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Ärztin zu Legalisierung von Abtreibungen„Was gibt es da zu prüfen?“

Am Freitag berät eine Ex­per­t:in­nen­kom­mis­si­on die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Was erwartet die Ärztin Jana Maeffert davon?

ÄrztInnen in Deutschland, die Abbrüche durchführen wird die Arbeit mit bürokratischen Vorgaben erschwert Foto: Sachelle Babbar/picture alliance
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Frau Maeffert, Sie sind eine von gerade mal knapp über 1.000 Ärz­t*in­nen in Deutschland, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Was bedeutet das im Praxisalltag?

Jana Maeffert: Die meisten Patientinnen, die ungewollt schwanger vor mir sitzen, sind gar nicht meine eigenen. Sie wurden von ihren Gy­nä­ko­lo­g*in­nen zu mir geschickt, weil die selbst keine Schwangerschaftsabbrüche machen. Viele haben schon mehrere Ärz­t*in­nen durchtelefoniert. Sie waren, wie gesetzlich vorgeschrieben, schon in einer Beratungsstelle, haben die Frist von drei Tagen abgewartet – kurz: Sie haben schon mehrere Hürden hinter sich, bis sie letztlich bei mir landen.

Warum machen so viele Gy­nä­ko­lo­g*in­nen keine Abbrüche?

Natürlich spielt die Stigmatisierung eine Rolle, die sich auch in der Rechtslage widerspiegelt: verboten, aber unter Umständen straffrei. Aber auch auf bürokratischer Ebene gibt es Hürden, und viele davon haben direkt oder indirekt mit der Rechtslage zu tun.

Was meinen Sie konkret?

privat
Im Interview: Jana Maeffert

47 Jahre, ist Gynäkologin mit eigener Praxis in Berlin. Sie führt seit über 20 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durch

Abbrüche sind keine Kassenleistung, denn eine rechtswidrige Handlung kann nicht von der gesetzlichen Kasse bezahlt werden. Entsprechend weicht die Abrechnung von der Standardprozedur ab. Jeder Abbruch muss ans Statistische Bundesamt gemeldet werden, inklusive Angaben wie das Alter der Frau, ob sie verheiratet ist, wie viele Kinder sie hat, aus welchem Bundesland sie kommt. Das muss alles erfasst werden. Die Medikamente für den medikamentöse Abbruch unterliegen einem Sondervertriebsweg. Ich muss sie selbst bestellen, in Vorkasse gehen, sie in der Praxis gesondert lagern. In manchen Bundesländern braucht man besondere Genehmigungen, um Abbrüche durchzuführen. Eine Kollegin hat mir erzählt, sie musste ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen – so etwas gibt es bei keiner einzigen anderen medizinischen Leistung.

Das klingt jetzt aber alles nicht besonders dramatisch.

Nein, aber es bedeutet Extraaufwand im ohnehin stressigen Praxisalltag. Nehmen wir an: Von zehn Ärz­t*in­nen machen ein bis zwei Abbrüche, weil es in ihrer Überzeugung zu ihrem Beruf dazugehört. Zwei lehnen es aus ethischen Gründen strikt ab. Die anderen sechs sind indifferent, weder total dafür noch dagegen. Aber die werden von den Hürden extrem abgeschreckt und denken sich: Warum soll ich mir all diese Extraarbeit aufbürden, wenn ich nicht muss?

Für Sie gehört es dazu. Warum?

Als Gynäkologin möchte ich für meine Patientinnen, in allen Fragen die Fruchtbarkeit betreffend, da sein: bei gewollten wie ungewollten Schwangerschaften oder bei unerfülltem Kinderwunsch. Wir sollten nicht einteilen in Menschen, die eine Schwangerschaft austragen, und solche, die sie abbrechen – in vielen Biografien gehört beides dazu. Genauso gehört es für mich zu meinem Beruf dazu, sie in beiden Situationen bestmöglich zu begleiten.

Am Freitag tritt erstmals die Kommission zusammen, die im Auftrag der Ampelkoalition die bestehende Rechtslage prüfen soll. Was erwarten Sie sich?

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was es da zu prüfen gibt. Die WHO benennt ganz klar, dass Hürden die medizinische Versorgung verschlechtern und zu unterlassen sind. Auch aus menschenrechtlicher Sicht ist die Sache klar. Aber Deutschland hält sich einfach nicht daran. Das ist aus meiner Sicht ein Skandal.

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14 Kommentare

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  • Was gibt es da noch zu diskutieren? Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist zu der Thematik alles gesagt. Wer einen Abbruch will, hat einen Grund dafür und muss umsorgt werden anstatt erschwerte Bedingungen vorzufinden.

  • Ein polizeiliches Führungszeugnis wird auch bei der Feuerwehr verlangt, geht heute online. Ist nix besonderes. Die Hürden f d Schwangere bestehen in der Suche nach Ärzt:innen, die den Abbruch machen. Laut BVerfG hat auch ungeborenes Leben Würde, da dürfen schon einige Hürden sein. Das Vorgespräch dient auch der Aufklärung über Hilfen . Und Stärkung, falls eine junge Mutter unter Druck von Partner, oft schon Ex-Partner oder Umfeld gesetzt wird. Bürokratie gibt es auch bei Ambulanz operierenden Ärzt:innen. Hauptsache, der 219 ist weg, nächster Schritt müssen Bannmeilen für sog. Lebensschützer“ sein.

  • “Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was es da zu prüfen gibt.“



    Dieser Satz ist verlinkt zu



    taz.de/Debatte-um-...graf-218/!5912487/



    “Debatte um Paragraf 218 : Bis zur Geburt oder gar nicht“



    Verweise zunächst auf Lovando dort!



    &



    Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im Rahmen von Recht&Gesetz halte ich für zwingend. But.



    Das hie wie dort zitierte Vorbringen ist schlicht kontraproduktiv! Woll.



    Wie sagte anlässlich “Mein Bauch gehört mir“ etc zu Friedensbewegungszeiten mein Freund Hans “Ich kann die Frauen voll verstehen! Aber zu behaupten -



    Da bestehe kein Wertungskonflikt!



    Geht halt schlicht nicht!“



    Conclusio: “Bis zur Geburt oder gar nicht“ - ist mit Recht&Gesetz des Grundgesetzes schlicht nicht vereinbar!



    &



    Das - weiß in Wahrheit Frau Jana Maeffert auch.



    &



    In dem Rahmen - bedarf es der Einhegung nach Prüfung im demokratischen Prozess einschließlich Karlsruhe & EuGH.

  • Es ist ein Skandal und eine unglaubliche Zumutung für alle betoffene Frauen. Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung, dass wir all dies nicht seit Jahrzehnten immer wieder neu diskutieren müssten, wenn Männer Kinder bekommen und ungewollt schwanger werden könnten.

  • @DIMA

    Menschenrechte im Spannungsfeld. Sie sind vielleicht lustig.

    Bleiben Sie lieber bei Ihrem Steuerrecht.

  • Abtreibungen sind nun mal notwendig, so unschön das klingt, aus medizinischer Sicht, aus persönlicher, aus finanzieller und 1000 anderen Gründen. Deshalb muß das gesetzlich legitimiert werden, als Kassenleistung und von jedem Gynäkologen. Leitlinien, Restriktionen und Kontrolle gehören natürlich genauso dazu. Aber Abtreibungen als Partygag und aus Jux und Dallerei, so was gibt`s nur als Wahnvorstellung, in der Realität steckt da zu 99,9% ein realer Grund dahinter.

  • "Das klingt jetzt aber alles nicht besonders dramatisch."



    -geht's noch?



    -das wäre so, wenn des gleiche Gewese um Schwangerschaftsaustragung auch gemacht würde...

  • Die WHO kann nur Empfehlungen abgeben und legt keine Menschenrechte fest. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers und dieser steht halt in einem Spannungsfeld.

    • @DiMa:

      Da stimme ich dir zu.

      Ein Schwangerschaftsabbruch sollte möglich sein, und es sollte auch nicht schwierig sein einen Arzt zu finden der das macht.

      Dennoch gibt es durchaus eine ethische Betrachtung hierbei. Deshalb denke ich, ist ein Beratungsgesrpäch sinnvoll; und auch eine gewisse statistische Erfassung.

    • @DiMa:

      in welchem Spannungsfeld steht der Gesetzgeber? Entweder er entscheidet sich für oder gegen Abtreibungen, ein "Mach mal, aber im Zweifelsfall verknack ich Dich dafür", das ist ein Spannungsfeld, dass nicht der Gesetzgeber aushalten muß, dass müssen die Gynäkologen. Und der Gesetzgeber ist der Grund für dieses "Spannungsfeld".

      • @nutzer:

        Das Spannungsfeld ist halt ethischer Natur und besteht aus der Abwägung der Rechte der Mutter und des ungeborenen Kindes.

        Insoweit macht es sich die interviewte Ärztin meines Erachtens viel zu einfach.

    • @DiMa:

      Der Gesetzgeber hat sich an die entsprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu halten und das ist gut so. Wenn wir Legislative und Judikative weiter aufweichen, so ist das einfach nicht demokratiefördertlich.

      • @Leontine:

        Das BVG gibt keine bürokratischen Hürden vor. Die Details in der Umsetzung sind politische Produkte, wesentlich ein Zugeständnis an die religiöse Rechte, und an die Wenigen, die nichtreligiös begründete Bedenken haben.

      • @Leontine:

        Hat er das in diesem Fall? Den Schwangerschaftsabbruch bewusst aus dem strafrechtlichen Unrecht herauszunehmen steht eindeutig im Widerspruch zum BVerfG. Es verblieb lediglich bei einer verfsssungsrechtlichen Rechtswidrigkeit,ergo bei einer ohne jegliche Rechtsfolge. Lustigerweise wurde eben genau dies auch von Karlsruhe gebilligt und gewollt,daher wäre es an der Zeit, diesen Etikettenschwindel aktiv anzugehen und es so darzustellen wie es auch der Realität entsprichen würde- Abtreibungen liegen in den Händen der Frauen,einen Lebensschutz für Embryonen gibt es vor der 14 SSW weder de iure noch de facto und das ist auch gut so.