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Gendern an SchulenOhne Punkt, Komma und Stern

Tina Hartmann
Gastkommentar von Tina Hartmann

Seit diesem Schuljahr darf an Sachsen-Anhalts Schulen nicht mehr mit Sonderzeichen gegendert werden. Eine Anleitung zum linguistischen Widerstand.

Sterne sehen Foto: Alashi/getty

S eit diesem Schuljahr ist das Gendern an Schulen in Sachsen-Anhalt verboten. Formen wie Lehrer*in, Schüler_innen oder Bus­fah­re­r:in werden im Unterricht oder in offiziellen Schreiben als Normverstöße geahndet. Aber heißt das, dass nun alles wieder im generischen Maskulinum, also rein männlich, geschrieben werden muss? Nein, mensch muss nur ein bisschen kreativ sein. Sieben Anregungen dafür, wie sich künftig umso genüsslicher rückwärts gewandten Teilen des Lehrkörpers, des Oberschulamts und der Politik der sprachliche Mittelfinger zeigen lässt.

1. Generisches Femininum. Also immer die weibliche Form verwenden, Männer sind dann eben mitgemeint. Das ist platt, plakativ – aber wahnsinnig wirkungsvoll, vor allem bei reaktionären Männern und Autoritäten.

2. Paritätische Mischung von generischem Femininum und Maskulinum. Etwas edelfederhaft, aber praktisch unkritisierbar.

Tina Hartmann

ist Professorin für Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth. Zu ihren Schwerpunkten gehören Literatur des 18. Jahrhunderts, Gender und Kritische Kanonforschung.

3. Und wo bleiben die Nichtbinären? Mensch, richtig! Im Deutschen haben wir eine wahre Wunderwaffe der Gerechtigkeit: Anders als etwa im Französischen verschwistern sich „Ärztinnen und Ärzte“ sogar mit den verbotenen „Ärzt:innen“ zu „Menschen in medizinischen Berufen“ oder werden gar zu „innovativen Menschen aus den Bereichen Medizin und Wissenschaft“.

Der Gender-Leitfaden meiner Uni hat dafür gesorgt, dass nun sogar ich die Formulare verstehe

4. Kreativität hilft: Der „Student“ wurde schon in den 1990ern von der invasiven Art der „Studierenden“, kurz „Studis“ verdrängt. Der „Schüler“ ist ein hartleibigeres Fossil. Auch seinem Aussterben würde aber kaum jemand nachweinen, wenn stattdessen „Kinder“ in die Unterstufe gehen und „jugendliche Lernende“ in die Klassenstufen ab der Siebten.

5. Versachlichung hilft auch: Der Gender-Leitfaden meiner Uni hat dafür gesorgt, dass nun sogar ich die Formulare verstehe. Seit da nicht mehr steht: „Der/die Unterzeichner/Unterzeichnerin hat den von ihm/ihr eingereichten Antrag in doppelter Ausführung einzureichen“, sondern schlicht: „Der unterzeichnete Antrag muss in doppelter Ausführung eingereicht werden.“

6. Sich den sexistischen Unterton des Genus bewusst machen. Das Deutsche ist eine Genus-Sprache. Wer behauptet, das Englische könne als Vorbild dienen, soll bitte ihren und seinen Doktortitel in Germanistik zurückgeben. Das grammatische Geschlecht eines Nomens ist tatsächlich häufig sexistisch: Oder wie kommt es, dass die meisten Wörter für schwache oder schwule Männer weiblich sind, und „das Mädchen“ sächlich wie ein Stück Brot? Einen 18-Jährigen dagegen nennt kaum jemand ungestraft ‚Bübchen‘.“

7. Das Sternchen ist tot – lang lebe das Gendern! Auch wenn Zeichen wie Stern oder Doppelpunkt im Alltag superpraktisch sind: Die Poesie der gerechten Sprache entfaltet sich in der Subversion.

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17 Kommentare

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  • Leider sind diese Einlassungen genauso öde und geistlos wie die ewig humorlosen Frotzeleien der Gegenseite. Wie viele uninspirierte Glossen zu diesem Thema werden wir noch lesen müssen, in denen ja doch immer nur die Niedertracht der jeweils Anderen behauptet wird?

  • Ich gender wann und wo es mir gefällt. Und bin damit gerne Projektionsfläche für alle ("elitär", "woke", "weltverbesserungsuggerierend", "migrantenausschließend", "sprachverhunzend"), die aus welchem Grund auch immer eine nötig haben.

  • Wie abgefahren ist das denn?

    “ Seit diesem Schuljahr ist das Gendern an Schulen in Sachsen-Anhalt verboten. Formen wie Lehrer*in, Schüler_innen oder Bus­fah­re­r:in werden im Unterricht oder in offiziellen Schreiben als Normverstöße geahndet.”

    Ganz nach rechtsextremer AFD- Manier: Vater, Mutter Kind und …youtu.be/lsEc42m0Z...i=Oy8X8bpshfsTE3cD

  • Es sollte jedem selbst überlassen werden, ob er/sie gendert, oder nicht. Es spricht einiges für das Gendern, aber eben auch manches dagegen (erhöhen der Schwierigkeit für Migranten sich "korrekt" auszudrücken, Errichtung neuer Distinktionsmerkmale etc.).



    Behörden könnten vielleicht Texte in gegendeter und alternativ in herhömmlicher Sprache anbieten.

  • Und falls ein*e progressive Schüler*in oder Lehrer*in inklusiver kommunizieren will, wird die*derjenige beim parallel neuwiedergeschaffenen Morgenappell wegen unteutscher Umtreibe abgemahnt?



    Nuja, DDR 2.0. (Ja, ich weiß, hier im Osten plakatiert die AfD damit, jedesmal wenn ich des sehe, weiß ich, des des eigentlich deren Wählerstamm will: Ochlokratie-DDR+Westgeld+Ausweis mit dem mensch problemlos Preiswerturlaub in Ägypten oder der DomRep machen kann.)

  • Statt in platten Aktionismus zu verfallen sollten Gender-Befürworter wie Frau Prof. Hartmann lieber bessere generische Sprachalternativen entwickeln, die vielleicht sogar mehrheitsfähig sind. Generische Sprachformen sollten nun mal generisch sein und keinen Bezug zu welchem Geschlecht auch immer haben.



    Ich persönlich finde ein generischen "S" sympathisch, wie es im Plattdeutschen manchmal auftaucht ("Kinners" als Mehrzahlform von Kinder).

  • Schöner Text, vielen Dank dafür.

    • @Fallmanagerin:

      Jupp.

      "Oder wie kommt es, dass die meisten Wörter für schwache oder schwule Männer weiblich sind"

      Femininum oder Neutrum ("DAS Weichei" als Paradebeispiel einer doppelten Herabsetzung: ein Ding ohne funktionierende Klöten). War mir auch noch nicht bewusst.

      I learned something today :D

  • Statt Satzzeichen ins Wort zu streuen, würde ich viel lieber das englische Plural-S für diesen Zweck einstreuen. "Liebe Lehrers, Schülers und Busfahrers". Klingt doch nett und lässt sich sogar aussprechen.

    • @Der dreckich Katz:

      Dann haben Sie allerdings nur ein englisches Plural-s an männliche Formen gehängt und damit einfach einen falschen Plural Maskulinum. Nichts gewonnen.

  • Tipps aus der Bubble für die Bubble.

    Ich bin zu alt für den Scheiß.

    • @Jim Hawkins:

      Tipp aus der Bubble heraus: wenn Sie aktuelle Entwicklungen ignorieren wollen, halten sie wenigstens darüber den Schnabel.



      Oder wollen Sie unbedingt bestätigen, dass es ein Generationenkonfklikt sei? Super, erfolgreich Ihre ganze Generation als unflexibel und ignorant hingestellt.

      • @Mrs.V:

        Zunächst einmal, ich lasse mir nur ungern den Mund verbieten.

        Mich stört an diesem ganzen Sprachzirkus, dass er suggeriert, eine "gerechte" Sprache würde für eine gerechte Welt sorgen.

        Dadurch entstehen Sätze, die mir wie ein Hindernislauf vorkommen. Alle paar Worte ein Handicap, das den Sprachfluss stört. Und mehr als unmelodisch daherkommen.

        Ganz abgesehen von den zahlreichen Fettnäpfchen, die sich einmal im Monat verdoppeln.

        Kritisiert man das alles, dann ist man rechts oder eben unflexibel und ignorant.

        Und jetzt alle: Studierende, Schreibende, Menstruierende.

        Auf die Spitze treibt es Lann Hornscheidt:

        "Ens Käufer und ens Einkaufskorb."

        www.youtube.com/watch?v=ncSstwqi8v8

        • @Jim Hawkins:

          Genau und danke

    • @Jim Hawkins:

      Der Mensch lernt nie aus!



      Nicht dahin vegetieren, lieber Jim! Halte deinen Geist fit! :)

  • "Gender-Leitfaden meiner Uni...." stößt auch immer wieder an seine Grenzen mit den Umschreibungen. In aktuellen Stellenangeboten heisst es "Die*der Bewerber*in soll..."



    Also, nix mit nicht-binäre Inklusion. Nix mit generischem Femininum, welches selbst die Gesellschaft der Deutschen Sprache ablehnt.

  • Sehr schöner Artikel, danke für die Anregungen!