piwik no script img

Flucht und MigrationSie kommen trotzdem

Christian Jakob
Essay von Christian Jakob

Im Diskurs über Flucht übernehmen Konservative die Sprache und die Forderungen der Rechten. Doch Migration lässt sich nur schwer kontrollieren.

Für die Asylbewerberunterkunft im Dorf Upahl werden Container angeliefert Foto: Jens Büttner/dpa

O b man nicht „das ­Undenkbare ­denken müsse“, um die Flüchtlingszahlen zu drücken, fragte ein Journalist diese Woche den einstigen Bundespräsidenten ­Joachim Gauck. Und Gauck, der sich als früherer Kämpfer gegen das DDR-Unrecht so gern als moralische Autorität verkauft, raunte zustimmend, die Politik müsse „neue Möglichkeiten wagen“, um dem „Kontrollverlust“ zu begegnen.

So wird geredet, wenn Konservative den Kampf mit ihrer zunehmend erfolgreichen rechtsextremen Konkurrenz in der Migrationspolitik auszutragen versuchen. Und die Konservativen ziehen dabei den Kürzeren.

2016 fand der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU), dass eine Nettoneuaufnahme von 200.000 Menschen pro Jahr „verkraftbar“ sei. Dann „funktioniert auch die Integration“, und die extreme Rechte bleibe klein. So bewarb er seine „Obergrenze“. In diesem Jahr werden es netto wohl einige Tausend mehr.

Ist das nicht noch halbwegs „verkraftbar“?

Scheinbar nicht. Vom „Kontrollverlust“, von Kommunen „am Limit“, „Grenzen der Leistungsfähigkeit“ ist die Rede. Und das hat nicht nur mit der Zusatzbelastung durch die Ukrai­ne­r:in­nen zu tun. Die extreme Rechte setzt den Ton, die Konservativen ziehen nach. Parteichef Friedrich Merz etwa, der mit der Geste eines Möchtegernstaatsmanns Kanzler Olaf Scholz anbot, dessen „Deutschlandpakt“ mitzutragen – wenn dabei als Erstes die Migration angegangen werde. Denn die sei das „größte Problem“.

Sachleistungen, Grenzkontrollen? Ändert nichts

Konservative reden so, weil sie bislang darauf bauen konnten, dass es ihnen schon zugutekomme, den bloßen Eindruck zu erwecken, irgendetwas gegen die Migration zu unternehmen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Wer den Leuten jeden Tag erzählt, dass die Flüchtlinge ihr größtes Problem seien, nährt zweifellos den Wunsch nach durchschlagenden Lösungen, wenn die Zahlen nicht zurückgehen. Auf die Ankunftszahlen hat aber nur bedingt Einfluss, wer an moralischen und rechtlichen Mindeststandards festhält.

Immer wieder gern fordert etwa die Union „mehr Grenzkontrollen“. Dabei wird jedes Mal so getan, als gelangten die Menschen ins Land, weil sie niemand bei der Einreise abweist. Doch es ist einerlei, wie viele Polizisten in Kufstein oder Bad Schandau stehen – abweisen dürfen sie Ankommende nicht, solange diese einen Asylantrag stellen wollen.

Genauso ist es mit „Sachleistungen“, die es lange gab und die die Union nun wieder einführen will. Dabei glaubt niemand ernsthaft, dass Menschen plötzlich nicht mehr nach Deutschland wollen, weil es in den ersten Monaten nach Ankunft Kantinenessen statt Bargeld gibt. Deutschland bleibt, unabhängig davon, für viele Menschen als Ziel attraktiv: weil sie hier auf Arbeit hoffen, Menschen kennen, die hier, trotz allem, gute Erfahrungen gemacht haben, sich eine Existenz aufgebaut haben.

Reifenschläuche als Rettungsringe im Hafen von Lampedusa Foto: Oliver Weiken/dpa

Leistungskürzung ist eines der alten Rezepte, die Geflüchtete zwar schikanieren, die aber nicht dazu führen, dass sie ihre Zukunftspläne und Reisewege ändern. Im alten Parteiengefüge reichten sie der Union aber, um im konservativen Milieu zu punkten, indem sie zeigte: Wir tun was gegen die ganzen Flüchtlinge.

Die kommen aber trotzdem. Und dann?

Neu ist, dass es mit der AfD nun eine Konkurrenz gibt, die für sich in Anspruch zu nehmen vermag, es wirklich ernst mit dem Flüchtlingsstopp zu meinen. Dass dies ihresgleichen – etwa in Italien oder Österreich – nicht gelingt, weil sich Migration nur schwer kon­trol­lie­ren lässt, spielt für die Wahrnehmung der AfD hierzulande noch keine Rolle. Die Union weiß das. Sie bleibt deshalb nicht bei den alten Rezepten stehen, sondern geht langsam weiter.

Die Sprache der Rechten

Es beginnt im Vokabular: Als „Invasion“ oder „Landnahme“ bezeichnen Rechtsextreme die Migration seit Langem. Giorgia Meloni stellte sich dieser Tage vor die UN und verlangte einen „globalen Krieg gegen Schlepper“. Man muss fast schon froh sein, dass sie nicht gleich einen globalen Krieg gegen Flüchtlinge forderte. Diese Art zu reden aber sickert langsam in das konservative Milieu ein. Begonnen hat es 2021, als Polen die Lage an der Grenze zu Belarus einen „hybriden Krieg“ nannte und deutsche Konservative diese Wortwahl übernahmen. Gaucks „Undenkbares“ fällt auch in diese Kategorie. Solches Reden zersetzt moralische Standards.

Auf der realen Ebene sind die Folgen absehbar: beim lauter werdenden Ruf nach Militärschiffen, die Flüchtlingsboote in die Abfahrtshäfen zurückdrängen, wie Meloni es verlangt; oder bei der Bereitschaft, mit dem individuellen Asylrecht zugunsten von Kontingenten Schluss zu machen – die Gnade soll den Rechtsanspruch ersetzen. Gnädig ist aber gerade kaum jemand.

Es war der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, der diese Forderung auf dem EU-Innenministertreffen 2018 erstmals offiziell einbrachte: keine Asylanträge mehr auf europäi­schem Territorium; Aufnahme nur noch auf freiwilliger Basis. Ein Akt der Behauptung „nationaler Souveränität“ sei dies, ist von rechten Propagandisten zu hören. Davon würden die „wirklich Schutzbedürftigen“ profitieren, meinen Konservative. Die CDU-Politiker Thorsten Frei, Friedrich Merz und Jens Spahn dachten in diesem Jahr ebenso wie nun Gauck laut darüber nach, wenn auch teils Relativierungen folgten.

Die Folgen würden so aussehen: Es würden trotzdem weiter Menschen ankommen, die teils nicht abgeschoben werden könnten. Ihnen würde das Arbeiten verboten, weil ja nur noch vorab Ausgesuchte bleiben dürften. Sie müssten also alimentiert werden. Die Kontingente für die formale Aufnahme würden EU-weit absehbar mickrig ausfallen, viele Länder würden wohl exakt null Plätze anbieten. In den Transitstaaten würden sich deshalb immer mehr Menschen stauen, was die EU dort kaum beliebter, sondern sie vielmehr weiter erpressbar machen würde.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die Nato 2022 auf Antrag Spaniens mögliche Massenankünfte von Flüchtlingen aus Afrika – orchestriert durch das dort immer stärker präsente Russland – in ihre Liste der größten strategischen Gefahren aufgenommen hatte. Denn die EU ist mit den Flüchtlingen angreifbar, solange sie daran scheitert, dem Thema die innenpolitische Sprengkraft zu nehmen. Lukaschenko, Erdoğan und auch Marokko haben vorgeführt, wie leicht Polen, Griechenland oder Spanien sich unter Druck setzen lassen, wenn Flüchtlinge über die Grenzen geschickt werden. Die Kommission will solcher „Instrumentalisierung“ Geflüchteter begegnen, indem sie gestattet, deren Rechte einzuschränken. Helfen wird das nicht. Wenn die EU Flüchtlinge zur Waffe erklärt, muss sie sich nicht wundern, wenn diese als solche gegen sie in Stellung gebracht werden.

Die Ideen sind da

Dabei ließe sich mit der Lage durchaus anders und besser umgehen. Ideen dafür gibt es viele. Angebote „zirkulärer Migration“, wie sie sogar der damalige CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble schon 2007 vorschlug: Mehrjahresvisa für junge Menschen aus Afrika, die ­einen Beruf lernen, Erfahrungen sammeln, Geld sparen können und dann zurückgehen. Wer mit jungen Leuten in Afrika spricht, hört oft: Genau das wär’s.

Oder Patenschaftsmodelle wie „Neustart im Team“, bei dem private Unterstützerkreise den Menschen in der ersten Zeit nach der Ankunft helfen. Kommunen, die unter Bevölkerungsschwund und Leerstand leiden und Unterstützungsprogramme für Neu­ankömmlinge anbieten. Die Verzahnung kommunaler und zivilgesellschaftlicher Ressourcen für die Aufnahme in den Solidarity-Cities-Netzwerken. Im Oktober treffen sich in Brüssel Bürgermeister aus ganz Europa – auch aus Polen und Kroatien –, deren Städte sagen: Wir haben Platz.

Für Ideen gibt es wenig Raum, wenn sich alle gegenseitig bestätigen, dass die Lage außer Kontrolle sei

Und letztlich steht hinter all dem natürlich auch der immer dramatischer werdende Arbeitskräftemangel: Mehrere Hunderttausend Menschen pro Jahr müssten kommen, um die Lücke im Land zu füllen. Industrie- und Handwerksbetriebe, Kitas, Schulen und Pflegedienste – wo heute die Ausfälle durch den Krankenstand kaum noch aufzufangen sind, wird in einigen Jahren gar nicht mehr aufgemacht, wenn sich nichts ändert. Eine Chance dazu wäre ein echter Spurwechsel – die Möglichkeit für Asylsuchende, leichter ein Arbeitsvisum zu bekommen. Helfen kann, dass Deutschland nach 2015 eine einzigartige Infrastruktur aufgebaut hat, um Ankommende mit Nachqualifizierung auf dem Weg in die Arbeit zu unterstützen. Die FDP allerdings hat den Spurwechsel in den Ampel-Koalitionsverhandlungen stark erschwert.

Für solche Ideen gibt es wenig Raum, wenn sich alle permanent gegenseitig darin bestätigen, dass die Lage „außer Kontrolle“ sei. Der Weg aus dieser Misere ist fürs Erste weniger in der Mi­gra­tions­politik selbst zu suchen. Er führt eher darüber, wie über diese gesprochen wird. Die Frage ist, ob es gelingt, die Überhitzung wieder abzukühlen. Das ist der einzige Weg, um mittelfristig überhaupt wieder über gerechtere Lastenteilung sprechen zu können.

Die Lage nach den beiden letzten großen Flüchtlingsankünften – 2015/2016 und 2022 die Ukrai­ne­r:in­nen – zeigt dies: Es kamen viele, viel mehr als heute. Aber es gab die Bereitschaft, konstruktiv mit der Lage umzugehen. Sie wurde nicht populistisch ausgeschlachtet – und konnte so gut bewältigt werden.

Hören Sie zur neuen deutschen Asyldebatte auch den Bundestalk, den Podcast der taz: taz.de/Bundestalk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • "Die Folgen würden so aussehen: Es würden trotzdem weiter Menschen ankommen, die teils nicht abgeschoben werden könnten."

    Gerald Knaus belegt in seinem Buch mit historischen Beispielen, dass es eh nicht so wäre. Der Schlüssel ist die Festlegung der Kontingenten - genau auf der Grenze von Großzügigkeit und Realismus. Die Idee ist eigentlich von Humanismus betrieben und hat nichts mit dem, was die unterschiedliche CDU oder AfD Clowns von sich geben.

    Die Kontingenten-Idee wird auch von den Lösungen komplementiert, die Herr Jakob befürwortet - z.b. bei Knauss oder Ruud Koopmans ist es ziemliche detailert ausgeführt. Diese Gegenüberstellung, die im Artikel konstruieert wird (Visa u.a. Programme vs. Aufnahmekontingente) gibt es nicht, wenn mann die Kontingentenidee richtig (d.h. auch als ein Teil größeres Pakets) versteht.

    Fakt ist, dass sich die EU-Asylpolitik ändern muss, weil sie komplett versagt (ja - die „wirklich Schutzbedürftigen“ bleiben zu Hause oder höchstens schaffen sie es zum Nachbarstaat wie etwa Sudan).







    Ich verfolge die deutsche Medien wenig und wenn schon, dann Migazin - keinesfalls die rechte Presse. Deswegen hat es mich überrascht, dass sich die Rechtsextremen die Kontingentenidee (auf ihre eigene Weise) angeeignet haben, die ich als einen durchaus humanitären Einsatz kenne.



    Es erinnert mir an den neusten Buch von Naomi Klein und die Idee von Doppelgänger. Man soll sich nicht an zerstörrten Spiegelbildern orientieren, sondern Original aussuschen.



    "Welche Grenzen brauchen wir" von Knaus und "Asylloterie" von Koopmans wären meine Vorschläge dazu.

  • Das Asylrecht muss ein Menschenrecht bleiben. Alle bleiben hier! Abschiebungen sind unmenschlich!

    • @Land of plenty:

      „Alle bleiben hier“

      wird nicht funktionieren, denn es dürfte klar sein, welche politische Richtung sich dann in Europa durchsetzt

      Wollen Sie das wirklich?

  • Mittlerweile sind doch die angeblich konservativen Kräfte zu den Rechten aufgerückt, die hauchdünne Trennlinie ist überschritten. Wobei ich mich ohnehin immer frage, was die eigentlich bewahren wollten, die eigene Bräsig- und Wurschtigkeit, den guten alten Faschismus deutscher Prägung, die Korruption der Union oder vorgeblich "ostdeutsche Befindlichkeiten" ?



    Als ich jetzt den komplett abgedrehten Pfarrer Gauck gehört habe, dachte ich unwillkürlich an das überhebliche und dumme Geschwätz der "konservativen" Steigbügelhalter Hitlers.



    Die Dummschwätzer haben ohne Not alles geopfert, heute sind wieder welche da, die wieder die freiheitlich demokratische Grundordnung wegen ein paar Umfragewerten auf den Altar des Wahlkampfs opfern wollen.



    Die Flüchtlinge interessiert das nicht, die werden von echten Nöten getrieben und bekommen von deutscher Innenpolitik sicher eher nichts mit.

  • "Wer den Leuten jeden Tag erzählt, dass die Flüchtlinge ihr größtes Problem seien, nährt zweifellos den Wunsch nach durchschlagenden Lösungen, wenn die Zahlen nicht zurückgehen."

    So gefährlich dieses Verhalten der Politiker auch ist, so sind die Leute, von denen hier die Rede ist, mündige Subjekte und keine willfährigen Kleinkinder, die sich von der Politik diktieren lassen, wem gegenüber sie Ressentiments zu empfinden haben. Die Krux ist, dass sich die Rechten tatsächlich wie die bösartigen Kleinkinder aufführen, als die man sie keinesfalls behandeln darf.

    "Dass dies ihresgleichen – etwa in Italien oder Österreich – nicht gelingt, weil sich Migration nur schwer kontrollieren lässt, spielt für die Wahrnehmung der AfD hierzulande noch keine Rolle. Die Union weiß das."

    Es scheint -nicht nur bei der Union – der Glaube vorzuherrschen, dass eine restriktivere Migrationspolitik den Zulauf zur AfD verringern würde. Dabei deutet wenig darauf hin, dass das überhaupt so ist.



    Ich frage mich, ob die Verfechter solcher Ideen sich mal die Reden auf einem AfD-Parteitag angesehen oder die Kommentare in den einschlägigen Internetforen durchgelesen haben. Da geht es weniger um eine restriktive Migrationspolitik als um Soros, „great reset“ oder „Umvolkung“. Die wollen eine Art Kulturrevolution und ein Strafgericht gegenüber all jenen, die sie als Teil der von ihnen herbeiphantasierten Verschwörungen sehen.



    Damit können demokratische Parteien gar nicht wirklich konkurrieren, das einzig wirksame Gegenmittel wäre die entschiedene Bekämpfung der antidemokratischen Tendenzen. Bis jetzt hat man das aber noch gar nicht ausprobiert, die bevorzugte Verfahrensweise ist Anbiederung.



    Dabei werden inhaltliche und sprachliche Annäherung der Union ihre Wähler nicht zurückbringen. Damit werden aber die Inhalte und die Sprache normalisiert. Und wenn dann in ein paar Jahren die ersten Koalitionen auf Landesebene im Raum stehen, ist schon alles dafür sorgsam vorbereitet. Zumindest das weiß die Union.

  • Die Praxis des jetzigen Asylrecht ist in höchstem Maße unfair:



    Nur wer stark genug ist, das sind meistens junge, gesunde kräftige Männer, sich bis nach Europa durchzuschlagen, nur Der hat die Chance, in Europa zu bleiben..

    Aber die wirklich schwachen und schutzbedürftig zum Beispiel Frauen mit Kinder oder ältere Menschen etc. haben grundsätzlich keine Chance, denn die schaffen es nicht bis an die europäische Grenze

    Wer das erkannt hat, muss doch einsehen, dass die jetzige Asyl Gesetzgebung einfach versagt

    Man sollte sie komplett abschaffen, also das Asylrecht aus dem Grundgesetz streichen und durch etwas ersetzen Das fairem humanitären Schutz bietet, aber natürlich auch so realistisch ist, dass die Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft berücksichtigt wird.

    • @Paul Rabe:

      Ich finde diese Idee auch nicht schlecht, ABER: die Änderungen im Grundgesetz (16, 16a) wären zwar nötig, aber sie alleine würden NICHTS ändern.



      Man müsste das ganze Asylrecht und fast ganzen Aufenthaltsrecht abschaffen, und vor allem aus der Genfer Flüchtlingskonvention austreten. Die entsprechenden EU-Richtlinien müssten auch grundsätzlich überbearbeitet/abgeschafft werden. Und all das mit neuen Dingen ersetzt.



      Man sieht schon, dass sowas bei dem besten politischen und gesellschaftlichen Wind eine riesige Aufgabe wäre.



      Bei dem jetzigen Klima in DE und EU - undenkbar.

  • Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist dieser Artikel hier in der taz: Das Thema fluchtverstärkte Migration innerhalb nur eines einzigen taz-Artikels auf eine sachliche Ebene gehoben.

  • Dieses in nahezu jedem Artikel wiederholte Narrativ, dass (konservative) Politiker die Forderungen der AfD übernehmen, stört mich inzwischen.

    Politiker können ganz unabhängig von der AfD aufgrund von aktuellen Entwicklungen zur Erkenntnis kommen, dass jetzt mehr Abschottung notwendig ist.

    Aus innerer Überzeugung, weil sie die Umfragewerte zu dem Thema sehen, weil sie die Klagen der Kommunen vernehmen usw.

    • @gyakusou:

      Klar können sie das.



      Sehr viele scheinen nur nicht kreativ genug denken zu können, um selbständig neue Lösungswege zu finden.



      Da kann man nichts machen. Wer zu autoritärem Denken neigt, findet nur autoritäre Lösungen.

      Es geht bei Konservativen letztlich immer um Machtverluste. Bilder wie "Flut" oder "Überschwemmung" sind Ausdruck davon und werden begierig aufgesogen, weil sie das eigene Weltbild festigen.



      Rechte sagen dann, was angeblich nicht gesagt werden darf und konkurrieren so mit Konservativen.



      Der autoritäre Ton scheint zu gefallen, was einige Politiker natürlich beobachten und es für die eigene Karriere förderlich betrachten, dies nachzuplappern.







      Es gibt viele kreative Lösungsvorschläge. Wenn die Konservativen gefallen sollen, muss klargemacht werden, dass damit keine Macht aus der Hand gegeben wird. Das wird schwierig.



      Viele sehen die Notwendigkeit, andere Lösungen zu finden deshalb nicht, weil sie von ihrer eigenen Stärke überzeugt sind. Der einzige Traum, den viele in der Lage sind zu träumen ist der in dem keine Macht abgegeben werden muss und deshalb alles so bleibt, wie es ist.



      Anders als der Klimawandel, lässt sich das Vorhandensein von Flüchtlingen aber nur schwer leugnen, um ungestört weiter zu träumen.



      Es scheint eine effektiv Lösung zu sein, sich abzuschotten.



      Wenn der humanitäre Gedanken nur eine untergeordnete Rolle spielt, sollte man sich wenigstens Gedanken darüber machen, wie Abschottung auf Dauer auch Effizient sein kann. Die kostet schließlich auch viel Geld.

    • @gyakusou:

      Wenn in nahezu jedem Artikel das Ergebnis der Analyse identisch ausfällt könnte an diesem 'Narrativ' ja möglicherweise auch etwas dran sein. Gestüzt etwa durch den Versuch die Union als 'AfD mit Substanz' zu positionieren oder dadurch, dass etliche Aussagen ("kleine Paschas") eben doch eher rechtspopulistisch als konservativ sind, ebenso wie die erhobenen Forderungen, Grenzkontrollen und Aussetzung von Schengen, die am Grundrecht der dort Ankommenden einen Asylantrag stellen zu dürfen aber überhaupt nichts ändert. Wenn die vertretenen Positionen in Form und Inhalt jenen des rechtsradikalen Lagers derart gleicht, ist die Vermutung eben doch sehr naheliegend, dass diesen nachgeeifert und eben keine eigenständige konservative Politik betrieben wird. Darüberhinaus würde ich es für eine konservative Politik auch für naheliegend halten Grund- und Menschenrechte und zivilisatorische Errungenschaften der bundesrepublikanischen Verfasstheit bewahren zu wollen. Eine Politik aber die darauf setzt Verfolgen Schutz und Hilfe zu verweigern, selbst dann wenn das auf ihren Tod hinausläuft, dürfte kaum mit konservativen Werten in Einklang zu bringen sein. Was also spricht für ihre These, dass hier eine eigenständige konservative Politik verfolgt würde und nicht der verzweifelte und aussichtslose Versucht unternommen würde mit auf der rechtsradikalen Welle zu reiten?

    • @gyakusou:

      Mich stört das Narrativ, dass es zu viele Geflüchtete gibt, die Kommunen überlastet sind (welche Kommunen genau wird dabei nicht gefragt, obwohl es doch ein Netzwerk von Städten und Gemeinden gibt, die aufnahmebereit sind), dass die AfD Wähler gewinnt, wenn mehr Geflüchtete ins Lamd kommen und Abschottung die einzig hilfreiche Strategie ist.

      Es wundert mich nicht, dass sich diesem Narrativ in Umfragen immer mehr Menschen anschließen, wenn es tagtäglich von Politiker:innen und Medien wiederholt wird.

      Meiner Meinung nach entspricht dieses Narrativ nicht der Realität, und ich finde dass der Artikel das vor allem im zweiten Teil gut zeigt. Es gibt Alternativen zu Abschottung und Abschaffung von Menschenrechten.

      Wenn Kommunen überfordert sind, brauchen sie Unterstützung, entweder durch Ressourcen oder indem dort weniger Geflüchtete hingeschickt werden. Das bedeutet aber nicht, dass ganz Deutschland oder ganz Europa sich abschotten muss.

  • Es bleibt dabei: der Mensch hat Angst vor allem Fremden. Da bauen wir lieber eine hohe Mauer mit Stacheldraht.

    • @Kappert Joachim:

      Nein - man sperrt sie in den "Willkommenszentren" auf EU-Grenzen, ohne funktionierenden Sanitärausrichtung, medizinischer Versorgung, mit schlechtestem, verdorbenem Essen ein, alle zusammen gequetscht, am Boden schlafend. Und dann irgendwann macht man die Führung für die Autochthonen und sagt: "Sieht euch, sie leben in eigener Scheiße, es sind doch keine Menschen".



      (sowas ähnliches sollte Ruth Irene Kalder in Auschwitz gesagt haben)

  • In NYC haben sie gerade den Illegalen das Arbeiten erlaubt, damit sie dem Staat nicht auf der Tasche liegen. Handelt sich zwar nur um Teilgruppen (Kolumbianer, die schon länger da sind, und nur für 18 Monate), aber egal - so kann man es auch machen. Die Ukrainer dürfen ja auch sofort arbeiten.

    Aber angeblich gibt es ja keinen Fachkräftemangel, der wird uns nur eingeredet. Dass die Handwerksbetriebe hier nicht arbeiten können, weil die Leute fehlen, dass die Straßenbaubehörde keine Straßen weiterplanen kann, weil das Personal fehlt... das interessiert den Teil der Presse, der das weiterhin verbreitet, leider nicht.

  • Jakob van Hoddis



    (16.05.1887, Berlin – am 30.05.1942 von den Nazis deportiert; genaues Platz und Todesdatum unbekannt)

    Weltende

    Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,



    In allen Lüften hallt es wie Geschrei,



    Dachdecker stürzen ab und gehen entzwei



    Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

    Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen



    An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.



    Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.



    Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

  • Es bleibt nur ein Weg: Die Zuwanderung möglichst gut zu steuern, Prekarisierung verhindern, Integration fördern und frühzeitig auf Probleme zu reagieren.

    Es ist 2023 eine Illusion, dass ein Land oder hier Deutschland in der EU eine Art Stop der Migration verhängen kann. Dazu bestehen mit Syrien, Afghanistan und Libyen drei Länder, wo politische Konzepte vollständig gescheitert sind, hier hat die Außenpolitik auch best. Festlegungen getroffen: Diese Menschen werden weiterhin kommen.

    Interessant ist auch die Türkei - ein Staat, der noch vor 10 Jahren selbstbewusst, wirtschaftlich stark daher kam, inzwischen geht es dort immer deutlicher und offensiver um ein Karussell aus Nepotismus, Autoritarismus, Repression gegen Linke und Minderheiten, erratische Wirtschaftspolitik und ein Übertünchen mit Pan-Osmanischen bzw. Pan-islamischen Ideen. Dass hier immer mehr Menschen an den Rand gedrängt werden, immer mehr auf Listen stehen, arbeitslos werden, ausgegrenzt werden, ist nur insofern bemerkenswert, weil die Türkei ein NATO-Verbündeter ist und viele Dinge und Hilfen jahrelange privilegiert erhalten hat.

    Wer nun also per Stammtisch glaube, er kann Zuwanderung schnell eindampfen auf feste Grenzen und Rückführabkommen, wird scheitern.

    Die ganze Diskussion führt ins Nichts. Die offenen Grenzen waren ein Kernanliegen der CDU/CSU, FDP und es ging die Ankurbelung des Außenhandels, die Konsequenz, dass Migranten über die offenen Grenzen sich jeweils das beste Land raussuchen, ist nicht bedacht worden.

    Nun wollen momentan weder CDU/CSU, noch FDP oder SPD und Grüne diese Grenzen schließen. Das würde das Schlepperhandwerk auch nur ein wenig abdämpfen, aber andere Nachteile würden sehr stark hervortreten. Insofern bleibt nur die Gestaltung der Zuwanderung.

    Hier lassen sich die Konsequenzen eine Zuwanderung abfedern, Städte müssen planen, entwickeln. Das geht nach Vorne, nicht nach Hinten. Damit das wirkt und langfristig ist, muss es mit Investititionen verbunden werden.

  • Danke für die entlarvende Analyse konservativer Politik, besonders auch von Gauck und Steinmeier, die Medien nutzen, um ganz schnell alte Gewissheiten über Bord zu werfen.

    Zwei Beispiele: Ein ehemaliger Auslandskorrespondent der ARD, der die Komplexität bei dem Thema Migration aus eigener Anschauung kennen müsste, bringt es im WDR fertig, seinen Kommentar zu dem Thema mit der Zeile "Flüchtlinge: Menschlichkeit kennt Grenzen", zu überschreiben, bei dem Gauck wörtlich zitiert und mit folgender Forderung verbunden wird: "Die deutsche Migrationspolitik muss abschreckender werden", Worte, die bisher nur den Sound der AFD prägten.



    Der Kolumnist hat vermutlich Angst, einen vermeintlichen medialen Stimmungswandel zu verpassen, den Bild mit immer neuen Schlagzeilen vorantreibt und dem sich immer mehr Medien ergeben.



    Der WDR-Autor trommelt für den dänischen Weg, um Migranten abzuschrecken, genauso wie eine Autorin der Wirtschaftswoche, die auch Gauck zitiert. Sie schreibt mit bemerkenswerter die Fakten verkürzender Schlichtheit, die an Dummheit grenzt und deshalb um so gefährlicher ist:

    "Deutschland muss Menschen helfen, deren Leben durch Terror oder Krieg akut in Gefahr ist. Der Sozialstaat kann aber nur bestehen, wenn Solidarität Grenzen hat. Dieses Prinzip steht infrage, weil sehr viele Migranten kommen, die wir nicht als Fachkräfte suchen, sondern die sich bei uns ein besseres Leben erhoffen".

    www1.wdr.de/nachri...bergrenze-100.html

    www.wiwo.de/politi...ndig/29402742.html

    Danke also, dass der taz-Autor dafür plädiert, bei dem Thema verbal abzurüsten und genau zu argumentieren.

    • @Lindenberg:

      "gerechtere L a s t e n teilung" - leider schleicht sich auch hier hinterrücks ein, was ganz zu recht kritisiert wird, eine Perspektive, die aus Mobilität eine 'Last' macht.

    • @Lindenberg:

      der Witz ist ja, Flüchtlinge in DK dürfen und sollen gleich arbeiten.



      Hier müssen sie sehr lange in Unterkünften herumlungern... um keinem Einheimischen den Arbeitsplatz zu nehmen und außerdem aus Prinzip...

      • @nutzer:

        " Flüchtlinge in DK dürfen und sollen gleich arbeiten."

        Der Vergleich mit Dänemark ist tatsächlich sinnvoll, weil dort 2019 eine unbestritten linke sozialdemokratische Partei die Wahlen gewonnen hat -- nach einer Umorientierung in der Einwanderungspolitik. Das ist in der wikipedia recht gut zusammengefasst:

        "In the period 2019-2023, the government led by Social Democratic Prime Minister Mette Frederiksen made migration policy still stricter.[19][20] This change of direction is known in Denmark as the 'Paradigm shift'.[21]"

        en.wikipedia.org/w...ark#Paradigm_shift

  • Mir fehlt scheinbar die nötige Phantasie um das Undenkbare zu denken und mir vorzustellen wie man dieses mit Grund- und Menschenrechten vereinbaren möchte. Wie konkrete wollte man eine Obergrenze umsetzen wenn etwa das Kontingent erschöpft ist, aber in Folge russischer Landgewinne ein oder zwei weitere Millionen Ukrainer*innen um Schutz ersuchen? Wie man mit einem mit Nowitschok vergifteten Dissidenten wie Nawalny umgehen würde, wenn er das Pech hat Antrag 200001 des Jahres zu sein? Oder wie man sich all jener 'Überzähligen' würde entledigen wollen die staatenlos sind oder im Falle einer Abschiebung akut lebensbedroht wären (was eigenartigerweise allzu oft wohl kein ausreichender Asylgrund zu sein scheint)?

    • @Ingo Bernable:

      "Mir fehlt scheinbar die nötige Phantasie um das Undenkbare zu denken und mir vorzustellen wie man dieses mit Grund- und Menschenrechten vereinbaren möchte."



      ich bin mir absolut sicher, Herr Gauck wüßte das auch nicht, deshalb nur dieses Geraune, man müsse...



      Ein Merz, Söder oder irgendeine andere Blockflöte wüßte das auch nicht.... alles Geraune, weil man weiß nicht verantwortlich zu sein.