piwik no script img

Verschuldung in der EUIn Brüssel wird das Geld knapp

Der Ukraine-Krieg führt zu hohen Kosten. Kommission und Parlament wollen mehr Geld, Deutschland ist dagegen. Zu hoch sei die EU bereits verschuldet.

Hier wird mehr Geld gebraucht: Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel Foto: imagebroker/imago

Brüssel taz | Die Coronakrise und der Ukraine-Krieg haben das billionenschwere EU-Gemeinschaftsbudget durcheinandergewirbelt. Zur Halbzeit des Sieben-Jahre-Plans überbieten sich nun die Europäische Kommission und das Europaparlament mit Nachschlags-Forderungen. Doch Deutschland und andere EU-Staaten sagen Nein. Und der Europäische Rechnungshof beklagt schwere Mängel.

Die Lage ist noch nicht so ernst wie in den USA, wo ein finanzieller Shutdown, also eine Haushaltssperre, droht und die Ukraine-Hilfen wackeln. Doch auch in Brüssel wird es knapp. Wenn man sich nicht rechtzeitig einig wird, ist das EU-Budget für 2024 in Gefahr. Dann gibt es zwar keinen Shutdown, aber die Mittel würden auf dem Vorjahresniveau eingefroren und nur noch Monat für Monat ausgezahlt.

Schon jetzt wird das Geld knapp. Denn nicht nur die Kosten für die Ukraine-Hilfe laufen aus dem Ruder. Nur drei Jahre nach Verabschiedung des zwei Billionen Euro schweren Doppelhaushalts, bestehend aus regulärem EU-Budget und Corona-Aufbaufonds, schlagen auch noch die steigenden Zinskosten zu Buche. Die EU-Kommission hat deshalb einen Nachschlag von 65,8 Milliarden Euro gefordert.

Das Europaparlament fordert noch einmal 10 Milliarden Euro mehr. Einig ist man sich eigentlich nur, dass 50 Milliarden Euro an die Ukraine gehen sollen. Doch die Finanzierung ist umstritten. Denn Deutschland und andere EU-Staaten klagen selbst über klamme Kassen und sagen Nein. Die EU solle erst einmal nicht genutzte Finanzmittel ausschöpfen, heißt es in Berlin.

Hohe Schulden

Das werde dem Ernst der Lage nicht gerecht, kontert der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen, der die deutsche Gruppe im Parlament leitet. Die EU brauche mehr Geld und müsse schnell entscheiden, zur Not auf einem Sondergipfel. Denn wenn der Budgetstreit wie bisher geplant erst im Dezember auf die Tagesordnung kommt, wäre es wohl zu spät für eine Einigung vor Jahresende.

Zusätzliche Brisanz bekommt der Streit durch einen neuen Prüfbericht des Europäischen Rechnungshofs. Nach Auffassung der Prüfer waren 2022 zwei Drittel der geprüften Ausgaben mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden. Zudem seien die Schulden der EU „sprunghaft“ gestiegen: von 236,7 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 344,3 Milliarden Euro in 2022.

Ein besonderes Verschuldungsrisiko stellt die Finanzhilfe für die Ukraine dar. Es sei „sehr schwierig“, die Risiken genau abzuschätzen, sagte EU-Rechnungsprüfer Jan Gregor. Das liegt auch an der Korruption in Kyjiw. Letztlich handele es sich um eine politische Entscheidung, inwieweit man den ukrainischen Behörden vertraue.

Die finanzielle Belastung durch die Ukraine könnte in Zukunft sogar noch deutlich steigen. Bei einem EU-Beitritt kämen auf das EU-Budget zusätzliche Kosten in Höhe von 186 Milliarden Euro zu, heißt es in einer internen Schätzung des Ministerrats, aus der die Financial Times zitiert. Das Budget müsste um 21 Prozent steigen, fast alle EU-Staaten würden zu Nettozahlern. Sie müssten also in das EU-Budget mehr einzahlen, als sie aus EU-Mitteln bekommen. Bisher zahlt Deutschland am meisten ein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Es können einfach mal über 100 Mrd € neue Schulden in 1 Jahr von der EU gemacht werden.



    Wer gibt das frei?



    Wofür wurde das Geld verwendet?



    Sind das auch Sondervermögen?

  • Die EU braucht Geld. Na und, wo ist das Problem?

  • Hallo Herr Andresen, falls Sie es nicht wissen. Geld fällt nicht wie Manna vom Himmel.



    Es muss erwirtschaftet werden und steht nicht in unbegrenzter Höhe zur Verfügung.



    Jeder Cent den Sie ausgeben fehlt dem Bürger. Versuchen Sie es doch mal mit Einsparungen, wie dutzende Millionen Bürger auch, die sich ihre Mahlzeit vom Mund absparen müssen.

  • Als eigentlich überzeugter Freund einer Europäischen Union mit unseren Nachbarländern sage ich: Diese EU ist ihr Geld nicht wert, sie handelt zu oft gegen die Interessen der Bürger und als Lobby für die Industrie. Wir müssen alle sparen lernen, soll es Brüssel gefälligst auch lernen. Und so lange sie sich den Luxus von zwei Standorten im Wechsel leisten, so lange soll der Geldhahn zubleiben.

  • Die EU braucht mehr Geld.

    Erinnern wir uns, was in Deutschland aus der Kindergrundsicherung und dem sozialen Ausgleich für die Energiewende wurde, wie es mit der Bildung, dem Wohnungsbau und dem Zustand der Krankenhäuser aussieht.



    Es wird gekürzt und eingespart auf allen Ebenen. Als Ausgleich haben wir die Anhebung der Umsatzsteuer auf Energie und Gebührenerhöhungen im Kommunalbereich.

    Und die EU braucht mehr Geld, das in anderen Taschen landen wird, laut Rechnungshof.



    Diese EU ist dabei, sich selbst abzuschaffen.

  • Solange Deutschland der größte Einzahler bleibt ist das Alles doch kein Problem. Was ist schon Geld. Das wird bei Bedarf einfach nachgedruckt.

  • Was soll einem der Artikel sagen? Dass man die Ukraine Hilfe einstellen soll, damit die EU weniger Zinsen auf Kredite zahlt? Die als besonders "Links" angesehene Eigenschaft der Solidarität ist doch gerade dann am authentischsten, wenn man selbst nicht im Überfluss lebt.