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Bettwanzen-Plage in FrankreichBlutsauger außer Kontrolle

In Frankreichs Großstädten breiten sich Wanzen aus. Das ist schlecht für den Tourismus zur Olympiade 2024 – und Anlass zu rassistischer Hetze.

Eine Bettwanze in einem Institut in Marseille Foto: Jean-Michel Berenger via ap

S ie sind in den Hotels und den Airbnb-Wohnungen, im Zug, in der Metro, im Bus, im Kino und in der öffentlichen Bibliothek anzutreffen – kurz: überall, wo Menschen unterwegs sind und sich vergnügen. Das Bild der blutgierig herumspazierenden Bettwanzen löst in Paris und im restlichen Frankreich derzeit eine wahre Angstpsychose aus.

Wer selber noch nie mit diesen lästigen Blutsaugern konfrontiert war, kann sich nur schwer ein Bild vom Ärger, von den Ängsten und den anfallenden Kosten machen, die sie hervorrufen. Wenn sich nämlich die Bettwanzen, die nicht größer als ein Apfelkern sind, einmal gemütlich in der Wohnung eingerichtet haben und sich rasch vermehren, wird es ungeheuer schwierig, sie wieder loszuwerden.

Anders als früher – die Wanzen begleiten die für sie so nahrhaften Menschen seit der Steinzeit – sprechen viele Menschen heute ohne Scham über die fiesen Tierchen: Ein befreundetes Ehepaar habe die Wanzen aus den USA mitgebracht, schreibt etwa eine Journalistin in einem Erfahrungsbericht. Als ihre Tochter am Morgen drei ungewöhnlich aussehende Stiche in einer Linie am Rücken hatte, habe sie sogleich gewusst, wer da zugeschlagen hatte. Dank einer raschen Intervention von Fachleuten meinte man das Problem aber „in zwei Tagen“ endgültig behoben zu haben.

Die gezielte und effiziente Hilfe von Spezialisten, die auch Spürhunde einsetzen, kostet laut Berichten rasch an die 1.000 Euro. Guter Rat ist teuer, doch in vielen Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen und Rundfunk geben Ex­per­ten derzeit ihre Empfehlungen an. Die französischen Medien Libération und Le Figaro haben dem Thema sogar ganze Dossiers gewidmet.

Obwohl inzwischen nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in ebenfalls heimgesuchten Städten wie Marseille und Nizza die Wanzen das Gesprächsthema Nummer eins sind, besteht noch immer ein immenser Informationsbedarf.

Anlass für rassistische Hetze

Doch es geht auch anders: Im Fernsehsender CNews benutzte der Talkmaster Pascal Praud die Wanzenplage für einen seiner gehässigen Angriffe auf Migrant*innen, die er mit einer schamlos rassistischen Anspielung für die Insekteninvasion verantwortlich machen wollte. Er fragte, ob dieses Problem nicht darauf zurückzuführen sei, dass „diese Menschen, die sie (die Wanzen) mitbringen, nicht dieselbe Hygiene haben wie die Einheimischen“. Er ließ sich auch von einem im Studio anwesenden Experten nicht belehren, der richtigstellte, dass die Präsenz von Wanzen nichts mit mangelnder Körperpflege oder Herkunft zu tun habe.

In einer anderen Talkshow wollte der Moderator Yann Barthès seine Gäste mit einem Glas voller Wanzen erschrecken. Das gelang ihm außergewöhnlich gut: Der Behälter rutschte ihm aus der Hand, der Deckel sprang auf und ein entwischtes Insekt krabbelte auf seinem Manuskript herum.

Behörden unter Zugzwang

Gar nicht zum Lachen finden die Behörden und die Regierung die Ausbreitung der Insekten. Sie geraten mehr denn je unter Zugzwang. Mit einem kleinen Reagenzglas in der Hand, in dem sich angeblich Wanzen befanden, hatte in der Nationalversammlung die Abgeordnete Mathilde Panot von der linken La France insoumise der Staatsführung Nachlässigkeit vorgeworfen. Sie selber habe längst einen öffentlichen Aktionsplan gefordert, und niemand habe auf sie gehört.

Die Plage ist ein Politikum. Weniger als ein Jahr vor den Olympischen Spielen 2024 muss Paris um seinen touristischen Ruf fürchten. Selbst in den USA und in China wird vor den Wanzen gewarnt, die etwa in der Matratze versteckt nur darauf warten, in nächtlicher Stunde über ahnungslose Menschen herzufallen.

Noch bleiben ein paar Monate, um das Problem zu beheben – oder zumindest einzudämmen. Auf die wachsende Zahl an Firmen, die sich in den Medien und sozialen Netzwerken als kompetente Wanzenvernichter anbieten, warten viel Arbeit und ein prächtiges Geschäft.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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15 Kommentare

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  • Wer öfter franz. Hotels gebucht hat, weiß, dass selbst namhafte Ketten nicht wirklich sauber zu nennen sind. Es wundert einem also nicht.

  • ...keine Panik, ab ca. 43 Grad sterben die Tierchen eh ab...

    • @Alex_der_Wunderer:

      Waiting for the Klimawandel?

      • @sachmah:

        ...nö - worauf warten - is doch schon am wandeln...

        Die Wanzen mögen's nicht über 43 Grad - hatte ich gelesen - ernsthaft jetzt.

  • Ich mag die leichtfüßige und gut versteckte Ironie in diesem Text. Denn Wanzen sind ja nun wirklich nichts, was die Menschheit jetzt, Potzblitz, erst in diesem Jahhundert überraschend überfallen hätte.

    • @hedele:

      Leichtfüßig sind sie wirklich die Tierchen

      • @sachmah:

        ...kann man die nicht auch wie Grillen & Heuschrecken - lecker zubereiten ? 😋

  • Vor einigen Jahren zu Beginn der sich abzeichnenden Bettwanzenplage in Frankreich gab es auf SPON einen Artikel, der einen Zusammenhang mit dem Verbot der Neonikotinoide nahelegte. Diese Korrelation mag stimmen oder auch nicht, jedenfalls wird die französische Regierung nicht am massiven Einsatz von Insektiziden vorbeikommen, wenn sie die Plage wieder eindämmen will. Die écolos werden wohl die eine oder andere Kröte schlucken müssen, genau wie die Grünen auf der anderen Rheinseite derzeit auch. Solidarität ist angesagt.

    • @Magic Theo:

      Es hat auch schon mal einer im unsachgemäßen Kampf gegen Bettwanzen seine Wohnung so mit Insektiziden verseucht, dass zur Dekontamination alle Einrichtung entsorgt und die Wohnung gründlich renoviert werden musste.



      Das Gift macht die Dosis: Menschen halten nur mehr aus als die kleinen Insekten, ab einer bestimmten Menge geht es uns auch an den Kragen. Vielleicht auch erst ein paar Jahre später in Form von Krebs.

  • Ja und was kann man jetzt präventiv tun ?



    Wie verbreiten die sich und wie wird man sie wieder los ?



    Ich bin mir sicher die Tierchen interessieren sich nicht für Grenzen und nationale Befindlichkeiten.

    • @Axel Schäfer:

      ...ganz einfach - Fensterrahmen / Türrahmen mit einem Essig-/Spühlmittel Wassergemisch alle 2 Tage abwischen, den Duft mögen die Tierchen nicht so gerne.



      Vorm betreten des Hauses, Klamotten ausziehen und in eine Plastiktüte fest verschließen. Nun unter die Dusche gehen, gründlich abseifen. Dann die Plastiktüte in den Gefrierschrank legen, eventuelle Bettwanzen abfrieren.



      Am besten ist es jedoch, sich nicht überall herum zu treiben 😉

    • @Axel Schäfer:

      Bettwäsche usw. regelmäßig >50°C waschen und die Matratze per Staubsauger bearbeiten.

      Wenn mehr Fauna toleriert werden kann, Bücherskorpione züchten & aussetzen ;-)

  • was sind schon bettwanzen gegen filzläuse?



    www.gesundheitsinf...de/filzlaeuse.html

  • Bettwanzen kenne ich aus einer Unterkunft in Schleswig Holstein. Angeblich wegen polnischen Monteuren. Das fand ich daneben, zumal die Bilder vorher schonmal betroffen war und Spuren der Bekämpfung zeigten, dass es unprofessionell durchgeführt worden war.



    Wenigstens übertragen die Wanzen keine Krankheiten.



    Wenn ich reise gilt:



    Der erste Blick geht auf den Lattenrost um nach Spuren zu schauen.



    Koffer etc nie auf ein Bett legen, nur auf Ablagen und nach Gebrauch schließen.



    Alles vor einpacken ausschütteln. Schmutzwäsche nicht rumliegen lassen.



    Zu Hause auspacken über der Badewanne.

  • Nu, Paris steht nicht alleine. Es gibt sie in Berliner Hotels, in New York und bestimmt auch in China. Sie finden gute Lebensbedingungen vor und gepaart mit globaler Reisetätigkeit breiten sie sich aus. Ein kleiner Faktor ist auch Aufmerksamkeit und Hygiene.