Weiße Touristen in der Moschee: Entlarvende Fragen

Manche Touristen haben Angst vor schmutzigen Teppichen, andere fragen nach Allah und Hitler. Beobachtungen in einer Moschee in Istanbul.

Männer waschen sich die Füße an einem Brunnen

Besucher einer Moschee waschen sich die Füße Foto: Hannah McKay/reuters

Ich war neulich in ’ner Moschee. Soll vorkommen, Mohamed in ’ner Moschee. Dabei war ich wirklich seit Ewigkeiten nicht in einem muslimischen Gotteshaus. In Istanbul auf der Stadtführung ging es in das große, mächtige, kühle Gebäude und ich habe mich wirklich gefreut. Meine Füße taten weh und ich wollte mich einfach mal kurz ausruhen.

Schon an der Tür ist mir dieser eine Tourist aufgefallen. Er trug Shorts, die so eng waren, dass sie wie eine Windel wirkten, eine ärmellose Weste ohne T-Shirt drunter, eine riesige Kamera um den Hals. Er stellte der Mitarbeiterin an der Tür aufgeregt im gebrochenen Englisch eine Frage. Vom Akzent her müsste er französischsprachig sein. Eine weitere Mitarbeiterin kam hinzu, ihr Englisch war exzellent. Er kam ihr sehr nahe und sagte: „Is the carpet clean enough for my feet?“ Er zeigte auf seine nackten Füße und fragte erneut, ob der Teppich sauber genug sei, sodass er barfuß in die Moschee könne. Die Mitarbeiterin, etwas konsterniert, versicherte, dass die Moschee laufend geputzt werde. Sie zeigte auf mehrere ihrer Kolleg*innen, die mit Staubwedel und Staubsauger unterwegs waren.

Er ließ aber nicht locker, behauptete, der Teppich sei dreckig, und eigentlich wolle er nicht barfuß darauf laufen. Die Mitarbeiterin atmete tief durch, versicherte erneut, dass er nichts zu befürchten habe. Es ging hin und her. Sie sagte – für meinen Geschmack etwas zu höflich –, er sei sehr unhöflich. Dann trottete er durch die Moschee und belästigte jede Person, die ihm muslimisch erschien. Unsere Fremdenführerin (finde lustig, dass ich in der Moschee als fremd gelte) erzählte was zur Architektur. Ich war aber vom white Tourist so fasziniert, dass ich mir die x-te Ausführung zum Schwung der Bögen nicht wirklich angehört habe.

„The carpet is very dirty!“

Dann durften wir uns für einige Minuten alleine umschauen. Gérard, so habe ich ihn im Gotteshaus getauft, stand nun neben einem Regal mit Gratis-Koranen. Er nahm sich eine französische Übersetzung, ging auf ein Pärchen zu, das gerade verliebt Fotos für Instagram machte. Er erhob den Mittelfinger und sagte: „The carpet is very dirty!“ Sie verstanden nicht, ignorierten ihn. Dann machte er lächelnd Fotos von der Moschee mit seiner Kamera, verfolgt von einer Mitarbeiterin mit Staubsauger, die überall, wo er hingetreten war, mit viel Druck den Dreck beseitigte.

Ich wollte mich gerade wieder meiner Gruppe anschließen, da gingen zwei (mutmaßliche) Almans auf einen jungen Mann zu, der ebenfalls in der Moschee arbeitete und Fragen beantwortete. Auf Englisch mit sehr starkem Alman-Akzent fragten sie ihn etwas, was sie schon immer umgetrieben hat: „Why did your Allah let Adolf Hitler kill so many people?“ Ich blickte zu ihm. Er war anscheinend an solche Fragen gewöhnt und setzte routiniert an, zu antworten. Für mich war es der richtige Zeitpunkt, mehr über geschwungene Bögen zu lernen. Alles besser, als den entlarvenden Fragen weißer Touris in der Moschee zuzuhören.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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