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Plan von Finanzminister LindnerWie Aktien die Rente retten sollen

Die Aktienrente steht im Koalitionsvertrag und nimmt langsam Gestalt an. Aber ob das Projekt den Anstieg der Beiträge dämpfen kann, ist unklar.

Finanzminister Lindner will die Aktienrente in Deutschland Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Berlin taz | Das Verhältnis der Deutschen zu Geldanlagen an den Börsen ist vor allem bei den älteren Jahrgängen von Skepsis geprägt. Bei den jungen Leuten sieht es schon anders aus, spätestens seitdem sich Aktiensparpläne unkompliziert über das Smartphone abwickeln lassen. Und ausgerechnet die kritischen Jahrgänge im oder nahe am Rentenalter sollen nun ihre Altersvorsorge von den Entwicklungen an den Aktienmärkten abhängig machen? So könnte die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an den Start gebrachte Aktienrente zumindest missverstanden werden.

Zwölf Milliarden Euro pro Jahr will Lindner dafür in den kommenden Jahren locker machen. Das Geld dafür borgt sich der Bund an den Kapitalmärkten. So soll eine „Stiftung Generationenkapital“ entstehen, die bis Mitte des nächsten Jahrzehnts einen dreistelligen Milliardenbetrag erreichen soll, von 200 Milliarden ist die Rede. Dazu will Lindner auch Bundesbeteiligungen an die Stiftung übertragen. Genaueres sagt er dazu nicht. Aber es kommen zum Beispiel die Beteiligungen an der Post oder der Telekom dafür infrage.

Die politisch unabhängige Stiftung soll das Vermögen verwalten und gewinnträchtig an den Börsen anlegen. „Sie legt in unserem Auftrag das Geld von uns allen an“, erläutert der Minister. Die Idee: Der Staat zahlt für den Aufbau des Stiftungskapitals beispielsweise zwei Prozent Zinsen. Die Stiftung erzielt mit den Anlagen dann eine Rendite von fünf Prozent. Davon überweist sie die Zinsausgaben des Staates an den Bund. Der Rest, im Beispiel drei Prozent des Vermögens, fließt in die Rentenkasse.

So will die FDP den Beitragssatz zur Rentenversicherung stabilisieren, wenn immer weniger Arbeitnehmer steigende Rentenausgaben finanzieren müssen. „Nichtstun ist keine Option“, sagt Lindner.

Zu wenig Kapital für echten Effekt?

Doch hat die Aktienrente noch einige Haken, die für viel Kritik sorgen, selbst in den Reihen der Ampelkoalition. So täuscht die Größe des Staatsfonds über dessen möglichen Beitrag zur Stabilisierung der Beiträge. Den Prognosen zufolge wird der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent des Bruttolohnes in den nächsten zehn Jahren auf über 21 Prozent ansteigen. Um ihn um einen Prozentpunkt zu drücken, müsste der Fonds eine jährliche Dividende von 17 Milliarden Euro einbringen.

Nach einer Berechnung des grünen Rentenexperten Markus Kurth müsste dafür ein Kapital von 567 Milliarden Euro zusammenkommen. Kurth stellt das Vorhaben auch aus verfassungsrechtlichen Gründen infrage. Es würde das Vertrauen in das geltende Umlageverfahren untergraben und Verzerrungen an den Finanzmärkten nach sich ziehen, glaubt er.

Stattdessen plädiert er für eine Stärkung der Einnahmen der Rentenkasse aus Beiträgen, zum Beispiel durch eine höhere Frauenerwerbsquote, bessere Löhne und gesündere Arbeitsbedingungen. Auch der DGB lehnt den Einstieg in ein solches teilweise kapitalgedecktes Rentensystem ab.

Mit der privaten Altersvorsorge hat das Generationskapital nichts zu tun. Die Regel dazu sollen gesondert reformiert werden. Die Riester-Rente wird nach Vorschlägen einer Expertenkommission so verändert, dass auch Aktienfonds verstärkt zur Vermögensbildung beitragen können. Das wäre aber völlig unabhängig von der Entwicklung des gesetzlichen Rentensystems.

Die Aktienrente wird Teil eines Gesetzespakets sein, das Lindner zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den kommenden Wochen auf den Weg bringen will. Sie ist auch ein Zugeständnis des Koalitionspartners SPD. Denn Heil will im Gegenzug beim Rentenniveau eine Untergrenze von 48 Prozent einziehen. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis einer Durchschnittsrente zum Durchschnittsverdienst, sagt also nichts über den individuellen Rentenanspruch aus.

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18 Kommentare

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  • Also diesem Herrn Lindner (FDP) würde ich mein Geld definitiv nicht anvertrauen, im Hintergrund Herr Kubicki mit der Rechtsvertretung von Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäftsmodellen.



    Ich erinnere mich, als der Staat die Telekom/Post-Aktien für den kleinen Mann anpries, die dann den Bach runter gegangen sind, oder gar die Riesterrente, als Geldvernichtungsgeschäft für Bürger, die aber riesen Gewinne für die Banken generierte.



    Nun, wo Lindner in Multikriesenzeiten an der Schwarzen Null festhält, aber gleichzeitig Fördergelder an Reiche " spreddert", bei gleichzeitigem massiven Reform- und Investitionsstau, der unser Land in eine Deindustralisierung stürzt, da soll nun massiv in Aktien investiert werden, als ob Wachstum auf dieser Basis selbstverständlich sei?



    Das führt doch wieder nur dazu, dass gegen Deutschland oder die EU (Euro) spekuliert wird.



    Verschiebungen der Finanzmärkte sind doch die Folge, und das würde ich diesen FDP-Männern, wie Herrn Lindner und Herrn Kubicki definitiv nicht überlassen wollen.

  • Wenn man die Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung z.b. von 2021 mit 350 Mrd. Euro nimmt und von einer Aktienrendite von 5 Prozent ausgeht, benötigt man dafür eine Aktienkapital von 7 Billionen Euro. Das dauert dann schon eine Zeit, bis man das aus den laufenden Rentenbeiträgen und dem Bundeszuschuss zusammen hat. Man sollte dann auch nicht vergessen, die laufende Renten müssen währenddessen weiter gezahlt werden und für die Beamtenversorgung müsste man dann ja auch so ein Projekt angehen.



    Also eher ein Jahrhundertprojekt oder neoliberale Spinnerei der FDP.



    Ich hätte da aber eine Idee: wir versuchen das erst einmal mit den Versorgungsbezügen (Pensionen) der Bundes- und Landespolitiker. Wenn dann die Versorgungsbezüge die nächsten hundert Jahre auf 20 Prozent vom letzten Nettoeinkommen sinken, kann das ja nicht schlimm sein, war ja die eigene "tolle" Idee, oder ?

  • Für dieses Konzept müssten zumindest Scholaf und Lindchris mit Gefängnis bestraft werden. Es ist eine Frechheit, den Menschen auch noch diese Bürde aufzuerlegen. Geht doch endlich mal alle für mehr soziale Gerechtigkeit auf die Straße! Das rate ich als Ökonom.

  • Allein die Ankündigung der Aktienrente finanziert aus öffentlichen Mitteln, anno 10 Milliarden € durch FDP Bundesfinanzminister Christian Lindner und seit Wochen befeuerte Debatte hat die Aktienkurse an Börsenplätzen auf neue Höchststände in Depots getrieben als ob es kein Morgen gibt und dadurch den Zugang zu Aktienvermögen für überwiegenden Teil unserer Bevölkerung unerschwinglich noch teurer gemacht. Gleichzeitig haben AWD Finanzdienstleister & Co Marke Carsten Maschmeyer wie bei Ankündigung der Riesterrente 2002 mit Einführung Euros, rotgrüner Arbeitsmarktreform Agenda 2010/Peter Hartz4 Gesetzen 2003 in ihren Luxus Lofts, Penthouses, Jachten mit Blick auf ihre sprudelnden Kassen durch die Aktienrente die Sektkorken knallen lassen, ohne Ende jubelnde Hurras auf ihren forschen Porsche Teufelskerl Lindner in die Gegend gebrüllt, ohne Erbarmen mit den armen Nachbarn, weil der sich, wider alle fiskalische, finanz-, geld-, währungspolitische Vernunft wie bestellt was traut bis der Arzt kommt oder die Polizei wg. öffentlicher Ruhestörung am helllichten Tag

  • taz: "Wie Aktien die Rente retten sollen"

    Es gibt immer ein Risiko, wenn es um Aktien geht (z.B. Aktienkrisen, bei denen die Kurse fallen und angelegtes Kapital zum Teil erheblich an Wert verliert), aber davon erzählt FDP-Lindner den Bürgern lieber nichts.

    • @Ricky-13:

      Die Fondmanager verdienen immer, die Berufsempfehlung für die Zukunft.

  • Das wäre endlich ein Modell, bei dem die künftigen Rentner für sich selbst einzahlen und vorsorgen und nicht alles nur den folgenden Generationen aufbürden. Somit ein sehr gerechtes Modell.

    • @Pfennig:

      Wie alt sind sie denn?

    • @Pfennig:

      warum nicht gleich aufs eigene Sparbuch einzahlen? Mit den steigenden zinsen kommt da vielleicht auch was zusammen... und wenns nicht klappt, weil die Zinsen nicht steigen,naja Pech gehabt, jeder sorgt halt für sich selbst...



      So etwas kann bei Aktien zum Glück nie passieren, die steigen immer...

  • ... und dann war doch da noch die "Riesenpleite" von Rentenfonds in den USA, die Millionen Rentner mal einfach so ihre gesamte Altersversorgung gekostet hat !!!



    Außerdem:



    Herrliche Jobaussichten für die zukünftigen "Chefs" der Stiftung (Aufsichtsrat, Vorstand, ... super Alterssicherung für abgehalfterte Politiker !?).



    ... und mit 5% Rendite bis in alle Zukunft zu rechnen, erfordert schon einen mutigen Mann (hier Lindner, der für die Folgen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann !)).



    Für die Kapitalgeber, Versicherungen etc. herrliche Aussichten und Lohn für jahrelange mühevolle Lobbyarbeit !!

  • 12 Mrd. Euro pro Jahr...



    Um auf die Größe des norwegischen Pensionsfonds, hochgerechnet auf die größere deutsche Bevölkerung zu kommen, müssten 17 Billionen Euro zusammenkommen. In dem Tempo also ca. 1.400 Jahre.

  • Weder die Rente, Wohnungsmarkt oder Lebensmittel dürfen auf dem Aktienmarkt gehandelt werden.

  • Das ist doch das, was mensch haben will: Eine Rente, deren Höhe (oder Tiefe) vom Erfolg von Firmen wie Wirecard abhängig ist...

  • Ich orientiere mich nicht an Versprechen, sondern an Erfahrungen. Dadurch bleibt für mich zunächst die Frage offen, ob die Aktien die Rente retten sollen oder ob mal wieder eine weitere Idee geboren wurde, wie man mit der Rentenkasse marode Aktienunternehmen retten könnte.

    • @wxyz:

      Wie kommen Sie auf die Idee, dass mit den Sparplänen in marode Aktienunternehmen investiert werden soll?

  • "Nach einer Berechnung des grünen Rentenexperten Markus Kurth müsste dafür ein Kapital von 567 Milliarden Euro zusammenkommen."

    soso, die Hälfte des norwegischen Staatsfonds, Norwegen ist ein Erdölexporteur, das nicht weiß wohin mit seinem Geld und hat Jahrzehnte gebraucht um so groß zu werden und Lindner will mit Peanuts die Rente retten, die obendrein kreditfinanziert sind...?



    Bevor da was in die Rente fließt, fließt das Geld erstmal woanders hin.



    Wenn aktenkoffertragende Schüler von Wirtschaft träumen, funktioniert das vielleicht...



    Selbst wenn man in Aktien geht, das tut man mit Geld das man zu viel hat, das nicht wehtut wenn`s schief geht. Steht in jedem Ratgeber für Aktieninteressierte...



    Es ist schon interessant, wie Lindner/FDP eigene rote Linien über Bord wirft wenn`s nur in die gewünschte Richtung geht.

  • Ein ausgewogener Bericht zu einem Finanzthema, hier auf diesem 'Sender'. Gut!



    Ja, die Höhe der Einlagen bzw. Anlagen für einen spürbaren Effekt müsste gigantisch sein. Mehrere hundert Milliarden, besser Billionen wären nötig um bei inkl. der Kurszuwächse 6% pro a zu landen und dann irgendwie 100 Mrd in die Rentenkasse zu bekommen. Eine Generationenaufgabe.



    Und bestehende Telekom und Dt. Postanteile da einbringen? Dann wird deren Dividende eben im Fonds verbucht anstatt wie jetzt im Bundeshaushalt... ein Trickchen hier von Hern Lindner das Thema zu starten ohne echtes Geld hinzulegen.



    Die Idee grundsätzlich ist gut, andere Staaten machen das vor und es funktioniert.

  • Das wird dann ungefähr so erfolgreich wie der "Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung". Von den 24 Mrd., mit denen sich die Atombranche von ihren Verpflichtungen freigekauft hat, waren zu Ende 2022 noch 21,7 Mrd. übrig (Quelle: bit.ly/3KB0SYS).



    Eins ist sicher: Die Rente ist es nicht.