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Verstörender BellizismusFankurve des Krieges

Ja, Krieg ist manchmal gerechtfertigt. Aber der Frieden sollte nicht verächtlich gemacht werden, nur weil er faule Kompromisse verlangt.

Kunst aus Raketenteilen: Strassenszene in Lviv, Ukraine, im März 2023 Foto: Olena Znak/AA/picture alliance

D ie Welt steht an allen Ecken in Flammen, und der Krieg kommt gefühlt und real näher. Ich muss gestehen – und bin nicht der Erste, der das bemerkt –, wie bitter ich die Gefühlskälte vieler Zeitgenossen empfinde. 1.400 bestialisch Ermordete, in einem Blutrausch gemeuchelte Frauen, Kinder, Männer, Alte, Partyteens; ein Massaker, das in seiner Perfidie und Mordlust seinesgleichen sucht, und so viele hohle, schale Worte.

Ob das Gemetzel sich jeder „Kontextualisierung“ entzieht oder nicht, ist erst einmal eine nebensächliche Angelegenheit. Man kann ja über Kontexte – welchen immer – grübeln, aber bitte doch nicht mit dieser Gefühlskälte. Durchaus fragwürdig sind gewiss jene, die rausbrüllten, es verbiete sich jedes „aber“, denn wenn man über ein Geschehnis nachdenken will, wird man niemals ohne „aber“ auskommen. Deswegen hat Navid Kermani richtig formuliert, nicht das „aber“ sei das Problem, sondern das, was vor dem Wort kommt. Nicht das „aber“ ist das Problem, sondern die Kälte, die dem vorangeht.

Kaum weniger verstört mich die Kriegsgeilheit so vieler, die herausposaunen, dass die Tat der Hamas und der Menschenhass der islamistischen Todessekte jede Form des militärischen Gegenschlags rechtfertige. Da entlarven sich plötzlich Leute um mich, die ungeschminkt bekunden, beim Selbstverteidigungsrecht Israels solle man jetzt bitte keinen Verzärteltheiten das Wort reden. Beim Erdbodengleichmachen Dresdens habe man doch auch keine Gedanken auf die Zivilbevölkerung verschwendet.

Wo das Gerechte gegen das Böse kämpft, da wollen wir doch keine Erbsenzähler sein, und irgendwie gebührt es ja wohl den meisten, die es erwischt, genau kann man das nicht wissen, so eine Bombe hat ja keine Augen. Plötzlich ertappt man sich beim Gedanken, so ein Massaker könnten auch die eigenen Freunde anrichten, wenn man ihnen nur ausreichend viele Argumente liefert, dass es schon die Richtigen treffe. Ich stelle mir ein paar liebe Kumpel als Killer vor, und es läuft mir kalt den Rücken hinab.

Wer Großziele für die ganze Menschheit verfolgt, neigt dazu, dem Einzelnen keine große Bedeutung zuzumessen

Die Reste meiner menschenfreundlichen Gutgläubigkeit verhelfen mir zu der Vermutung, dass sich die meisten am Leid der Anderen nicht wirklich erfreuen, sondern dass wir offenbar alle relativ gut darin sind, insbesondere das Leid der als „die Anderen“ markierten als etwas Abstraktes zu behandeln, sodass wir es ignorieren können.

Es gibt eine Kriegszugeneigtheit, die sich seit Jahren verbreitet. Durchaus begründbar übrigens: Das, was man in den neunziger Jahren „Menschenrechtsbellizismus“ nannte, ging etwa davon aus, dass Kriege das kleinere Übel sind, jedenfalls relativ zu Autokraten, die ihre eigene Bevölkerung massakrieren. Zugleich wurden Kriege als „führbar“ empfunden. Und bald als Lösung für jedes Problem.

Es ist kein Zufall, dass diese Jahre mit dem Moment zusammenfielen, als uns das Kriegsgeschehen in Form aseptischer Luftbilder präsentiert wurde, wo hübsche Bömbchen auf kleine Männchen abgeworfen wurden und alles so aussah wie im Computerspiel. Und sollte es traurigerweise unbeteiligte Pechvögel treffen, hatte man auch niedliche Begriffe parat: „Kollateralschäden“, was mehr nach Wasserrohrbruch als nach Massengrab klang.

Demokratie mit Marschflugkörpern?

Ich will das nicht denunzieren; die Interventio­nen in Bosnien (die das Dayton-Abkommen zur Folge hatten) und die im Kosovo waren sicherlich besser als die Nicht-Interventionen in Ruanda. Ich neige nur dazu, mir grübelnd die Frage zu stellen: Was handeln wir uns ein, was kriegen wir zum Richtigen dazu, was wir gar nicht haben wollten?

Kriege gegen Diktatoren wie Putin, gegen islamische und faschistische Todessekten, sie sind genauso richtige Kriege wie die Kriege der Alliierten gegen die Nazis oder von Befreiungsbewegungen gegen Soldateskas. Aber ein wenig geht verloren, dass sich das Gute, Demokratische, das Menschenfreundliche mit Kanonen und Marschflugkörpern meist schlecht verbreiten lässt und auf den Gräbern derer, die ihre Befreiung leider nicht überlebten, nicht immer Pflänzlein künftiger Zivilisiertheit spießen.

Wer Großziele für die ganze Menschheit verfolgt, neigt häufig dazu, dem einzelnen Menschen keine große Bedeutung zuzumessen. Auch Kriege für eine gerechte Sache verheeren Länder, zerstören Leben. „Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne Frieden nichts“, sagte Willy Brandt.

Wir sitzen (noch) auf der Zuschauertribüne (und manchmal in der Fankurve); Schlachtenbummler im Krieg gegen das Böse, und manchmal kommt mir der Verdacht, dass hier auch eine Art des geliehenen Heroismus hineinspielt. Man will in der postheroischen Gesellschaft ein paar Krümel Heldentum, stellt Unbedingtheit und Entschiedenheit aus. Solange das alles fern ist. Man wette besser nicht darauf, dass das so bleibt.

Den Krieg rehabilitiert

Der Firnis der Zivilisation ist dünn. Geraten Gesellschaften auf eine abschüssige Bahn, dann geht es schneller bergab, als man geglaubt hat. Sigmund Freud und Albert Einstein haben diese unerfreuliche Tatsache in ihrem legendären Briefwechsel „Warum Krieg?“ mit großer Ehrfurcht umkreist: dass moderne Kriege durch moderne Menschen „mindestens ebenso grausam, erbittert, schonungslos“ wie frühere geführt würden, angetrieben von „Hass und Abscheu“. Gelinge es in einer Massenpsychose, die eigene Sache als gerecht, die Gegenseite aber als irgendwie inhuman zu markieren, dann breche sich das „Hassen und Vernichten“ schnell Bahn.

Ich habe Sorgen. Wir haben Schritt für Schritt den Krieg rehabilitiert und den Frieden verächtlich zu machen gelernt, weil Letzterer so oft faule Kompromisse verlangt und die Grenze zwischen kluger Diplomatie und Appeasement auf keiner Landkarte exakt eingezeichnet ist. Ich habe viele kluge Meinungen gehört in den vergangenen Wochen und auch einige Phrasen und viele Slogans. Aber vielleicht, denke ich mir, hören wir eine zu selten: „Krieg dem Krieg.“

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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26 Kommentare

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  • ....was soll denn bitte an Kriegen richtig sein ?

    Auseinandersetzungen sollten in einer zivilisierten Welt - von uns Menschen - intelligent ausgetragen werden, ohne Gewalt an unschuldigen Zivilisten - sind wir das nicht unseren Vorfahren und den schon tausenden von Toten , durch Kriege geforderten Menschen schuldig...



    Nur weil einige Menschen meinen Sie wüssten es besser als andere, oder weil einige Menschen Macht über andere Menschen haben wollen , oder weil sich mit Kriegen gut viel Geld verdienen lässt, alles keine wirklich guten Gründe Kriege zu führen.



    Kriege sind das Allerletzte - Menschenverachtendste was es gibt auf der Welt - Kriege sind keine Naturgewalt - Kriege sind vermeidbar - und in der Politik ist nichts wie es scheint...

  • Das Studium des spanischen Bürgerkriegs hat meine Träume vom Pazifismus zerstört. Dass am Ende die Faschisten gesiegt haben lag nicht am miillitanten Widerstand. Dieser ist daran gescheitert, dass Pazifisten zu spät erkannt haben, dass sie sich wehren mußten. Dieses wurde übelst von den Stalinisten ausgenutzt und führte daher zur Spaltung des Widerstands und den Sieg der Faschisten.

  • Danke, Herr Misik. Solche Gedanken finden derzeit leider viel zu selten den Weg in die (deutsche?) veröffentliche Meinung.

  • Danke.

  • "..die Interventionen in Bosnien (die das Dayton-Abkommen zur Folge hatten) und die im Kosovo waren sicherlich besser als die Nicht-Interventionen in Ruanda." Diese Aussage, die ich teile, steht allerdings in Widerspruch zu vielen anderen Aussagen dieses interessanten und gut geschriebenen Kommentars. Um zu überleben, gibt es realistisch gesehen, oft keinen anderen Weg als den militärischen Verteidigungskampf. Dazu sollte das Opfer und nicht Außenstehende entscheiden, ab wann es sich der Aggression unterwirft (siehe Ukraine und Kurdistan). Die Interventionen in Bosnien (die das Dayton-Abkommen zur Folge hatten) und die im Kosovo waren sicherlich besser als die Nicht-Interventionen in Ruanda." Diese Aussage teile ich. Sie steht allerdings in Widerspruch zu anderen Aussagen dieses interessanten und gut geschriebenen Textes. Die Humanitäre Intervention in Bosnien konnte wegen des Zögerns des Westens den Völkermord in Srebrenica zwar nicht verhindern, jedoch eine Eindämmung der ethnischen Vertreibungen durch Serbien erreichen. Im Kosovo wurde nur durch das frühzeitige Eingreifen des Westens ein neuer Völkermord durch Serbien verhindert. Nach dem Schock über Srebrenica stelle sich der damalige Außenminister Fischer hinter den Slogan "Nie wieder Faschismus", gegenüber denen, die mit "Nie wieder Krieg" die Humanitäre Intervention des Westens ablehnten.



    Dieser Widerspruch innerhalb der linken Öffentlichkeit trat erneut während des Vernichtungskrieges Russlands in Aleppo und dem Überfall auf die Ukraine auf. Die Verteidigung seiner Souveränität, Selbstbestimmung, seines Lebens und seiner Heimat muss jedem Menschen zugestanden werden. Wenn aber, wie im Fall des Krieges Israel gegen die Hamas das humanitäre Völkerrecht von beiden Seiten gebrochen wird, muss der Schutz der zivilen Bevölkerung und ein langfristiger Frieden zwischen Israel und Palästina her. Nur gleiche Rechte für Palästinenser und Israelis in einer Zwei-Staaten-Lösung werden Israels Sicherheit garantieren.

    • @Rinaldo:

      "Die Humanitäre Intervention in Bosnien konnte wegen des Zögerns des Westens den Völkermord in Srebrenica zwar nicht verhindern, jedoch eine Eindämmung der ethnischen Vertreibungen durch Serbien erreichen. "

      Um den Preis einer ethnischen Vertreibung von Serben durch Kroaten.

      • @Francesco:

        Nö, der Preis dafür war das nicht.

        Das war was, wo sich kroatische und serbische Nationalisten einig waren und sind.

    • @Rinaldo:

      "Um zu überleben, gibt es realistisch gesehen, oft keinen anderen Weg als den militärischen Verteidigungskampf. "

      Das stimmt so nicht. Bei der Rekonstruktion der meisten Kriege fällt auf, dass diese im Vorfeld diplomatiscj gelöst werden hätten können bei Interesse. Auch fällt auf, dass in den meisten Fällen die Opfer und Konsequenzen langfristig geringer sind bei einem Verlierer der sich gegen einen langen und aussichtslosen Kampf entscheidet. Das promineste Beispiel ist hierbei sicherlich die hoch industrielle Tschecheslowakei, die mit Deutschland einen langen, wenn auch erfolglosen Krieg hätte führen können.



      Naiv war sicherlich vom tschechoslowakischen Präsidenten anzunehmen, dass Hitler danach aufhören würde. Aber seine Entscheidung hat den Menschen viel Leid und eine wenig Selbstständigkeit beschert. Natürlich war der Blutzoll trotzdem überproportional hoch (Hitler ist kein Putin), aber die Alternative wäre noch schlimmer gewesen für die tschecheslowaken.

      • @Alexander Schulz:

        👍👍👍👍

    • @Rinaldo:

      "Dazu sollte das Opfer und nicht Außenstehende entscheiden, ab wann es sich der Aggression unterwirft"

      Mit der wichtigen Einschränkung so lange keine Dritten involviert sind!



      Denn mit potentiellet Unterstützung geht natürlich auch Verantwortung einher.

      • @Alexander Schulz:

        "Denn mit potentiellet Unterstützung geht natürlich auch Verantwortung einher."



        Niemand hat das Recht Unterwerfung zu verlangen, Freiheit ist mit Existenz gleichbedeutend, die Ukraine hat das Recht alles zu tun und solange zu kämpfen wie sie muss ihre Existenz und Freiheit zu verteidigen. Ist Russland so geisteskrank in seinem imperialistischen Eroberungskrieg Atomwaffen einzusetzen muss dieses Russland als politischer Akteur ausgeschaltet werden.

        • @Machiavelli:

          ( Fast) niemand verlangt die Unterwerfung der Ukraine. Und selbstverständlich sollte die Urkaine ihre eigenen Entscheidungen treffen, jedoch gibt es auch keinen rechtlichen Anspruch auf Unterstützung. Es gibt momentan 55 bewaffnete Konflikte auf unserer Erde. Stellen Sie sich Mal vor wie das ganze eskalieren würde, wenn in jedem Konflikt die Seite, die mehr Recht hat über große Zeiträume in einem gigantischen Maß mit Waffen versorgt werden würde.



          Bzgl Atomkrieg: da müsste niemand mehr ausgeschaltet werden, da das Ende der Menschheit bedeuten würde.

          • @Alexander Schulz:

            Ich würde auf jeden Fall Rüstungsaktien kaufen. Das wäre in so einer Situation ein No-Brainer. Da aber niemand das bezahlen kann geschweige denn will, ist das eher eine theoretische Kopfgeburt.

            Was den Atomkrieg betrifft, wäre ich an Ihrer Stelle nicht so optimistisch. Nur weil beim letzten Atomkrieg das gesamte nukleare Potential des Planeten auch eingesetzt wurde, heißt das nicht, dass es diesmal auch so kommen würde. Es ist recht unwahrscheinlich, dass "dem Westen" ein sog. Enthauptungsschlag gelingen würde. Aber ist es genauso wahrscheinlich, dass alle russischen Soldaten - insbesondere jene der strategischen Raketentruppen - ihrem "Woscht" mit in den kollektiven Suizid folgen wollen, wenn es eine Alternative dazu gibt? Und selbst wenn, funktioniert ein ausreichend großer Teil des überwiegend aus sowjetischer Produktion stammenden Potential noch genau so, wie ursprünglich vorgesehen? Anderthalb Dutzend Topol-M, welche "durchkommen", können mit ihrem einzelnen Sprengkopf (550 kT) samt Täuschkörpern im Ziel verheerenden Schaden anrichten, aber nicht den Krieg entscheiden, geschweige denn die Menschheit auslöschen.

            Mutter Natur sollte also nicht auf die allzu einfache und schnelle Befreiung des Planeten Erde von Homo Sapiens hoffen.

            • @Radium:

              ...." Ich würde auch auf keinen Fall Rüstungsaktien kaufen " - darum ist es ja auch schon sehr Wichtig , sich mit den Banken, denen man sein Geld als Kunde anvertraut, genau auf die " Griffel " zuschauen, womit sie ihre Milliarden machen...

          • @Alexander Schulz:

            "jedoch gibt es auch keinen rechtlichen Anspruch auf Unterstützung" Budapester Memorandum zumindest USA und UK haben die Pflicht die Ukraine zu unterstützen.

            " Stellen Sie sich Mal vor wie das ganze eskalieren würde, wenn in jedem Konflikt die Seite, die mehr Recht hat über große Zeiträume in einem gigantischen Maß mit Waffen versorgt werden würde." da die meisten Konflikte Bürgerkriege sind, ist das schwer zu vergleichen.

            " Bzgl Atomkrieg: da müsste niemand mehr ausgeschaltet werden, da das Ende der Menschheit bedeuten würde." Russland hat 1500 aktive Atomwaffen, wieviele davon funktionieren wissen sie selber nicht. Da sind auch viele kleinere dabei, das ist noch nichtmal genügend Feuerkraft um Deutschland komplett auszulöschen. Es ist nicht mehr der Kalte Krieg, ein Atomkrieg wäre furchtbar aber nicht das Ende der Welt.

            • @Machiavelli:

              Leider ist Ihre Annahme ein weiterverbreiter Irrglaube. Ja, es gibt nichts mehr die Anzahl von Sprengköpfen wie im kalten Krieg und es ist nicht mehr möglich die Welt "mehrere Male" zu zerstören, aber für ein bis zweimal reicht es noch.



              Russland hat anders als sie schreiben, 4500 aktive Sprengköpfe. Nehmen wir Mal an, dass nur jeder zweite funktioniert (Experten gehen auf Grund der letzten new start Inspektion übrigens von einer deutlich höheren Rate aus), dann reicht das immer noch die ganze Welt in Schutt und Asche zu legen.

              www.merkur.de/poli...mben-92342420.html

              Bitte beschäftigen Sie sich etwas genauer mit den Gefahren eines Atom-Krieges und auch mit dem Budapester Memorandum.

              • @Alexander Schulz:

                Generell wenn sie meinen Russland setzt bei einer Niederlage Atomwaffen ein, warum glauben sie dann das Russland ernsthaft verhandeln wird? Das heißt Russland ist einerseits komplett irrational andererseits aber so rational zu verhandeln? Und vorallem sie sagen Russland wird keine Niederlage akzeptieren, aber jeder Sieg der keine Kapitulation der Ukraine ist ist eine Niederlage:

                - Ukraine weiterhin eine Demokratie und damit gegen Russland = Niederlage

                - Ukraine hält die 4 Oblaste oder Teile davon die Russland annektiert hat = Niederlage

                - Ukraine bekommt Sicherheitsgarantien oder Mitgliedschaft von der NATO = Niederlage

                - Ukraine insistiert weiterhin auf eigener Kultur und Sprache = Niederlage.

                Putin hat erklärt es gibt keine ukrainische Kultur und Sprache, die ukrainische Regierung seien Nazis, die 4 Oblaste gehören zur Russland und eigentlich die gesamte Ukraine. Erreicht er diese Ziele nicht hat er verloren. Russland sieht sich nicht als irgendeine Regionalmacht die sich mit ein paar Kilometern erobertem Land zufrieden geben kann wie die Türkei in Syrien.

                • @Machiavelli:

                  Alle von Ihnen genannten Szenarien enthalten allerdings genauso Exit-Strategien für Russland, die nicht unbedingt als Niederlage interpretiert werden müssen, sogar im “Gesamtpaket”. Ist Ihnen das schon aufgefallen?



                  Geht man freilich von der Duginschen Vorstellung einer “russischen Welt” von Wladiwostok bis Lissabon aus, wäre jegliches Einknicken allerdings eine Niederlage. Angesichts des bisherigen Kriegsverlaufs in der Ukraine sehe ich - zum gegenwärtigen Zeitpunkt - jedoch keine Anzeichen, dass sich diese extrem nationalistische und imperialistische Weltsicht durchsetzen kann.



                  Alle bisherigen russischen Aggressionen seit 1990 deuten eher darauf hin, dass es darum geht, den eigenen Machtbereich sowie die Einflusszonen aus sowjetischer Zeit zu verteidigen oder wiederzuerlangen. Der Überfall auf die Ukraine steht dazu nicht im Widerspruch.



                  Wahrscheinlich wird es am “Ende des Tages”darauf hinauslaufen, dass Russland territoriale Zugeständnisse gemacht werden (Krim, möglicherweise Donbass). Das kann Putin seinen Landsleuten dann noch als Sieg verkaufen (weswegen Selenskyi das ja auch unter keinen Umständen will).

              • @Alexander Schulz:

                Die Zahlen des Merkur sind Unsinn, allein schon die Behauptung zu wissen wieviele Nuklearwaffen Israel und Nordkorea haben ist Unfug. www.armscontrol.or...rweaponswhohaswhat

                Was zählt sind die Atomwaffen die "deployed" sind, alles andere sitzt in Lagern die konstant von Satelliten überwacht werden, das was deployed ist kriegt man im Atomkrieg abgefeuert der Rest wird großteils am Boden zerstört werden. Informieren sie sich besser.

                Im Budapester Memorandum hat die Ukraine ihre Atomwaffen abgeben, wenn das es uns nicht wert ist sie zu unterstützen ihre Freiheit und Souveränität zu verteidigen, dann ist der logische Schluss für alle Staaten das Verträge und Völkerrecht wertlos sind und nur Atomwaffen zählen.

                Informieren sie sich weniger aus deutschen ZEitungen die sind zu Konflikten und Militärthemen meist schlecht informiert.

                • @Machiavelli:

                  Wir können auch gerne "Ihre Zahlen" nehmen; nehmen Sie die Zahlen der USA und Russland zusammen bleibt nichtd mehr übrig von der Welt. Letztendlich ist es naiv anzunehmen, dass heutzutage die Konsequenzen eines Atom-Krieges geringer sind.



                  Die Grenzen zwischen Rationalität und Irrationalität sind bei einer atomaren Esakalation fliessend. So gehen in Russland viele Menschen davon aus, dass man im Notfall einen lokal begrenzten Atomkrieg führen könnte, da der Westen ja nicht so irrational wäre darauf zu antworten.



                  Man kann jetzt dir Spirale weiterdenken..



                  Ansonsten werden Ihre Einschätzung bzgl Niederlage immer realistischer mit jedem Tag Krieg der mehr vergeht und der unberechtige Kriegsgrund gerät immer mehr in Vergessenheit.



                  Joe Boden hatte ja ein paar Tage vor dem Krieg schön zusammemensgefasst worum es primär ging:

                  Russland will "Sicherheitsgarantien" erzwingen

  • "Es gibt eine Kriegszugeneigtheit, die sich seit Jahren verbreitet."

    Das halte ich für eine reine Behauptung. Wann sollen die Deutschen denn jemals pazifistischer gewesen sein, außer vielleicht 1945/46? Der Krieg war, global gesehen, doch nie weg, und Befürworter von Kriegen anderer Staaten oder politischer Gruppierungen, gab es - links wie rechts - durchweg. War alles eine Frage der jeweiligen ideologischen Einordnung der Ereignisse.

    Ich kann daher ihrem Befund nicht folgen und sehe für die nächsten Jahrzehnte auch NULL Gefahr einer deutschen Kriegsbereitschaft. Selbst wenn sie es wollte - was sie nicht tut - die alternde deutsche Gesellschaft KANN doch gar keine Kriege führen.

    • @Chris McZott:

      Deutschland hat doch in den letzten Jahrzehnten schon Kriege geführt: Kosovo, Afghanistan.



      In den 80er-Jahren, als ich bei der Bundeswehr war, waren sich alle einig, dass die Bundeswehr nur zur Abschreckung dient und niemals tatsächlich Kriege führen sollte.

  • Die Fragen, die sich der Autor grübelnd stellt, stellen wir uns ja alle.

    Und kommen dabei zu unterschiedlichen Ansichten.

    "jede Form des militärischen Gegenschlags"

    "Kriegsgeilheit"

    "den Frieden verächtlich zu machen"

    Herrn Misiks Fehler liegt im Maximalismus.

    Ich habe noch niemanden erlebt, der es ok finden würde, wenn israelische Soldaten in Gaza wahllos Familien in ihren Schlafzimmern abschlachten.



    (Ist der Unterschied zu den Hamasbejublern. Die finden das cool.)

    Man kann sogar Krieg führen, ohne zu hassen.

    Gegen Frieden hat in Deutschland quasi niemand was.

    "Krieg gegen den Krieg" - eine super Losung.

    Herr Misik kann mittlerweile vor der Haustür damit anfangen, sie umzusetzen.

    Indem er den Massakerbejublern hierzulande erklärt, dass die Taten der Hamas inakzeptabel sind und keinen Frieden fördern.

    Denn deshalb hat die Hamas sie ja ausgeführt.

    Um den Verständigungsprozess im arabischen Raum zu torpedieren.

    • @rero:

      Volle Zustimmung, bei den Verwendeten Formulierungen kam gleich die Erinnerung, wie übelst viele Friedensbewegte alle beschimpften die es wagten der Ukraine zuzugestehen sich gegen Mord und Vergewaltigung zu wehren.

  • Ein bisschen zu viel Prosa, ein bisschen zu wenig sachliche Argumentation, für meinen Geschmack, aber von der Stoßrichtung her halte ich das für einen wichtigen Debattenbeitrag und kann mich dem Eindruck durchaus anschließen.