US-Urteil zur Bevorzugung von Schwarzen: Supreme Court dreht das Rad zurück
Die konservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof kippt die „Affirmative Action“ an den Unis. Damit dürfen Minderheiten nicht mehr gefördert werden.
Das Urteil wurde mit der konservativen Mehrheit am Supreme Court von sechs zu drei Richterstimmen gefällt. „Der Student oder die Studentin muss auf Grundlage seiner oder ihrer Erfahrung als Individuum behandelt werden – nicht auf Grundlage von Rasse“, schrieb Gerichtspräsident John Roberts in der Urteilsbegründung. In den USA ist der Begriff „race“ (Rasse) zur Unterscheidung von Bevölkerungsgruppen anhand ihrer Hautfarbe üblich.
„Viele Universitäten haben zu lange den falschen Schluss gezogen, dass der Prüfstein für die Identität eines Individuums nicht überwundene Herausforderungen, erworbene Fähigkeiten oder gelernte Lektionen sind, sondern die Farbe seiner Haut“, führte Roberts aus. „Die Verfassungsgeschichte dieser Nation toleriert diese Auswahl nicht.“
Zugleich erklärte der Gerichtshof, Universitäten könnten Schilderungen von Bewerbern berücksichtigen, wie ihre Hautfarbe ihr Leben geprägt habe – allerdings nur mit Bezug zur „Charakter-Qualität oder einmaligen Fähigkeit, die der Bewerber zur Universität beitragen kann“.
Affirmative Action schon lange unter Druck
In dem Urteil ging es um Klagen der Studentenorganisation Students for Fair Admissions (Studenten für faire Zulassungen) gegen die private Elite-Universität Harvard und die staatliche University of North Carolina (UNC). Die Kläger argumentieren unter anderem, durch die insbesondere auf Afroamerikaner abzielenden Auswahlverfahren würden Bewerber mit asiatischen Wurzeln benachteiligt.
Maßnahmen unter dem Schlagwort Affirmative Action waren in den 1960er Jahren im Zuge der US-Bürgerrechtsbewegung eingeführt worden. Ziel war es, Afroamerikanern nach Jahrhunderten der Unterdrückung, Diskriminierung und Benachteiligung einen besseren Zugang zu guten Bildungseinrichtungen zu ermöglichen. Von den Progammen sollten auch Hispanoamerikaner und Indigene profitieren.
Entsprechende Programme waren aber von Anfang an umstritten. So zogen weiße Studienbewerber mit dem Argument vor Gericht, sie würden Opfer einer „umgekehrten Diskriminierung“. Kritiker führen auch an, die Hautfarbe zu berücksichtigen, zementiere die Unterteilung von Menschen in unterschiedliche Gruppen und spalte so die Gesellschaft.
1978 urteilte der Supreme Court zwar, Universitäten dürften bei der Auswahl von Bewerbern keine festen Quoten anhand der Hautfarbe nutzen. Die Hautfarbe oder die ethnische Herkunft könnten aber als eines von mehreren Kriterien genutzt werden, um Vielfalt in der Studentenschaft sicherzustellen.
Jetzt kippte der in den vergangenen Jahren nach rechts gerückte Gerichtshof das Prinzip der Affirmative Action an Hochschulen – eine historische Zäsur.
Die linksliberale Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor kritisierte den Mehrheitsbeschluss scharf. Mit dem Urteil würden „Jahrzehnte“ des Fortschritts zurückgerollt. „Das Gericht zementiert eine oberflächliche Regel der Blindheit gegenüber Hautfarbe als Verfassungsprinzip in einer endemisch (nach Hautfarbe) getrennten Gesellschaft.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“