Robert Jenrick lässt Figuren übermalen: Er hat Mickey Mouse gekillt
Der britische Staatssekretär für Einwanderung ließ Mickey Mouse in einem Haus für geflüchtete Kinder übermalen. Sie sollen sich dort nicht wohlfühlen.
I ch war schon als kleiner Streber verärgert darüber, dass meine Schwester viel besser zeichnen konnte als ich. Das war an sich keine Kunst, denn ich konnte null malen. Meine Schwester dagegen zauberte auf die Mauern unserer Grundschule einen Traum von Mickey und Minnie Mouse, Goofy und Donald Duck. Sie war so gut, dass auch andere Grundschulen und Kindergärten sie beauftragten, Klassenzimmer und Pausenhöfe zu bemalen. Aus der Kunst-AG wurde eine Ich-AG. Das hat nicht dazu beigetragen, dass ich als Grundschüler meinen Frieden mit dem Erfolg meiner Schwester machen konnte.
Später sollte ich erkennen: Kinder mögen Zeichentrickfiguren mit Kindchenschema. Vor den Wandmalereien versammelten sich damals lächelnde kleine Geschöpfe. Sie kicherten und freuten sich, dass ihre Klassenzimmer bunt gestaltet wurden. Ist doch schön! Kein Grund, sich zu ärgern. Im Gegenteil.
Kinder sollen Kinder sein dürfen – egal welche Geschichten sie mitbringen. Jedes Kind, unabhängig von der Herkunft, hat ein Anrecht auf eine glückliche Kindheit. Da gehe ich, trotz meiner Lebensaufgabe überall schlechte Laune zu verbreiten, nicht in den Kindergarten und poche darauf, dass Walt Disney, der Schöpfer von Mickey und Co, keine Berührungsängste zum Nazi-Regime hatte und 1935 begeistert durch das Reich reiste.
Ich erzähle einem Fünfjährigen nicht, dass Disney in seinen Geschichten oft antisemitische und rassistische Stereotype eingebaut hat. Ich warte damit, bis das Kind zumindest zehn oder elf Jahre alt ist. Wenn es Kinder glücklich macht, in das dauergrinsende Gesicht von Pluto zu starren, dann ist das doch fein. Welches herzlose, böse Monster würde sich über ein Kinderlächeln ärgern?
Sie wollen Bambi gnadenlos killen
Vor wenigen Tagen kam heraus, dass der britische Staatssekretär für Einwanderung, Robert Jenrick, eine Wandmalerei in einem Aufnahmezentrum für unbegleitete, geflüchtete Kinder im südenglischen Kent übermalen ließ. Jenrick, so schreibt der Guardian, sah in den fröhlichen Gesichtern von Tom und Jerry und Mickey Mouse eine „falsche Botschaft“. Die traumatisierten Kinder, die im Zentrum aufgenommen und behandelt werden, könnten sich zumindest willkommen und geborgen fühlen. Das geht, gemäß politischer Agenda der britischen Regierung, gar nicht. Gegen den Protest der Mitarbeitenden im Zentrum setzte sich das Ministerium durch: Mickey musste im Namen der rechtsnationalen Ideologie von Diversity-Premierminister Rishi Sunak sterben.
Auch in Deutschland stehen viele Politiker*innen und ihre hasserfüllten Adepten mit der Farbrolle bereit, um Bambi gnadenlos zu killen. Als ich den Fall aus Kent auf Twitter teilte, schrieb sofort jemand mit schwarz-rot-goldener Flagge im Profilbild ein „Gut so!“ drunter. Am liebsten hätte ich mit gut deckender Farbe seinen herzlosen und bösen Nationalismus übermalt – um unschuldige Kinder vor diesem Hass und dieser Gewalt zu schützen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen