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Tod in israelischer HaftHerr über den eigenen Körper

Kommentar von Susanne Knaul

Der Tod des hungerstreikenden palästinensischen Gefangenen Khader Adnan ist eine Tragödie. Absurd ist allerdings der Vorwurf, Israel habe ihn ermordet.

Nach dem Tod von Khader Adnan versammeln sich Frauen in dessen Wohnhaus in der Nähe von Jenin Foto: Raneen Sawafta/reuters

P alästina hat einen neuen Helden. Khader Adnan hat sich knapp drei Monate lang in einem israelischen Gefängnis zu Tode gehungert. Seine Hoffnung auf Entlassung aus der sogenannten Verwaltungshaft blieb unerfüllt. Israels Polizeiminister Itamar Ben-Gvir zeigte sich dem führenden Mitglied des Islamischen Dschihad gegenüber unnachgiebig und ohne Mitleid. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen.

Im Prinzip kann es dem rechtsextremen Politiker nur recht sein, wenn sich palästinensische Häftlinge selbst das Leben nehmen, propagiert er doch vehement die Todesstrafe für Terroristen. Adnan war zwar noch nicht verurteilt, stand aber im Verdacht terroristischer Aktivitäten.

Israel hält aktuell gut 1.000 PalästinenserInnen ohne rechtskräftiges Urteil hinter Gittern. Der Kampf gegen die zu Recht umstrittene „Administrativhaft“ war wiederholt Grund für Hungerstreiks. Für Adnan war es der fünfte. Zum ersten Mal starb nun ein Häftling infolge der Weigerung, Nahrung zu sich zu nehmen. Aus Sorge vor Protest und Gewalt lenkte die israelische Regierung bislang stets ein, wenn unmittelbare Lebensgefahr drohte. Damit hat sie sich erpressbar gemacht. Hungerstreiks wurden vermehrt zur Methode.

Während viele der sogenannten Verwaltungshäftlinge oft nicht wissen, warum sie festgehalten werden, lief gegen Adnan eine Anklage. Israel eine „absichtliche Ermordung“ vorzuwerfen, wie es der palästinensische Regierungschef Mohamed Schtaje tut, ist absurd. Adnan hatte fast 90 Tage Zeit, sich selbst zu retten. Noch am Sonntag, zwei Tage vor seinem Tod, war er dem Militärrichter vorgeführt worden, der sich zu Recht weigerte, dem Häftling die Verantwortung für die Folgen des Hungerstreiks abzunehmen.

Ein 45-jähriger Mann wisse um seine Taten, meinte er. Das Gericht lehnte Maßnahmen ab, die die eigene Entscheidungsbefugnis eines Menschen über seinen Körper einschränken. Adnan lehnte medizinische Hilfe ab. Er hat sich mit offenen Augen für die Sache seines Volkes geopfert. Ändern wird sich damit nichts.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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14 Kommentare

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  • Wenn man Jahre lang immer wieder in Administrationshaft gehalten wird ist man wohl kaum Herr über den eigenen Körper. Adnan wusste oft nicht was ihm vorgeworfen wird, und seine Haft wurde einfach - wie in vielen Fällen - immer wieder verlänger. Diese Haft ist nicht nur umstritten, sie ist illegal - zumindest in einem Rechtsstaat!

    • @Martha:

      Gegen Adnan lief eine Anklage. Er wusste also zuletzt sehr wohl, was ihm vorgeworfen wird. Warum wird die Haft in seinem Fall also überhaupt als "Administrativhaft" bezeichnet? Der Sachlage nach war er ein ganz normaler Krimineller in U-Haft.

      In Fällen, wo keine Anklage erhoben wird, sehe ich das sehr kritisch. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig.

      • @Winnetaz:

        Bei Israelkritikern gelten pal. Häftlinge, unabhängig davon warum sie in der Haft sind, als politisch und somit als "illegal" und sollen freigelassen werden.

        • @h3h3y0:

          Da Besatzung illegal ist nach internationalem Recht, stellt sich die Frage auf welcher Basis die israelische Armee und Polizei dort "legal" agieren kann.

  • Jeder der sich das Leben nehmen will ist psychisch krank und darf gar nicht nach gewöhnlichem Recht verurteilt werden. Zumindest in einem Rechtsstaat.

  • Aus meiner Sicht ein seltsamer Kommentar - und jetzt? Was sollen palästinensische Menschen tun? Wenn sie kämpfen, sind sie Terrorist*innen, wenn sie in einen Hungerstreik treten, wollen sie Israelis erpressen und sind an ihrem Tod selbst schuld. Was sollen sie denn tun, um auf ein Unrecht hinzuweisen - sei es die unrechtmäßige Besetzung ihres Landes, sei es, monatelang ohne Anklage in Haft zu sein, sei es, dass eigene Haus nicht mehr durch die Vordertür betreten zu können, weil die Straße vor der Haustür plötzlich nur noch für illegale Siedler*innen zugänglich ist?



    Vielleicht war derjenige, der jetzt gestorben ist, kein Waisenknabe. Vielleicht war er zu Recht in Haft. Das mag sein, ich kann es nicht beurteilen.



    Aber das ändert nichts an dem grundsätzlichen Unrecht, das in den besetzten Gebieten geschieht und es ändert auch nichts daran, dass nicht nur Israelis in Sicherheit leben können dürfen und sollen (was ich absolut unterstütze!), sondern, dass dies auch für Palästinenser*innen gilt.



    Und wie sollen sie denn noch dieses Recht einfordern, wenn anscheinend jeder Weg der falsche ist? Sollen sie sich dem Unrecht einfach beugen? Sind sie dann endlich keine Terrorist*innen und Erpresser*innen mehr? Welche Möglichkeiten zivilen Ungehorsams bleiben ihnen denn in den Augen der Kommentatorin noch, um für ihre Rechte zu kämpfen?

    • @Patricia Jessen :

      Da haben Sie Recht, ein führendes Mitglied des Islamischen Jihad ist kein Waisenknabe.

      Was die Palästinenser tun sollen?

      Sicher wäre es von Vorteil, würden sie nicht von islamistischen Terroristen beherrscht, die so gar kein Interesse an Verhandlungen welcher Art auch immer haben.

      Solange das so ist, wird Israel den Teufel tun, diesen Leuten nicht mehr Territorium zur Verfügung zu stellen.

      Ist das wirklich eine Überraschung?

      So wird eben der Status Quo verwaltet.

      Nicht einfach für Israel, aber machbar. Und bitter für die Palästinenser.

      • @Jim Hawkins:

        Lieber Jim, sie haben zu Recht auf die Verwaltung des Status Quo verwiesen.



        Was bleibt den Juden übrig...



        Es ist das alte kognitive Modell der Deutschen über die Juden, von dem Daniel Jonah Goldhagen in senem Buch "Hitlers willige Vollstrecker" geschrieben hat, das viele unserer Landsleute nicht aufgeben wollen....

        • @Günter:

          Leider ist das so.

          Ich denke Mal, so gut wie alle Israelis wären glücklich und zufrieden, würde es einen prosperierenden, demokratischen palästinensischen Staat neben ihrem geben.

      • @Jim Hawkins:

        Wobei „Status quo“ heisst, dass immer weiter enteignet und gesiedelt wird!

      • @Jim Hawkins:

        Klar das die Apologie von ihnen kommt - die Besatzung ist "nicht einfach für Israel", sie verwaltet einfach den "Status Quo"... Merken Sie selbst eigentlich noch, was sie da schreiben? Nur weil der israelische Staat etwas tut, heißt das noch lange nicht, dass es richtig sein muss. Aber das ist bei Ihrer Weltsicht anscheinend eine Erkenntnis, der Sie sich nicht stellen möchten.

        • @Patricia Jessen :

          Was denken Sie würde passieren, wenn sich Israel komplett aus den besetzten Gebieten zurück ziehen würde?

    • @Patricia Jessen :

      Das ist alles richtig. Trotzdem ist Polemik nicht zielführend. Was zu tun ist um zu einer Lösung zu kommen weiß ich auch nicht. Trotzdem darf man darauf hinweisen, dass dem Staat in diesem Fall Mord vorzuwerfen nicht zielführend ist.

      • @wirklich?:

        Dem Staat Mord vorzuwerfen ist nicht zielführend. Das erscheint unbestreitbar. Aber darum ging es in meiner Ausführung auch nicht.