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Gerichtsverfahren gegen Donald TrumpDie völlige Verblödung

Die juristischen Probleme schaden dem Ex-Präsidenten bisher nicht, in Umfragen liegt er weit vorn. Auch andere Kandidaten sehen Fakten eher locker.

Er ist nicht allein: Polizeibilder von Trump und mit ihm angeklagten Po­li­ti­ke­r*in­nen Foto: Fulton County Sheriff's Office/reuters

Wenn es Wochen gibt, die eine Vorahnung darauf geben, was in den darauffolgenden Monaten in den USA zu erwarten ist, dann war das so eine. Knapp 15 Monate vor der nächsten Präsidentschaftswahl musste der führende Kandidat für die republikanische Nominierung im Gefängnis vorstellig werden und 200.000 Dollar Kaution hinterlegen, um nicht da bleiben zu müssen.

Und nur wenige Stunden zuvor zankten sich acht weitere Kan­di­da­t*in­nen – sieben Männer und eine Frau – vor den Kameras des konservativen Senders Fox News in einem Event, das fälschlich „Debatte“ genannt wurde, mit einer politischen Diskussion unter kenntnisreichen Erwachsenen aber wenig zu tun hatte.

Unter einigermaßen normalen Umständen hätten die US-Republikaner*innen so innerhalb von nur 24 Stunden aller Welt gezeigt, dass sie vollkommen unwählbar sind.

Aber die Umstände sind andere. Donald Trump, der inzwischen mit vier Strafverfahren kämpfende Ex-Präsident, liegt in allen Umfragen unter republikanischen Wäh­le­r*in­nen haushoch in Führung. Die Anklagen haben ihm nicht geschadet. Im Gegenteil.

Und selbst die meisten jener, die so tun, als wollten sie statt seiner für die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen im November 2024 gegen Joe Biden antreten, bekräftigen Trumps absurde Behauptung, all die Strafverfahren seien lediglich der Versuch der Biden-Regierung, mit der Waffe der Justiz einen politischen Widersacher zur Strecke zu bringen.

Es ist eine absurde Situation: Die USA demonstrieren gleichzeitig, dass ein Rechtssystem funktioniert und niemand über dem Gesetz steht – und das exakte Gegenteil. Wenn die Mehrheit der politischen Führung und der An­hän­ge­r*in­nen einer der zwei national relevanten Parteien die Legitimität unabhängiger Justiz in Frage stellen, dann ist das mehr, als ein System vertragen kann.

Auf der Diskursebene haben Trump – und seine Nach­ah­me­r*in­nen weltweit – die ewige Rolle des Opfers für sich gepachtet. Ein „Deep State“, so die Erzählung, also ein nicht demokratisch kontrollierter, nicht näher definierten „Elite“-Interessen dienender Apparat, verhindere jede Veränderung zugunsten eines angenommenen Volkswillens. Dazu seien dem System alle Mittel recht, insbesondere die Kontrolle der Medien und eben der Justiz.

Dieses Framing bringt die größte Errungenschaft gefestigter parlamentarischer Demokratien ins Wanken: Das Vertrauen in den Rechtsstaat – also einen Staat, der sich an das Recht hält. Ist das aber erst einmal eingerissen, ist es mit der Demokratie nicht mehr weit her, ihrer Zerstörung von innen sind dann kaum noch Grenzen gesetzt.

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Aber das ist nur eines der Dinge, die aus den medialen Ereignissen dieser frappierenden Woche in den USA zu lernen sind. Die sogenannte Debatte jener acht Kandidat*innen, der Trump selbst lieber fern blieb, zeigte noch etwas anderes: Der Infantilisierung und Verschrillung des öffentlichen politischen Diskurses scheinen keine Grenzen mehr gesetzt zu sein.

Donald Trump hat in seinen vier Jahren im Weißen Haus gezeigt, dass es möglich ist, Präsident zu sein, ohne auch nur in einem einzigen Moment staatsmännisch aufzutreten. Zuvor hatte er vollkommen unerwartet die republikanischen Vorwahlen mit einem einzigen Trick gewonnen: Aufmerksamkeit erzeugen um jeden Preis. So sehr Trump die Medien angriff, so sehr hatte er doch verstanden, wie sie funktionieren. Und sich das zunutze gemacht.

Klimawandel gibt es nicht

Und so ist es nicht verwunderlich, dass auf der Bühne bei der republikanischen Kan­di­da­t*in­nen­de­bat­te in Milwaukee am vergangenen Mittwoch ausgerechnet jener von den meisten Kommentatoren zum Debattensieger erklärt wurde, der diese Methode am perfektesten kopierte: Der 38-jährige Unternehmer Vivek Ramaswamy erklärte, er sei der einzige nicht von fremden Interessen bezahlte Kandidat, Klimawandel sei ein „Hoax“, ein Schwindel.

Es würden mehr Menschen an der Anti-Karbonisierungspolitik sterben als an den Folgen der Erderwärmung, die Militärhilfe für die Ukraine müsse gestoppt und das Militär stattdessen zur Migrantenabwehr an die US-Südgrenze geschickt werden. Außerdem: Man kenne bis heute nicht die Wahrheit über die Hintergründe der Anschläge vom 11. September 2001 und die USA sollten aufhören, Israel zu unterstützen.

Das war noch ein bisschen verrückter als Trumps Versprechen von 2016, er werde eine Mauer bauen, für die Mexiko bezahlen würde, Muslime nicht mehr ins Land lassen und dafür sorgen, dass Hillary Clinton im Gefängnis lande, aber es funktionierte.

Vollkommen erwartbar zog Ramaswamy wütende Angriffe aller anderen Kan­di­da­t*in­nen auf sich, was wiederum gut für ihn war: Nach den Regeln der Debatte darf sich verteidigen, wer angegriffen wird, und so bekam er mehr Sendezeit. Wer vor der Debatte noch nie von ihm gehört hatte, hat ihn jetzt auf dem Schirm. Dass er außerdem erklärte, Donald Trump unmittelbar zu begnadigen, brachte ihm auch noch einen freundlichen Kommentar des Frontrunners ein.

Der liegt indes auch nach der Debatte mit rund 54 Prozent Zustimmung unter der republikanischen Wäh­le­r*in­nen­schaft so weit vorn, dass niemand das Gefühl hatte, in Milwaukee werde ernsthaft um die Kandidatur gestritten. Stattdessen waren sich die meisten Analysten einig in der Einschätzung, es ginge eher um die Möglichkeit einer Berufung zum „Running Mate“, also der Vizepräsidentschaftskandidatur, beim Kandidaten Trump. Lediglich Chris Christie, Ex-Gouverneur von New Jersey, Mike Pence, Trumps früherer Vize, und Asa Hutchinson, Ex-Gouverneur von Arkansas, grenzten sich so klar von Trump ab, dass sie dafür nicht in Frage kommen – aber ihre Chancen auf einen Sieg in den Vorwahlen gehen gegen Null.

Im Ergebnis heißt das aber: Bis beim sogenannten Super Tuesday am 5. März 2024, an dem republikanische Vorwahlen in 15 Bundesstaaten gleichzeitig stattfinden, die Kandidatur endgültig entschieden sein dürfte, wird der öffentliche Diskurs auf allen Kanälen geflutet mit politischen Forderungen und „alternativen Fakten“, die sich samt und sonders im Rahmen des Trumpismus bewegen oder gar noch schriller sind als das Original.

Verblödung politischer Debatten

Was da auf die Welt zurollt, ist eine neue Welle der Verflachung und Verblödung der politischen Debatte. Das wiederum hat selbst dann Folgen, wenn Joe Biden im November 2024 klar wiedergewählt werden sollte. Denn die multiplen Krisen, allen voran die Klimakrise, verlangen überall auf der Welt komplizierte gesellschaftliche Aushandlungsprozesse und offene Debatten.

Notwendige Transformationen sind aber nicht zu bewerkstelligen, wenn wesentliche Ak­teu­r*in­nen sich von ernsthafter Diskussion verabschieden und ihre An­hän­ge­r*in­nen gleich mit in die Parallelwelt der alternativen Fakten ziehen. Der Schaden ist größer als womöglich das Wahlergebnis.

Dazu kommt: Die USA sind nicht irgendein Land. Irrsinnige Wahlkämpfe mit befremdlichen Forderungen gibt es in vielen Teilen der Welt – aber kaum irgendwo können sie eine solche internationale Strahlkraft entwickeln. Was in den USA politisch geschieht, kommt auch in Europa an – zum Teil dank digitaler Vernetzung auch in umgekehrter Richtung. Das heißt: Wenn in den USA Grenzen des Sag- und Denkbaren eingerissen werden, werden sie auch in Europas Demokratien brüchig.

Das ist zum Teil gezielt und gewollt: Nicht umsonst taten sowohl Trumps einstiger Chefstratege Steve Bannon als auch sein zeitweiliger Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, viel dafür, rechtsnationalistische Bewegungen und Parteien in Europa zu vernetzen. Nicht umsonst gleichen sich die Diskurse und die Verschwörungserzählungen an, von der Warnung vor dem „Great Reset“ bis zum angeblich geplanten „Bevölkerungsaustausch“.

Bemerkenswert ist in den USA, dass die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen laut nahezu aller Umfragen am allerwenigsten mit dem punkten können, was zumindest etliche von ihnen in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt haben: Anti-Abtreibung, verstaubte Familienbilder, „Anti-Wokeness“. Im Mittelpunkt der Sorgen stehen Inflation und Wirtschaft, gefolgt tatsächlich von Migration.

Das kann die Biden-Regierung ernstnehmen und schlicht versuchen, durch möglichst gute Regierungspolitik Abhilfe zu schaffen. Nur: Das mag eine notwendige Bedingung dafür sein, den grassierenden Irrsinn einzudämmen. Ob es reicht, Menschen aus dem Rabbit Hole der Parallelwelt zu reintegrieren, ist keineswegs gesichert.

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22 Kommentare

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  • Donald Trump und seine Mafia-Verbindungen und Phantasien sind eine die Republikaner blendende toxische Beziehung.



    Er hat nicht nur das zweifelhaft erworbene, von seinem Vater vererbte Vermögen so gut wie durchgebracht. Er hat auch vor, sich von den ihm bevorstehenden Prozessen zu entziehen, indem er die Demokratien in den USA und anderswo durch sein Verhalten und Falschbeschuldigungen, Stickwort Wahlbetrug und Einschüchterungen von Menschen, mit immer wieder neuen medialen Finessen gefährdet.



    Wer seinen Werdegang genau nachliest, erkennt, dass es sich um einen Betrüger im großen Stil mit einem Netzwerk von Abhängigen und gegenseitigen Nutznießern handelt.



    Die Grand Old Party wird daran vermutlich zugrunde gehen.

  • Als Kind der Aufklärung basiert die Demokratie auf dem freien und freiwilligen Gebrauch des eigenen Verstandes. Was, wenn über 50% der Wähler dieses Recht nicht in Anspruch nehmen wollen? Eine Wahlrechtsreform, die je nach politischer und gesellschaftlicher Bildung und Teilhabe differenzierte Stimmrechte vergibt, könnte zumindest helfen, die Grundrechte einer Verfassung zu garantieren.

    • @Prayn:

      Wir können die Demokratie auch gleich ganz abschaffen und noch solche Menschen "wählen" lassen, die absolut konform mit dem Führer, großen Denker oder Zentralkommitee sind. Suchen Sie sich was aus.

    • @Prayn:

      Demokratie ohne Demokraten funktioniert nicht, daran würde auch ein Zensuswahlrecht nichts ändern. Es würde nicht nur grundsätzliche Zweifel an der Legitimität des Systems befeuern, sondern vor Allem auch etliche Communities benachteiligen die dem Trump-Lager eher fern stehen.

  • Ich bin sicher, Trump hat einige Stunden vor dem Spiegel zugebracht, um den „richtigen“ Gesichtsausdruck einzuüben. Um hiermit jenen, die ihn vor Gericht (und danach in den Knast) bringen wollen, zu signalisieren: „Seht euch bloß vor! Wenn ich erst wieder Präsident bin, dann . . .“

  • Was ich viel interessanter fände: Wieviele potentielle Wählerinnen und Wähler schauen sich solche Debatten überhaupt an? Haben sie außerhalb der bubble des Politjournalismus überhaupt eine nennenswerte Relevanz? Als wirklich Politikinteressierte weiß man doch, dass das professionelles Krawalltheater ist und keine Aussagen von Substanz zu erwarten sind. In D ist es noch nicht so niveaulos, aber Söder, Merz und die AfD arbeiten ja daran...

    • @CarlaPhilippa:

      Zumindest wissen wir eines: laur ARD haben sich die “Debatte” der 8 republikanischen Kandidaten etwa 24 Mio. Amerikaner auf Fox angesehen, das gleichzeitig auf X (Twitter) ausgestrahlte Trump-Interview mit Tucker Carlson 130 Mio (!). Das sagt eigentlich alles.



      www.fr.de/politik/...r-zr-92476720.html



      Aus Twitter wird X, sonst ändert sich nix.😉

  • Die Justiz ist nicht frei, sondern ein Machtinstrument der jeweils herrschenden Klasse. Das ist ein Hauptmerkmal des westlichen Kapitalismus.

    • @Alterchen:

      Kapitalismus ist eine Farce

  • Danke! Jetzt, glaube ich, habe ich endlich komplett verstanden, wie die Machtergreifung à la Steve Bannon funktioniert. Es fehlen aber noch die Privatmilizen, damit sich Trump als Retter vor dem Hintergrund eines blutigen Bürgerkriegs präsentieren kann. Und nein, es macht mir gerade keine gute Laune, dass die vielen US-Amerikaner ihr eigenes Staatswesen entweder für so unerschütterlich oder aber für so entbehrlich halten, dass sie glauben, es locker als permanenten Witz abtun zu können.

  • AgD oder CSU light?

  • Es ist wie ich es immer sage: Trump ist ein Showman und wer ihm einen Bühne bietet, ist selber Schuld.

    • @Gerald Müller:

      Die Amerikaner können ja noch nicht einmal ihre Polizeifotos richtig belichten. Was soll aus dem Land bloß noch werden ...

    • @Gerald Müller:

      So gelassen kann ich das nicht sehen, bei fokus.de las ich:



      "Einerseits kann nun jeder die detaillierten, differenzierten und zutiefst überzeugenden Ausführungen nachlesen, um sich selbst ein umfassendes Bild machen zu können. Andererseits, und das ist bemerkenswert, geht es in dem Buch vorrangig nicht darum, eine Krankheitsdiagnose, wie es die meisten Medien berichtet haben, zu stellen sondern um die Analyse der psychologischen und sozialpsychologischen Mechanismen, die hinter Trumps Welt- und Menschenbild stehen und die auch auf unser aller Welt- und Menschenbild Einfluss nehmen."



      Zu dem Buch



      "WIE GEFÄHRLICH IST DONALD TRUMP?"



      //



      Dass der mächtigste Mann der Welt aus einer unterkomplex angefütterten öffentlichen Diskussion reüssieren könnte, gibt mir zu denken.



      Bei den Worten "Eliten und Republikaner" bekomme ich Bauchschmerzen.



      deutschlandfunk.de 2018



      "Trump und Putin



      „Prädestiniert für eine Männerfreundschaft“



      US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin treffen sich am Montag in Helsinki. Russland komme entgegen, dass Trump versuche, die westlichen Partner zu schwächen, sagte die Politologin Sabine Fischer im Dlf. Im Verhältnis beider Länder gebe es allerdings auch viele Probleme."



      Auf derartige Avancen bezüglich Sympathien mit und unter Antidemokraten kann ich verzichten, der Deal-Maker ist eine sehr, sehr gefährliche Persönlichkeit, alles andere als ein "Very Stable Genius'".

  • Deshalb knausern FDP und CDU an Bildung so herum?

    • @tomás zerolo:

      Das ist bloß eine Nebenwirkung, im Vordergrund geht es darum, willige Arbeitnehmer und Konsumzombies zu haben.

    • @tomás zerolo:

      Ganz genau deshalb. Deren "Begründungen" sind oft längst auf diesem Niveau und - deren Machtgeilheit ebenso....

      • @Perkele:

        Volle Zustimmung!

  • Die Demokraten haben bis heute nicht begriffen, dass ihnen ihre völlig verbiesterten verbissenen vergeblichen Versuche Trump irgendetwas anzuhängen egal was nichts nutzen. Hätte man ihn 2020 in Ruhe gelassen, er würde einfach nur Golf spielen. Wenn die wider erwarten 2024 gewinnen, werden sie den selben Fehler nochmal machen und Trump tritt 2028 nochmal an.

    • @Wes:

      Hä? Wer hat denn wen 2020 nicht in Ruhe gelassen?

    • @Wes:

      Ach, stimmt ja: Trump ist das Opfer.



      Er hat bloß versucht, die Demokratie zu zerstören. Aber es reichte nur für eine Beschädigung. Da sollte man jetzt nicht so´n Aufreger draus machen ...

    • @Wes:

      Wie bitte?



      "Versuche Trump irgendetwas anzuhängen"



      Soweit ich das Verstehe hat das 'stable genius' seine herbeigerufenen Anhänger angestiftet zum Capitol zu ziehen. Dabei wusste er dass einige davon bewaffnet waren.



      Er sagte dieser Menge dass er mit ihnen zum Capitol ziehen werde, würde aber von seinem Personenschutz daran gehindert.



      Wenn die Ereignisse in den USA als Reichstagsmoment bezeichnet wurden dann ist es wohl nicht irgendwas das man Trump versucht anzuhängen.

      PS: seit über hundert Jahren wurden erdbeerblonde* Präsidenten nicht wiedergewählt.

      Lt. CNN:Jail records listed him at 6 foot 3 inches tall and weighing 215 pounds, with blue eyes and blond or strawberry hair. His booking number was P01135809.