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Jeden Morgen eine Runde durch den ParkAb wann sagst du Hallo zu Fremden?

Wer joggen geht, sieht immer gleiche morgendliche Parkgruppen. Irgendwann grüßt man sich. Oder lieber nicht? Unsere Kolumnistin sucht eine Antwort.

Klarer Fall: Kein Mensch da beim morgendlichen Joggen – kein Morgengruß fällig … Foto: Julian Stratenschulte/dpa

E s ist wie jedes Jahr im Sommer – plötzlich sind alle weg, außer mir. Die Stadt ist wie ausgeleert, keine Familien, kaum Teenager, außer den Tou­ris­t*i­nnen am Hafen natürlich. Und zurück bleiben ich und die Rentner*innen, die vielleicht im Herbst verreisen oder nirgendwo mehr hin. Aus dem Drang heraus, etwas in dieser entvölkerten Stadt anzufangen, habe ich wieder mit dem Laufen begonnen. Es kam daher, dass ich im Fernsehen eine Sendung über den Nutzen von Sport sah. Nicht dass ich von dem Nutzen von Sport noch nichts gehört hätte, aber nun weiß ich: Kranke Mäuse, die in einem Laufrad rumrennen, kommen besser damit zurecht als die, die kein Laufrad benutzen.

Mein Gott, auch ich möchte zu der Gruppe der weniger kranken Mäuse gehören und drehe nun früh im Park meine Runden. Jeden Morgen, bevor ich das Tor passiere, treffe ich auf dieselben Menschen. Ich komme auf sie zu, da krächzt einer, „Moin, Rosi, kannste wieder laufen, oder was!“, Räuspern, Husten, Spucken, sie sind alle noch ganz schrecklich müde, man sieht es ihnen an, aber: „Nützt ja nix. Muss ja.“ Natürlich begrüßen sie nicht mich, sondern eine, die gerade hinter mir mit ihrem Gehwagen angeschlurft kommt.

Just kommt mir der Gedanke, ob auch ich irgendwann anfangen werde, diese Menschen zu grüßen, wie man das eben macht mit Leuten, denen man regelmäßig begegnet, durch die man täglich hindurchjoggt. Natürlich tue ich das nicht, weil ich finde, dass sie zu einer anderen Gruppe gehören als ich. Ich gehöre zu der Gruppe derer, die im Park morgens ihre Runden drehen. Es gibt noch die Gruppe, die ein Baby vor sich geschnallt herumträgt. Es gibt die, die bei der Stadt angestellt ist und die Mülleimer leert. Und es gibt die ganz frühe Tai-Chi-Gruppe.

Das sind im Großen und Ganzen die frühmorgendlichen Parkgruppen, eine Stunde später kommen dann schon die Rentner*innen, die nichts tun, als in der Sonne sitzen; die Er­zie­he­r*in­nen mit ihren Krippenwagen; bald dann schon die Ersten, die eine Decke ausbreiten, und außerhalb gibt es natürlich noch unendlich viele mehr, Millionen, würde ich meinen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Menschen, die sich täglich begegnen

Die Gruppe, die sich morgens vor dem Park trifft, ist eine Gruppe von Süchtigen. Natürlich sind sie mehr als das, es ist nur eine Facette ihrer Persönlichkeit, die, die mir an ihnen sichtbar wird. Sie beachten mich gar nicht, sie sind ganz aufeinander fokussiert, während ich zwischen ihnen hindurchjogge, so als wären nur sie selbst füreinander wichtig, und auch ich versuche ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich zu lenken, sondern ihren Pulk unsichtbar zu passieren.

Und dennoch denke ich täglich darüber nach, sie eines Tages zu grüßen, als wären wir Menschen, die sich täglich begegnen, die sich auf diese Weise ja auch irgendwie kennen, denn schließlich zeigen wir uns, in diesem kleinen Ausschnitt, auch jeden Tag ein bisschen ein anderes Bild von uns, ein anderes Äußeres, eine andere Stimmung.

Und ich mache mir Gedanken über sie: Warum stehen sie immer hier, vor dem Park, warum treffen sie sich nicht drinnen? Mögen sie sich, sind sie befreundet oder verbindet sie nur ein Interesse? Wie würden sie reagieren, wenn ich plötzlich damit anfinge, sie zu grüßen? Was ist das überhaupt für eine merkwürdige gesellschaftliche Vereinbarung, die uns einander grüßen lässt oder eben nicht?

Ich bin verunsichert und frage mich, woher dieser plötzliche Grüßdrang kommt. Liegt es daran, dass sie auch noch hier sind, mit mir, und nicht auf den Kanaren oder am Comer See?

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18 Kommentare

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  • Grüßen, einfach grüßen, manchmal freut sich das Gegenüber, grüßt oder lächelt, mancher ist perplex, mancher grüßt nach vielen Malen zurück.



    Grüßen verbindet ganz unverbindlich mit den Menschen um einen herum. Es ist nicht mehr soooo anonym, das geht auch in der Großstadt,das hab ich beim Joggen in Düsseldorf gelernt. Jetzt aufm Land in Dorf und Kleinstadt sowieso, auch beim Wandern oder Radeln.



    Je älter ich werde, desto ungenierter grüße ich, und manchmal wird sogar n Schwätzchen draus.



    Der Mensch ist ein soziales Wesen, das fängt bei Moin, Hallo, Tach, Servus an. Tut nicht weh und ich bin mir sicher, dass es zur sozialen Sicherheit und zu einer guten Nachbarschaft in Straße und Park beiträgt. Also, immer drauflos gegrüßt, was kann denn schlimmstenfalls passieren?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Dort, wo ich laufe, begegne ich selten anderen Läufer*innen oder Spaziergänger*innen. Muss ja auch niemand sehen, wie ich mich quäle. 🏃 Wenn doch Gegenverkehr auftritt: „Moin.“ Vor dem Überholen gebe ich natürlich Laut, da ich niemanden erschrecken will.



    An der Alster wären es mir einfach zu viele Begegnungen.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Schonn. But

      Laß doch der Jugend ihren Lauf.



      www.youtube.com/wa...hyZW4gbGF1Zg%3D%3D



      (entre nous only - Alster - Grüezi - 🏃‍♀️ 🏃‍♀️



      wg dem Hans-Grahl-Weg hab ich nicht Hermann Preys Version angeführt! - 🙀🥳 - Gelle.;))

  • Ich grüße unterwegs manchmal Menschen, die ich gar nicht kenne und och nie gesehen habe. Meistens grüßen sie zurück. Und wenn nicht, dann kann ich trotzdem schlafen.

  • Hallo Jungs, ich bin bei Euch:



    "Es ist doch das normalste von der Welt, dass man Leute grüßt, wenn man ihnen mehr oder weniger regelmäßig über den Weg läuft."

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Ich vergass: "regelmäßig IN DER FREMDE über den Weg läuft"



      Das gilt auch beim Ausführen des Hundes 🐕 🐕 🐕

  • Kommunikation findet auf der Grenze statt! Ach was! ©️ Vagel Bülow

    “Ich bin verunsichert und frage mich, woher dieser plötzliche Grüßdrang kommt. Liegt es daran, dass sie auch noch hier sind, mit mir, und nicht auf den Kanaren oder am Comer See?“

    Heiliger Strohsack! Wollnichwoll.



    Die eine kann die Bemme - det Dubbel - die vom Gegenüber morgens geschmierte Doppelscheibe Brot nicht annehmen! Gelle. - 🥳🙀 -



    Die andere kriegt frühmorgens den Rohrkrepierer di 🧠 van Klemmi - übers sich einfach freundlich zeigen - wie genau auch immer!

    kurz - Booey - Was ihr beede habt?



    Na. Rad ab - Inne Großstadt •



    Na aber Si’cher dat. Dat wüßt ich ever!



    Da mähtste nix. Newahr.



    Normal

    • @Lowandorder:

      Da schließe ich mich gleich mal an.

      Es ist doch das normalste von der Welt, dass man Leute grüßt, wenn man ihnen mehr oder weniger regelmäßig über den Weg läuft.

      Früher bin ich auch gejoggt, jetzt habe ich "Knie" und es geht nicht mehr.

      Ich habe seinerzeit jeden gegrüßt, spätestens bei der dritten Begegnung, sogar die Weicheier, die im Spätsommer angezogen waren, wie ich im tiefsten Winter.

      • @Jim Hawkins:

        anschließe mich - jedoch -

        Bei einem gelang‘s mir nicht.



        Als das noch Laufen hieß - als Ausgleichssport & Konditiontanke zum Kraftausdauersport Rudern.



        In den Wallanlagen von Lübeck - schon in der Dämmerung - einer - der einen auch nicht näher kommen ließ!



        Er pfiff/spielte wahnsinniges Zeugs classic - Auf einer Luftpumpe!!! - 🙀🥳 -



        Kamst du ihm näher - schlug er sich - hastenichtgesehen in die Büsche - ab ins Unterholz! Weg! Er blieb zu meinem großen Bedauern - ein Rätsel.

  • ...klaro - Grüßen & Lachen - oft sieht man sich nach dem Jogging noch anschließend beim Bäcker zum Schwätzchen ...laaaach

  • Gar nicht schwer. Menschen, denen ich in der Natur begegne - ob regelmäßig oder nicht - grüße ich mit einem freundlich-norddeutschen "Moin "und die meisten grüßen freudig (und manchmal etwas erstaunt) zurück.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Natürlich grüßt man sich! Das ist einfach freundlich.

    Das dürfte übrigends einer der Gründe sein warum uns Migranten als unfreundliche und unsozial empfinden. Selbst "Die Welt" schreibt heute darüber.

    Also bitte immer ein freundliches "Guten Morgen!","Hallo";"Wie gehts?" auf den Lippen. Auch in der Stadt.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Wenn fremde Menschen mich aus dem Nichts fragen, wie es mir geht, bin ich eher irritiert als erfreut.

  • Eigentlich grüße ich jeden der mich anschaut. In Berlin war das nie ein Problem, aber in Brandenburg wird man häufig nur verständnislos angeguckt oder es wird betreten an einem vorbeigestarrt.

    • @Pepi:

      Mit meinen Thüringer Erfahrungen kann ich nur raten, hartnäckig weiter zu grüßen, irgendwann grüßt dann auch der/die größte Muffel*in zurück.

  • Man kann sich ja Probleme auch konstruieren.



    Ich jogge auch fast täglich am Morgen eine 8KM-Runde und treffe dort regelmässig unseren Postboten und ein Handvoll Hundeausführer. Ja, die grüße ich, auch wenn es nur bei einem Lächeln mit Kopfnicken bleibt, weil ich immer Kopfhörer auf habe. Die freuen sich, ich freue mich und gut ist es. Und falls jemand nicht auf meinen Gruß reagiert, lasse ich es bei nächsten Mal. Auch gut.

    • @Stefan L.:

      Hier wird doch gar kein Problem konstruiert. Es handelt sich um soziologisch- philosophische Überlegungen zum Alltag, könnte man sagen. Von denen man sich zu ebensolchen angeregt fühlen kann oder halt nicht.