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Große Koalition in HessenCDU und SPD verhandeln

Am Dienstag starten die Koalitionsverhandlungen in Hessen. Geplant ist eine harte Linie bei der Migration, der inneren Sicherheit und beim Gendern.

Die CDU in Hessen hat die Landtagswahl gewonnen und will in 14 Arbeitsgruppen mit der SPD verhandeln Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Am Freitag haben sich die Ver­tre­te­r*in­nen von CDU und SPD in Hessen auf eine schwarz-rote Koalition in Hessen geeinigt, am Dienstag sollen die Koalitionsverhandlungen beginnen. Derweil sorgen die Eckpunkte des Koalitionsvertrags bereits für Diskussionen.

Im ersten Punkt des Papiers konzentriert sich die schwarz-rote Koalition auf das Thema Bildung – für die SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser war die Bildungs- und Schulpolitik das entscheidende Thema bei der Landtagswahl. Die christlich-soziale Koalition will unter anderem mehr Lehrerstellen an allen Schulen, Ganztagsbetreuung an Grundschulen sowie das Schulfach „Digitale Welt“ einführen. Familien und Alleinerziehende sollen unterstützt werden: Geplant sind ein verbindliches letztes Kita-Jahr sowie ein Investitionsprogramm für den Kita-Ausbau.

„Eine echte Rückführungsoffensive“

Die harte Linie gegen Migration spiegelt sich auch im Eckpunktepapier wider. „Wir starten eine echte Rückführungsoffensive“, heißt es in dem Papier. Unter anderem sollen Ausreisepflichten konsequent durchgesetzt und dabei alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten wie Ausweitung der Abschiebehaft, Wohnungsbetretungsrecht und Einrichtung von Rückführungszentren ausgeschöpft werden. Geplant ist, dass Flüchtlinge kein Geld, sondern sogenannte Bezahlkarten bekommen.

„Hessen hat schon seit einigen Jahren sehr viele administrative Dinge geändert und fährt eine sehr rigide Abschiebepolitik“, sagt Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrats, der taz. „Was im Papier steht, ist eine sehr scharfe Rhetorik. Das wird auch von den Ausländerbehörden so verstanden: Ihr sollt rücksichtsloser und härter vorgehen. Wir werden eine Brutalisierung der Abschiebungen erleben.“

Auch die geplanten datenpolitischen Sicherheitsmaßnahmen sorgen für Kritik. Die Koalition will die Rahmenbedingungen für Videoüberwachung verbessern und Hessendata, die Datenanalyse- und -auswertungsplattform der hessischen Polizei, ausweiten.

Gender-Verbot in staatlichen Einrichtungen

„Die bisher von der Großen Koalition in Hessen vorgestellten Inhalte stehen für ein krasses gesellschaftspolitisches Rollback. Antworten auf Herausforderungen unserer Zeit? Fehlanzeige! Im Bereich Innen- und Rechtspolitik reiht sich ein offen verfassungswidriges Vorhaben an das andere“, kritisiert Jörn Pohl, Büroleiter des stellvertretenden grünen Fraktionsvize Konstantin von Notz, auf der Social-Media-Plattform X, früher Twitter.

Die Koalition in Hessen positioniert sich auch beim Thema Verkehr anders als die Ampelkoalition: Ablehnung eines generellen Tempolimits und von Fahrverboten sowie weitere Ausbauprojekte bei Autobahnen und am Frankfurter Flughafen sind geplant.

Auf Kritik stößt zudem das Vorhaben unter dem Punkt „Freiheit und Generationengerechtigkeit“. Die Koalition will festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen aufs Gendern mit Sternchen verzichtet wird. „Da weiß man, wo die Reise hingeht – nach rechts“, kritisiert Elisabeth Kula, Fraktionsvorsitzende der Linken im Hessischen Landtag. „Die sozialdemokratischen Punkte muss man mit der Lupe suchen. Sie sind häufig mit vagen und dehnbaren Formulierungen versehen.“

CDU und SPD wollen am Dienstag mit den Koalitionsgesprächen beginnen und noch vor Weihnachten den Koalitionsvertrag unterzeichnen. Laut Frankfurter Rundschau sind für die Verhandlungen 14 Arbeitsgruppen geplant. Diese sollen dann über Themen wie Bildung, Migration und Integration, Soziales, Arbeit, Wirtschaft, Wohnen, Verkehr und Innenpolitik sprechen.

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24 Kommentare

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  • Für die CDU ist diese Regierung ein Geschenk, die SPD hat fast fünf Prozent verloren, liegt bei ca. 15 und ist auch sonst angeschlagen. Aus CDU-Sicht ist das die viel bessere Wahl, als mit den Grünen sich abzumühen.

    Da Migration das Kernthema ist, dürfte sich die AfD freuen, denn ob die Rückführoffensive kommt, bezweifele ich. Ob die Zahlen sinken, bezweifele ich.

    Ob diese Regierung aus SPD-Sicht wirklich Sinn ergibt, auch das bezweifele ich.

    Aus den Wahlen deutlich geschwächt gekommen, frage ich mich, warum die SPD da einschlägt, sie könnten beim nächsten Mal unter 10 Prozent landen. Besonders dann, wenn sie diese idiotischen Migrationstionsziele verfehlen.

    Und zwei 'Volksparteien', die eigentlich zu unterschiedlich sind, bilden eine Regierung, die nur sonderbare Ziele verfolgen will?



    Wie sieht es in Hessen in den Kindergärten aus? Wie sind die Schulen?



    Wie viele Siedlungen sind geplant, wie könnten die Menschen integriert, zusammengeführt werden?



    Wie entwickeln sich die Betriebe, hat Hessen die richtigen Entscheidungen getroffen?

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei diesen Fragen die CDU mit der SPD die richtigen Antworten geben kann, fürs erste freuen sich alle auf ihre Büros und Schreibtische, ob sich danach wirklich was bewegt und erreicht wird, das ist offen und ich bin da nicht besonders optimistisch.

  • Na wer sagt's denn: Eine einmalige Chance für die SPD klare Kante zu zeigen und einen Deal von Rhein, der auf eine postengeile SPD setzt, einen Treffer zu verpassen. Keine Koalition mit der CDU.

  • "Geplant ist eine harte Linie bei der Migration, der inneren Sicherheit und beim Gendern."? Das wäre natürlich ein Festival der Sprechblasenpolitik. Bildung, immerhin, scheint ja auch noch ein wenig zu interessieren.

  • Die Abschiebungen treffen dann wahrscheinlich wieder gut integrierte Ausländer, denen alles weggenommen wird, was sie sich hier aufgebaut haben, und die einen Kleinunternehmer hinterlassen, der nicht weiß, wie er den Verlust eineR fleißigen MitarbeitIn ersetzen soll.

  • Ein wichtiger Grund fehlt noch, die öffentliche Sicherheit. Mehr Kameras z.B war mit den Grünen nicht machen. Und anderes auch nicht. Die SPD ist in dieser Angelegenheit mehr auf CDU-Seite.

  • Ergebnis der Bundesweiten Volksabstimmung ABSTIMMUNG 21: "83,5 % stimmen dafür, dass Bundesbehörden sich am amtlichen Regelwerk der deutschen Sprache orientieren sollen - sie sprechen sich damit gegen Gendern aus "

    Die Koalition setzt was das angeht nur den Willen der Bevölkerung um.



    Ich habe übrigens auch dafür gestimmt. Warum? Weil die Verunstaltung der deutschen Sprache rein gar nichts an Diskiminierung von Minderheiten ändert. Bin ich jetzt rechts? Nein! Finde ich es absolut daneben Leute die so denken als rechts zu bezeichnen? Ja!

    • @PartyChampignons:

      Hier geht es auch um die Pressefreiheit: "festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen wie Schulen, Universitäten und dem Rundfunk auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet werde"

      Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland



      Art 5



      (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

      Ich hoffe, dass dieser feuchte Traum von der homogenen Volkssprache in Grund und Boden geklagt wird.

      • @mats:

        Man braucht doch nur auf eine Einhaltung der Rechtschreibung klagen oder verweisen. Allein dadurch wird jede Art des Genderns obsolet.



        Dadurch wird die Presse und Rundfunkfreiheit nicht beeinträchtigt.

        • @Walterismus:

          Es gibt kein Gesetz in Deutschland, dass Rechtschreibung oder die Kompetenzen darüber festlegt. Das sind alles nur Konventionen. Konventionen aber sind verhandelbar und Veränderungen unterworfen.

          Der Journalist*innenverband wird solche staatlichen Eingriffe nicht hinnehmen.

    • @PartyChampignons:

      Lebende Sprachen ändern sich mit der Gesellschaft, die sie benutzt. Der traditionelle deutsche Sprachgebrauch basiert auf einem diskriminierenden Rollenbild für Frauen, das die Gesellschaft endlich versucht zu überwinden, was sich eben auch in einer Änderung der Sprache zeigt. Leider ist das nicht so einfach, daher sind wir jetzt in einer längeren Findungsphase für einen neuen Sprachkonsens.

      • @Biks:

        Welche Gesellschaft, werte*r Biks? Die absolute Mehrheit der Gesellschaft lehnt Gendern willentlich ab.

        • @tcb262:

          Gesellschaft ändert sich kontinuierlich, werte*r TCB362. Warten wir ab wohin.



          Es waren schon immer erst einzelne, dann Gruppen, dann Gesellschaftsteile, die sprachliche Neuerungen übernahmen und nutzten.

      • @Biks:

        Da liegen Sie nur zum Teil richtig. Lebendige Sprachen ändern sich, allerdings nie von oben "aufdiktiert", sondern nur aus der Gesellschaft heraus. So entstehen z.B. auch neue Wortschöpfungen oder Redewendungen. Ein durch Ideologie künstlich vorangetriebener "Sprachkonsens" wird hingegen nie funktionieren (ganz abgesehen davon, das Diskriminierungen, gleich welcher Art, auch nicht durch Sprache verursacht werden).

        • @Tom Tailor:

          Da liegen sie leider völlig daneben, denn Sprache kann durchaus Diskriminierungen ausdrücken. Eigentlich albern, auf eine solch simple Falschbehauptung überhaupt zu reagieren. Warum nicht wie bisher eine Freiwilligkeit bewahren? Aber nein, es soll ein Sprachverbot her und wird hier von manchen unter fadenscheinigen Argumenten und Desinformation auch noch begrüßt, einfach nur noch peinlich

          • @Marlon22:

            Natürlich kann eine Sprache Diskriminierungen ausdrücken, aber das bedeutet ja nicht dass dies von den Sprechern bei der Formulierung auch so gemeint ist. Sprache kann auch inkludieren, peinlich empfinde ich höchstens dass dies extra betont werden muss und nun auf Krampf künstliche vorgeblich nichtdiskriminierende Wortschöpfungen der Allgemeinheit aufs Auge gedrückt werden sollen. Wäre gendergerechte Sprache ein Anliegen der Mehrheit der Sprecher, hätte sich dies schon lange von allein entwickelt. Hat sie aber nicht. Offenbar gibt es also keinen Wunsch einer wie auch immer gearteten Mehrheit, hier tätig zu werden. Und nein, es soll kein Gender-Sprachverbot her, jeder kann dies weiter so halten wie er oder sie möchte, nur müssen diejenigen, die keinen Wert darauf legen, sich in Behörden und öffentlichen Räumen zukünftig damit nicht mehr konfrontiert sehen.

            • @Tom Tailor:

              "Wäre gendergerechte Sprache ein Anliegen der Mehrheit der Sprecher, hätte sich dies schon lange von allein entwickelt."

              Das hat sie ja auch. In vielen Bereichen wird mittlerweile gegendert. Nicht aufgrund von Zwang, sondern weil das immer mehr Menschen und Organisationen als sinnvoll ansehen. Wer nicht gendern will, hat die Freiheit, es zu lassen.

              Die Klage über Ideologie trifft also eher die Gegner:innen des Genderns, die eine gesellschaftliche Entwicklung durch ein Genderverbot aufhalten wollen.

  • Wer hat uns schon immer verraten ...



    So also sieht die von Friedrich Merz geforderte Anpassung an die Realität aus. Richtig so! Soll die Realität sich doch anpassen ...

  • Ein Genderverbot in Hessens Einrichtungen und Behörden. Die CDU in Hessen setzt Prioritäten.

    Kann man den Menschen eigentlich vorschreiben wie sie sich ansprechen möchten, bzw. angesprochen werden wollen, oder ist das vielleicht sogar ein Verstoß gegen das Grundgesetz?

    • @Tom Lehner:

      Sie können schnattern wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist - kein Problem. Anders sieht es jedoch in Ämtern und Behörden aus: VwVfG §23 (1): Die Amtssprache ist deutsch. Nun kann man darüber diskutieren, wie das genau zu definieren ist. Aber am Ende des Tages sind Behördenmitarbeiter weisungsgebunden und damit ist der Fall erledigt.

    • @Tom Lehner:

      In Behörden muss deutsche Rechtschreibung selbstverständlich sein, und sonst nix.

    • @Tom Lehner:

      Es ist doch eigentlich eher umgekehrt. Im täglichen Leben hat sich das Gendern nie durchgesetzt. Ich habe - ausser in den Medien - nicht wahrgenommen, dass sich Menschen so ansprechen oder ansprechen wollen. Wenn jetzt wieder die Rechtschreibung verstärkt gelten soll, dürfte das praktisch niemanden stören.

      Eine Frage von rechts oder links ist das ohnehin nie gewesen.

      • @Josef Löffel:

        "Im täglichen Leben hat sich das Gendern nie durchgesetzt. Ich habe - ausser in den Medien - nicht wahrgenommen, dass sich Menschen so ansprechen oder ansprechen wollen."

        Das nehme ich ganz anders war. Im beruflichen Schriftverkehr wird häufig gegendert, in ehrenamtlichen Zusammenhängen und privat auch von vielen. Ist eine Frage des Umfelds, in dem mensch sich bewegt, würde ich sagen.

  • Das einzig Gute an diesem 'Verhandeln' (gendern, was für ein Kokolores, nur etwas für Demagogen!) ist die Tatsache, dass sich diesmal keine grünen Spitzen mehr bis zur Unkenntlichkeit verbiegen müssen und damit eine CDU, die spätestens mit Barschel aus demokratischen Gründen gar nicht mehr auf einem Wahlzettel stehen sollte, immer wieder groß gemacht wird, obwohl es ihr seit Jahren nicht mehr gelingt, ein passables Parteiprogramm als Rechfertigung zu präsentieren, christlich stimmt leider nicht mehr...

    • @Dietmar Rauter:

      Welche Partei wird schon aufgrund ihres Programms gewählt? :D