch in der Frage der Lücke, die im Finanzplan der Bundesregierung wegen der verfassungswidrigen Weiterverwendung von Coronahilfsgeldern klafft, konnte auch die Union keine Antwort präsentieren.
Olaf Scholz nutzt seine 25-minütige Ansprache vor allem zur Rechtfertigung seines Handelns. Die Überlegungen für einen Haushaltsplan sind wohl innerhalb der Regierung auch fast zwei Wochen nach dem Urteil aus Karlsruhe noch nicht so weit gegoren, dass sie vor dem Verfassungsorgan mit der Budgethoheit – dem Bundestag – umrissen werden könnten. Stattdessen zitierte der Kanzler die Großkrisen der vergangenen Jahre und lobte das schnelle Handeln der Regierung – das Wort „Fehler“ nahm Scholz nicht in den Mund.
Das musste später Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge stellvertretend für die gesamte Ampel nachholen. Die Koalition habe die Umbuchungen von Coronahilfen „falsch eingeschätzt“. „Das bedauern wir, das räumen wir jetzt auf“, sagte sie.
Das Wort, das der Bundeskanzler dagegen auffallend häufig gebrauchte, war „richtig“. Richtig sei es gewesen, in der Energiekrise den Unternehmen und Bürger:innen Sicherheit zu geben, richtig seien die Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal, richtig sei es gewesen, eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer aufzunehmen, und richtig bleibe es, die Ukraine zu unterstützen, das sei von „existenzieller Bedeutung“. Es ist einer der wenigen Sätze, für den der Kanzler auch vereinzelt Applaus aus der Regierungsbank erntet, ansonsten ist seine Ansprache geprägt von lauten Zwischenrufen aus der AfD-Fraktion.
Auch über Zwischenrufe aus der Union muss sich der Kanzler hinwegsetzen, doch Scholz liest seine Rede ab und bleibt stoisch bei seinem Manuskript. Nur so viel: Hätte man gewusst, wie das Gericht entscheidet, „hätten wir im Winter 2021 andere Wege beschritten“, räumte der Kanzler ein.
Damals hatte Scholz den Kniff ersonnen, nicht genutzte Coronanothilfekredite in den Klimafonds umzubuchen. Ein Trick, der es FDP-Finanzminister Christian Lindner ermöglichte, die Schuldenbremse im Kernhaushalt einzuhalten, und dem Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck eine gut gefüllte Kasse für den klimaneutralen Umbau des Landes verschaffte. Doch dieses Verfahren, das wesentlich zur Kompromissfähigkeit der Regierung beitrug, ist durch das Verfassungsgericht beendet worden.
„Mindestens zwei Schuhnummern zu groß“
Was der Bundeskanzler wohl eigentlich sagen will: Wir haben alles richtig gemacht und hätten nicht ahnen können, dass das Verfassungsgericht einen Strich durch die Rechnung macht. Es ist dieser Stil, der Merz auf die Spitze bringt. „Sie sind ein Klempner der Macht. Ihnen fehlt jede Vorstellung davon, wie dieses Land sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln soll“, warf der Unionsfraktionschef vom Rednerpult dem Kanzler zu. Scholz habe „rein technische Antworten auf eine hochpolitische Entscheidung“ vorgetragen.
Merz zog weiter gegen Scholz vom Leder: „Spätestens nach dieser Regierungserklärung muss man feststellen, Sie können es nicht. Die Schuhe, in denen Sie stehen als Bundeskanzler, sind Ihnen mindestens zwei Schuhnummern zu groß.“ Unter Johlen der Unions- und AfD-Fraktion griff der CDU-Chef auch Habeck an, nachdem dieser ihm auf dem Parteitag der Grünen am Wochenende vorgeworfen hatte, in den 90ern stecken geblieben zu sein. „Wir hatten in den 90ern Wirtschaftsminister auf der Regierungsbank sitzen, die wirklich etwas von Wirtschaftspolitik verstanden haben“, so Merz in Richtung von Habeck.
Doch es bleibt beim reinen Schlagabtausch. In der jetzigen Situation scheint der Union nicht daran gelegen, der Regierung aus der Krise zu helfen. Auch wenn die haushaltspolitischen Fragen, die durch das Urteil in Karlsruhe aufgeworfen wurden, die unionsgeführten Bundesländer ähnlich betreffen.
Fast schon beiläufig wurde Olaf Scholz während seiner Ansprache an einer Stelle konkreter: Der Kanzler kündigte an, dass die Gas- und Strompreisbremse zum Jahresende auslaufe. „Denn inzwischen sind überall in Deutschland wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die zwar deutlich höher liegen als vor der Krise – meist aber unterhalb der Obergrenzen, die wir mit den Preisbremsen gezogen hatten.“ Ein Entschluss, der von Verbraucherschützern prompt kritisiert wurde. Energiepreisbremsen seien von der Bundesregierung fest bis Ende März 2024 zugesagt und vom Bundestag beschlossen worden, erklärte der Bundesverband der Verbraucherzentralen.
„In Ihrem Alltag ändert sich nichts“
Der Kanzler versuchte der Verunsicherung vor Ort entgegenzutreten, indem er an die Bürgerinnen und Bürger gerichtet versicherte: „In Ihrem Alltag ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts – völlig unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder Bafög bekommen, eine Rente oder Wohngeld.“
Kanzler Scholz bereitete die Öffentlichkeit aber schon einmal darauf vor, dass der Haushalt 2024 möglicherweise erst im nächsten Jahr verabschiedet werden könne. Doch auch selbst innerhalb der SPD schien es zum Vorgehen für den kommenden Haushaltsplan unterschiedliche Ansichten zu geben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sprach sich dafür aus, den Finanzplan für 2024 noch in diesem Jahr zu verabschieden.
Auch im Interesse der Sozialverbände sei dies geboten, die ansonsten Mitarbeiter*innen entlassen müssten. Auch in Fragen der Schuldenbremse schlug Mützenich wiederholt andere Töne an als der Kanzler. Im Gegensatz zu Scholz forderte der Fraktionsvorsitzende im Bundestag eine Reform der Schuldenbremse. „Eine wahllos herausgegriffene Größe“ in der Schuldenquote dürfe nicht zu Monstranz werden, so Mützenich.
Scholz sagte, die Bundesregierung arbeite nun intensiv daran, alle Beschlüsse so schnell wie möglich zu treffen. „Denn die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen brauchen in unruhigen Zeiten Klarheit.“ Klarheit, die der Bundeskanzler ihnen an diesem Dienstagmorgen nicht geben konnte.
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