piwik no script img

Tokio Hotels Besuch bei Sachsens PolizeiLiebschaft mit den Cops

Ein PR-Stunt der anderen Art, als sich Band und Organ treffen. Was Anlass für kritische Nachfragen hätte sein können, hinterlässt nur seltsame Bilder.

Village People? Nein, Tokio Hotel plus Mitglieder von The Police (Sachsen) Foto: Christian Lehmann/Polizei Sachsen/dpa

„Wenn die Polizei in unsere DMs slidet, dann werde ich ganz aufgeregt“, gesteht Bill Kaulitz in einer Folge des Podcasts „Kaulitz Hills“, den er mit seinem Bruder Tom hostet. Er meint damit, dass die beiden zu ihrem Podcast Nachrichten von der Polizei auf Instagram bekommen. Nicht etwa, weil die Brüder, bekannt durch die Band Tokio Hotel, etwas verbrochen hätten. Sie lieben, ganz doll und unironisch, die Polizei.

Und die Polizei Sachsen liebt Tokio Hotel zurück. Unter den Ord­nungs­hü­te­r*in­nen muss es einige Fans geben. Denn nachdem die Zwillinge in mehreren Folgen die Polizei lobten – Tom angeblich mit ernsten Berufswünschen und Bill eher wegen der sexy Uniformen – lud die sächsische Polizei die Band auf ein Date ein.

Die Bullen-Bewunderer sagten zu. Vor einem Konzert in Leipzig besuchten sie mit ihren Bandkollegen Gustav Schäfer und Georg Listing sowie Heidi Klum die Bereitschaftsstelle. Sie bekamen „Einblicke in verschiedene Arbeitsfelder der Polizei“, wie die Polizei Sachsen auf Instagram schrieb, und durften Uniformen anprobieren. Was ein guter Anlass für kritisches Nachfragen hätte sein können, hinterlässt nur seltsame Instagrambilder.

Hier in Deutschland könnte man Tokio Hotel seit einer Weile vergessen haben. Die Kaulitz-Zwillinge zogen sich nach ihrem Erfolg mit der Pop-Rock-Band in den Nullerjahren in die USA zurück. Heidi Klum hat niemand vergessen. Aktuell moderiert das Supermodel ihre 15. Staffel von Germany’s Next Topmodel. Eine Show, die Sexismen und Rassismen reproduziert und junge Frauen unter Druck setzt.

Ein gutes Match

Die Polizei, gerade die Polizei in Sachsen, hat ein Imageproblem. Mangelnde Transparenz, ihr Umgang mit Demonstrierenden, die Nähe einiger Po­li­zis­t*in­nen zu rechtsextremen Gruppen. Klar ist es für sie ein gutes Match, wenn Mitglieder einer kommerziell erfolgreichen Band auf die Polizei stehen. Und alternativ sind sie noch dazu! Na ja, zumindest legten sie in ihrer Anfangszeit die Grundpfeiler für die deutsche Emo-Bewegung und Frontsänger Bill geht mittlerweile offen mit seiner Queerness um.

Das Rendezvous in Leipzig dauerte etwa eine Stunde. Die Bandmitglieder posieren vor einem Polizeiauto mit leuchtenden Sirenen. Tom und Bill mit Beach-Waves (der welligen Surfer-Frisur), quietschgrünen Fingernägeln und großen Sonnenbrillen. Heidi Klum zeigt sich cool mit Lederjacke und Käppchen mit dem Emblem der Polizei Sachsen. Alle scheinen sich prächtig zu amüsieren. Bill teilte in seiner Instagram-Story Bilder von sich in Uniform und schrieb: „Wie ich nach meinem zukünftigen Ehemann suche“.

Dabei wäre Zeit genug gewesen, sich intensiver kennenzulernen und persönliche Fragen zu stellen. Die Band und Heidi Klum hätten die Be­am­t*in­nen fragen können, warum kürzlich ein Polizist in Zivil in Dresden einen Klimaaktivisten von der Straße schleifte. Sie hätten fragen können, wo die etwa 7.000 Schuss Munition geblieben sind, die von Polizisten der sächsischen Polizei 2018 entwendet wurden. Oder warum ein Polizeibeamter in Zwickau nach Vorwürfen der Weitergabe von Interna an Rechtsextreme immer noch eine hohe Stelle innehat.

Gerade bei Heidi Klum mutet die Anbandelung mit der Polizei seltsam an. Würde sie auch lachend in den USA zwischen Polizisten Fotos knipsen? Das Model besitzt die Staatsbürgerschaft der USA und verbringt einen Großteil ihres Lebens dort. In einem Land, in dem Diskriminierung und rassistisch motivierter Missbrauch von Macht gegenüber Schwarzen Menschen eine lange Geschichte hat? Man kann sich kaum vorstellen, dass die historisch gewachsenen Probleme in Heidi Klums eigener Biografie mit drei Schwarz gelesenen Kindern keine Rolle spielen. Wie erklärt sie denen, dass ihr Ehemann Tom Kaulitz gerne Kommissar Kaulitz werden möchte?

Bill sieht sich in Uniform heiraten

Auch bei den Kaulitz-Brüdern hätte man sich mehr erhoffen wollen. In ihrem Podcast schwärmen sie von Polizisten und laden sie zu Konzerten ein. „Polizei Berlin, ihr Süßen“, sagt Bill im Podcast und sieht sich in Uniform heiraten. Die Affäre zwischen der Band und der Polizei läuft also bereits länger. Bill verrät, dass sich sogar ein Polizeipärchen aus Stuttgart gemeldet habe, das seine Beziehung mit dem Frontsänger „intensivieren“ wolle.

Der Besuch in Leipzig bei der Polizei ist ein falsches Signal. Prominente wie Tokio Hotel und Heidi Klum könnten ihre Reichweite nutzen, um eine Reform in der Polizeiarbeit voranzubringen. Zum Beispiel durch Unterstützung von Bildungsprogrammen und Aufklärungsinitiativen.

Hoffentlich bleibt das zwischen der Polizei, Heidi und Tokio Hotel eine kurze Liebschaft. Falls sie anhält, bleibt die Frage, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Zum Beispiel die linke Band Kraftklub, die erst letztes Jahr einen Song gemeinsam mit Tokio Hotel aufgenommen hat. Vielleicht schreibt Tokio Hotel bei einem Berufswechsel ihre eigenen Songs polizeifreundlicher um:

Ich muss durch den Monsun

hab die Knarre dabei

Demo am Park

Steig in die Streife ein

Jetzt wird geräumt

Pfefferspray in der Hand

Und wenn ich nich' mehr kann, denk' ich daran

Bald demonstrieren wir zusammen

Durch den Monsun

Dann wird alles gut

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Neben anderen Dingen die aber schon von anderen Kommentatoren erwähnt wurden fand ich noch eine andere Stelle etwas seltsam:

    "Gerade bei Heidi Klum mutet die Anbandelung mit der Polizei seltsam an. Würde sie auch lachend in den USA zwischen Polizisten Fotos knipsen? ... "

    Die deutschen Polizeien sind nur sehr bedingt mit denen in Amerika vergleichbar. Allein die normalen Polizeiausbildungen in den USA sind nicht sehr einheitlich, aber so ziemlich alle liegen zwischen wenigen Monaten bis nicht ganz ein Jahr. Hier muss man mindestens 2,5 Jahre mit vielen Tests und Prüfungen neu die Schulbank drücken. Alleine das zeigt schon höhere Qualität.



    Und das ist nur der Anfang der zahlreichen Unterschiede.



    Was ich damit sagen will: Es wäre eher eine positives Signal für die dt. Polizeien, wenn sich Frau Klum gerne mit ihnen ablichten lassen würde, aber mit der amerikanischen nicht (was ich aber nicht einschätzen kann). Polizeien verschiedener Länder zu vergleichen ergibt kein Sinn wegen den verschiedenen Standards und auch der Systeme, die sie entspringen. Ich kann mir vorstellen, wenige dt. Polizisten wäre mit ihren Wissen über das Land z.B. in Russland Polizist geworden.

    Bei aller Liebe zur konstruktiven Kritik an unsere Polizeibehörden, Prominente dafür zu tadeln, dass sie unsere Polizei auch mal gut finden, mutet sehr seltsam an.

  • Die Autorin hat offenbar ein klares Feindbild. Hoffen wir, dass sie nie auf diese ihre Feinde angewiesen sein wird.

    • @Dr. McSchreck:

      Zumindest kommt es so rüber. Schade, oder?

  • Hallo TAZ, die jugendliche " Bullenschelte" ist so peinlich.



    Es gibt, wie überall A...löcher und Nichta..



    Löcher.



    Gibt es im Alltag und vor allen Dingen im Beruf.

  • Keiner hat gesagt, dass Künstler automatisch intelligent oder reflektiert sind.

    • @Jim Hawkins:

      ...oder, dass das bei taz-Kommentatorinnen zwangsläufig der Fall wäre. Aber man kann ja mal hoffen...

      Warum ich nur von "hoffen" schreibe: Wieso sollte irgendwer Jedem unterstellen, er MÜSSE doch der sächsischen (oder besser gleich JEDER, weil gibt ja in Usa pöse Polizisten) Polizei kritisch gegenüberstehen und beim Gedanken an sie nur das Unrecht sehen, das Polizei hier und da produziert? In der weit überwieggenden Mehrheit sind das Leute, die weit genauer als die meisten anderen Menschen den Job machen, den ihre Chefs - das sind wir durch unsere Volksvertreter - ihnen vorgeben, ob er ihnen gefällt oder nicht.

      Schwarze Schafe gibt es überall. Würden SIE gerne von jedem dahergelaufenen Fremden kritisch darauf angesprochen werden, was die Jim Hawkins' dieser Welt [setzen Sie statt des Namens bitte gerne jede beliebige "Täteridentität" wie Mann, Weißer, Kolonialistennachfahre, Linker etc. ein, die auf Sie passt] so Alles an Schabernak getrieben haben und wie SIE sich dafür rechtfertigen wollen?

      • @Normalo:

        Vielleicht haben Sie Recht.

        Womöglich hat mich meine Vergangenheit, in der es ein paar leidvolle Begegnungen mit dieser coolen Truppe gab zu diesem Kommentar getrieben.

        Und Hamburg G20 und Lützerath und Oury Jalloh und und und. Und dann noch Sachsen.

        Wäre ich prominent, ich würde lieber kotzen, als mit denen Selfies machen.

        • @Jim Hawkins:

          Kurz luftholen und kalten Schweiß abwischen



          weiter expektorieren..



          .... Bill sagte: „Es war so schön, ich will direkt hier bleiben. Ich würde gerne direkt hier heiraten.“ Ein Foto zeigt ihn, wie er auf seinem Handy tippt und seine Handynummer angeblich an „all die heißen Polizisten“ weitergibt....



          www.bild.de/region...83971448.bild.html

          • @Ringelnatz1:

            Ehrlicherweise muss ich sagen, dass Frauen in Uniform auf mich auch eine gewisse Wirkung haben.

            Krankenschwestern (Schwester Anne-Marie, Klinikum Neukölln), Flugbegleiterinnen (Pam Grier als "Jackie Brown" oder "Catch me if you can"), Soldatinnen ("Die Akte Jane") und eben Polizistinnen.

            Aber ich bin ja nicht bei Tokio Hotel und das bleibt unter uns.

  • Charmeoffensive neu definiert (da war doch mal was, oder?).



    /



    taz.de/Polizei-in-Sachsen/!5631620/



    /



    Ist wahrscheinlich kein Alleinstellungsmerkmal, diese Allianz.



    /



    Hat auch eine lange Vorgeschichte:



    www.fr.de/panorama...otel-11523805.html

  • Wenn ein Kommentar von "Bullen-Bewunderern" spricht ist schnell klar in welche Richtung das ganze geht.



    Merke - es gibt auch Menschen die die gute Arbeit der in der absoluten Mehrheit netten Polizisten zu würdigen wissen.



    Was die Brüder Kaulitz oder Heidi Klum mit ihrer Reichweite machen - ist insofern ihre Sache.

    • @Francis Ravendrake:

      Ich bin Fotograf und Kameramann mit Demoerfahrung und habe Ehrenamtlich mit afrikanischen Migranten zu tun. Ihr "in der absoluten Mehrheit netten Polizisten" würde ich so nicht unterschreiben. Ich kenne auch zwei Migranten die Antidiskriminierungs-Seminare bei der Polizei machen. Die sind manchmal ziemlich genervt von der Beratungsresistenz vieler Polizisten. Nicht alle sind schlecht, aber es gibt noch viel zu tun.

  • Merkwürdiger Artikel. Laut Umfragen hat eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland Vertrauen in die Polizei.

    Ich würde eher kritisch nachfragen, warum Leute NICHT gerne mit der Polizei posieren wollen.

    • @gyakusou:

      Wie sich die Zeiten geändert haben.

      Früher war die Leserschaft der taz kritisch gegenüber der Polizei und fand es gut, wenn man ihr auf die Finger schaut.

      Heute findet es man fast schon empörend, wenn man sich nicht zum netten Gruppenbild mit aufstellt.

      Vielleicht noch mit dem Schlagstock in der Hand.

      • @Jim Hawkins:

        Es ist nach wie vor gut und wichtig der Polizei auf die Finger zu schauen. Es gibt auch einige kritische Kriminolog:innen, die sich mit konkreter Polizeiarbeit befassen. Aber das pauschalisierende, verbale auf die Polizei Einprügeln, stößt mich ziemlich ab und wird der Polizei ganz und gar nicht gerecht. Und da kommt halt das Feindbild raus; bei anderen "communities" würde man das nicht wagen.

        • @resto:

          Ich kenne allerdings keine andere "Community", die derart straffrei rechtswidrige Gewalt anwenden kann und darf.

          Das Gewaltmonopol des Staates geht schon in Ordnung, wird man allerdings grundlos oder vorsätzlich von Beamten vermöbelt, gedemütigt oder sogar verletzt, dann hat man schlicht und ergreifend Pech gehabt und hat nur die fragwürdige Wahl die einen Krähen bei den anderen anzuzeigen.

  • "Dabei wäre Zeit genug gewesen, sich intensiver kennenzulernen und persönliche Fragen zu stellen. Die Band und Heidi Klum hätten die Be­am­t*in­nen fragen können, warum kürzlich ein Polizist in Zivil in Dresden einen Klimaaktivisten von der Straße schleifte. Sie hätten fragen können, wo die etwa 7.000 Schuss Munition geblieben sind, die von Polizisten der sächsischen Polizei 2018 entwendet wurden. Oder warum ein Polizeibeamter in Zwickau nach Vorwürfen der Weitergabe von Interna an Rechtsextreme immer noch eine hohe Stelle innehat."

    Niemand muss sich auf Teufel komm raus vor einen politischen Karren spannen lassen. Auch Tokio Hotel nicht.