Heiztechnik-Hersteller Viessmann: Wärmepumpengeschäft verkauft
Der Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimatechnik-Sparte. Eigentümer der Zukunftstechnologie wird ein US-Konzern, der Klimaanlagen herstellt.
Viessmann Climate Solutions gehört künftig dem Klimaanlagen-Hersteller Carrier Global aus dem US-Bundesstaat Florida, wie die Unternehmen am Dienstagabend mitteilten. Die Familie Viessmann erhält 80 Prozent des Kaufpreises in bar und 20 Prozent in Form von Carrier-Aktien. Sie wird damit einer der größten Anteilseigner des US-Konzerns.
Konzernchef Max Viessmann zieht in den Verwaltungsrat von Carrier ein. „Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten“, sagte er. Mit dem Verkauf entstehe ein „zukunftssicherer globaler Klima-Champion“. Betroffen sind 11.000 der 15.000 Viessmann-Mitarbeiter. An sie will die Familie 106 Millionen Euro als Sonderbonus ausschütten.
Die Sparte erwartet im laufenden Jahr einen Umsatz von vier Milliarden Euro und einen operativen Gewinn (Ebitda) von rund 700 Millionen. Carrier Global, bis 2020 ein Teil des US-Mischkonzerns United Technologies, will mit der Übernahme vor allem in Europa stärker werden. Bisher kommen rund 60 Prozent der Umsätze aus Nord- und Südamerika, nur knapp ein Viertel aus Europa.
Viessmann ist neben Bosch (Buderus) und Vaillant einer der größten Heizungshersteller in Deutschland. Die Sparte steht für 85 Prozent der Umsätze. Das Kühltechnikgeschäft für Supermärkte oder Krankenhäuser bleibt in den Händen der Familie.
Carrier setzt mit der Übernahme vor allem auf den Siegeszug der Wärmepumpe: Der Markt in Europa werde sich bis 2027 auf 15 Milliarden Euro verdreifachen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält sie für die Wärmequelle der Zukunft, wenn die Energiewende nach seinen Vorstellungen das Aus für Gas- und Öl-Heizungen bringen soll. Vom nächsten Jahr an soll der Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen forciert werden. Die Umsetzung ist aber in der Ampel-Koalition umstritten.
Verkauf auch Thema in der Politik
Der Verkauf von Viessmann hatte bereits vor der offiziellen Bekanntgabe für politische Diskussionen gesorgt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, Habeck müsse genau analysieren, warum das Unternehmen verkauft werde. Es dürfe keine Fixierung nur auf eine Technologie geben. Man müsse dabei auch an die Anpassungsfähigkeit der Firmen denken. Sie müssten bei der Gesetzgebung mitkommen. „Denn ein Gesetz ist schneller geändert als eine Produktionsstraße.“
Viessmann hatte wegen der rasant steigenden Nachfrage seit Monaten versucht, neues Geld für den Hochlauf der Wärmepumpen-Produktion aufzubringen – rund eine Milliarde Euro, für die unter anderem ein Werk in Polen gebaut werden soll. „Zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten müssen zusätzlich finanziert werden“, hatte das Unternehmen im Februar erklärt. Das Vermögen von Max Viessmann und seinem Vater, Verwaltungsratschef Martin Viessmann, wurde vom „Manager Magazin“ zuletzt auf mehr als vier Milliarden Euro geschätzt.
Die Amerikaner geben Viessmann bei dem Verkauf langfristige Garantien: Betriebsbedingte Kündigungen sind für drei Jahre ausgeschlossen, Allendorf bleibt für mindestens zehn Jahre Sitz des Unternehmens, die wichtigsten Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte sind für fünf Jahre sicher. Carrier kommt damit auch politischen Forderungen nach: „Wichtig ist, dass durch das Investment der Standort Deutschland erhalten bleibt“, sagte die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz.
In Regierungskreisen hieß es, der Bund werde darauf achten, dass die Energiepolitik und die Gewinne daraus Deutschland zugutekämen. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagt, die Fehler beim Aufbau der Solarindustrie dürften sich nicht wiederholen. Sie war größtenteils nach China abgewandert, als die Subventionen in Deutschland wegfielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was