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Suche nach KoalitionenNachwahlchaos in Berlin

Noch während die CDU mit den Grünen sondiert, dringt durch, dass SPD-Chefin Giffey ihrer Partei angeblich Schwarz-Rot vorschlagen will.

Giffey will offenbar lieber mit der CDU koalieren, als weiter Regierende bei Rot-Grün-Rot zu sein Foto: dpa

Berlin taz | Die an spannungsreichen Momenten schon bisher nicht arme Abgeordnetenhauswahl samt Nachklapp hat ein weiteres Drama erlebt. Noch während am Dienstagabend CDU und Grüne zu ihrem dritten und letzten Sondierungsgespräch zusammensitzen, berichten mehrere Zeitungen übereinstimmend: Die SPD-Landesvorsitzende und Noch-Regierungschefin Franziska Giffey wolle, statt das bisherige rot-grün-rote Bündnis fortzuführen, ihrer Partei eine schwarz-rote Koalition vorschlagen.

Die Entscheidung darüber fällt aber erst am Mittwoch: Der SPD-Landesvorstand tagt dazu ab dem späten Nachmittag. Unmittelbar nach den ersten Meldungen über Giffeys CDU-Avancen hatte unterdessen die Landesspitze der Linkspartei sich für Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen ausgesprochen.

Kurz vor 23 Uhr ist es, als CDU-Landeschef Kai Wegner auf dem Euref-Campus unweit des S-Bahnhofs Schöneberg aus dem Backsteinbau des Cafés tritt, in dem CDU und Grünen seit 14 Uhr beraten haben. „Sehr, sehr gute Gespräche“ seien das gewesen, sagt Wegner, „in sehr angenehmer Atmosphäre, auch gerade menschlich.“

Ja, sagt Wegner auf eine Nachfrage eines Journalisten, man habe die Meldungen von den angeblichen Giffey-Avancen wahrgenommen. „Aber wir haben uns voll und ganz auf unser Programm fokussiert.“

Nun ist offenbar genau die Situation entstanden, die Wegner sich in den Wochen vor der Wahl erhofft hatte, als die CDU in Umfragen immer deutlicher in Führung ging: dass es wegen fehlender Prozente oder fehlender Übereinstimmung nicht wieder zu Rot-Grün-Rot kommt; dass sich die SPD ihm als Juniorpartner anbietet und er zumindest hoffen kann, dass die Grünen nachziehen. Näher war Wegner dem, was er gegenüber der taz als „meine Traumkoalition“ bezeichnet hatte, sprich ein schwarz-grünes Bündnis, noch nie.

„Wir haben dicke Brocken geschafft und Lösungen gefunden“, sagt Wegner vor den Journalisten, die von einem weit früheren Ende des Gesprächs ausgegangen waren. Das Thema Wohnungsbau hatte angestanden, auch um innere Sicherheit sollte es gehen. Ähnlich ist die Wortwahl bei Grünen-Verhandlungsführerin Bettina Jarasch: „Wir haben die ganz großen Brocken tatsächlich lösen können.“

Auch Lösungen bei A100 und Enteignung

Das waren nach ihrer Darstellung unter anderem der Weiterbau der Stadtautobahn A100 und die Frage, wie mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungseigentümer umzugehen ist. Details bleiben an diesem späten Dienstagabend offen.

Laut Wegner wird sich der CDU-Landesvorstand am Donnerstag mit der Frage beschäftigen, mit wem seine Partei Koalitionsgespräche führen will. Auf die kolportiere Absicht Giffeys, ihrer Partei eine schwarz-rote Koalition vorzuschlagen, gehen weder Wegner noch Jarasch näher ein.

In der Sitzung des SPD-Landesvorstands am Mittwochnachmittag dürften vor allem die Vertreter des Parteinachwuchses Giffeys Vorschlag zurückweisen. „Die Berliner Sozialdemokratie darf sich nicht dazu verzwergen, als Steigbügelhalter für konservative Politik herzuhalten“, hat Juso-Landeschefin Sinem Taşan-Funke noch zu Wochenbeginn dem Tagesspiegel gesagt. Eine Koalition mit der CDU bleibe für die Jusos das falsche Bündnis. Man werde daher „alles daransetzen“, es zu verhindern, weil man befürchte, dass die SPD sich damit für junge Menschen unwählbar mache.

Der SPD-Landesvorstand gilt aber als fest in der Hand von Giffey und ihrem Co-Vorsitzenden Raed Saleh und wird ihr mutmaßlich folgen. Rückhalt dürfte sie weiterhin haben – andernfalls hätte das Gremium sie schon in seiner Sitzung am Tag nach der Abgeordnetenhauswahl wegen des schlechten SPD-Ergebnisses zum Rücktritt gedrängt.

Würde Giffey als Ex-Regierungschefin einem schwarz-roten Senat als Senatorin angehören, wäre das nicht nur für Berlin ein Novum: Mit einer Ausnahme in den 50er Jahren im Saarland ist der taz kein Fall bekannt, in dem ein vormaliger Ministerpräsident unter seinem Nachfolger Minister war.

Was machen die Grünen nun?

Naheliegende Strategie bei jenen Grünen, die an einer Regierungsbeteiligung mit Wegner interessiert sind, könnte sein, Giffeys CDU-Schwenk als Ausbrechen aus dem linken Lager zu brandmarken. Eine schwarz-grüne Koalition, so das mögliche Polit-Narrativ, sei notwendige Konsequenz, um eine Alleinherrschaft zweier – aus grüner Sicht – Autofahrerparteien zu verhindern und gleichzeitig Klimaschutz im Senat auf der Tagesordnung zu halten. Ob diese rationale Betrachtungsweise bei der teils von innerer Abneigung gegenüber der CDU geleiteten Parteibasis allerdings verfangen würde, ist völlig offen.

An Schwarz-Grün arbeitet der mögliche Regierende Bürgermeister Wegner – er wäre der erste CDUler in diese Amt seit 2001 – seit vielen Jahren. Lange beschränkten sich seine Kontakte dabei vorwiegend auf den Realo-Flügel der Partei. Seit einiger Zeit aber hat er auch zu dem früheren Landesvorsitzenden und jetzigen Fraktionschef Werner Graf, Kreuzberger und vom linken Parteiflügel kommend, ein von beiden Seiten als freundschaftlich beschriebenes Verhältnis.

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15 Kommentare

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  • Für Berlin und seine Bürger kann es mit der CDU und SPD nur noch schlimmer werden. Was wird nicht alles versprochen und doch gebrochen?



    Giffey ist so von sich selbst überzeugt, selbst wenn andere ihr das sagen würden. Alle die gegen ein weiter so waren, hängen jetzt an GIffeys Schlepptau?

  • Giffey ist einfach ein selbstsüchtiger Mensch, der es zu allererst mal um die eigene Karriere geht. Dass sich die Berliner SPD so eine Chefin antut, ist mir völlig unverständlich

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Mit Giffey (und Frau Spranger) an der Spitze ist die SPD in Berlin deutlich nach rechts gerutscht.



    Das Ergebnis hat sie vom Wähler präsentiert bekommen: Schlechtestes Wahlergebnis seit 75 Jahren; 4 Direktmandate (zuletz 24 - also minus 20!); der Wähler hat lieber das Original (CDU) statt der billigen Kopie gewählt.



    Dieser Weg nach rechts soll nun weiter fortgesetzt werden.



    Was ist das Ziel?



    15%, null Direktmandate?



    10%?



    Aber: Wenigstens konsequent.

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    In jeder neuen Koalition muss es darum gehen, daß "könnte", "müsste" und "sollte" - sprich gesellschaftliche Utopien - aus dem Regierungshandeln zu verbannen. Schlüsselrolle für die Grünen. Entweder sie werden hierzu durch die CDU diszipliniert oder sie müssen in die Oppostion.

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Die Frage ist, ob die Grünen die Oppositionsrolle als realistische Option überhaupt auf dem Schirm haben … die können vor Selbstbewusstsein ja kaum laufen, obwohl auch sie von den Berliner Wählern gerupft wurden (aber, ey, nur 53 Stimmen hinter der SPD).



      So werden die Grünen, die sich auf alle Fälle eine Regierungsbeteiligung erhofft hatten, von Frau Giffeys Ankündigung kalt überrascht worden sein.



      Oder hatte man sich dort schon auf Schwarz/Rot eingestellt?

  • Schön, dass Frau Giffey nicht am Amt hängt, unschön aber, dass sie vorgestrigen Ideen anhängt.

    Von den politischen Inhalten her ist Rot-Grün-Rot immer noch die Lösung, in der am meisten "SPD pur" steckt. Aber offenkundig hat sie kein Vertrauen in eine verbesserte Arbeitsatmosphäre innerhalb des Dreierbündnisses. Mir unverständlich, aber ich sitze da nicht mit am Tisch... Politisch kurzsichtig bleibt es, denn eines ist doch klar: Mit einem Amtsbonus könnte ein*e SPD-Kandidat*in (es muss und sollte nicht Giffey sein) bei der nächsten Wahl ein gutes Ergebnis einfahren. Könnte! Voraussetzung dafür ist natürlich gutes Regieren. Ohne Amtsbonus, als Junior-Partner der CDU, droht nur die dauerhafte Verzwergung als Teil (unverzichtbarer, aber eben niemals führender Teil) von wechselnden politischen Koalitionen. Die Entscheidung für die CDU wäre politische Mutlosigkeit (ich bin versucht zu sagen Arbeitsverweigerung) und die Kettung an jene, die es (gut regieren) nicht nur nicht können, sondern es auch gar nicht wollen. Denn wir wollen nicht vergessen: aus dem Schlund der CDU kommt kein Vorschlag, der die erste Runde einer ernsthaften Analyse überstehen würde.

    • @My Sharona:

      "Voraussetzung dafür ist natürlich gutes Regieren." --> Und genau an dieser Voraussetzung scheitert die SPD ja bereits seit der Machtübernahme Wowereits vor 20 Jahren.

      Scheinbar ist nunmehr sogar das Maß überschritten, was selbst das traditionell linke Berlin bereit ist zu ertragen.

  • Wenn es Frau Giffey um ihre Wähler und um ihre Parteimitglieder gehen würde, dann würde sie auf eine Koalition mit der CDU pfeifen. Es geht ihr aber nicht darum, sondern um ihre eigene Kariere und um das Geldverdienen. Dabei ist Franziska Giffey auch nur ein Mensch dem das eigene Hemd immer näher ist als die Hemden anderer.



    Wer dachte, dass mit der Clique Olaf Scholz, Hubertus Heil und Franziska Giffey die SPD insgesamt in unserem Land wieder Oberwasser bekommen würde, dürfte nun nach der Wahl in Berlin diese Hoffnungen begraben.



    Die SPD ist wieder auf Kurs in Richtung 10%. Adiós SPD.

  • Das Problem mit der Berliner Politik ist, dass die Wähler eigentlich von gar keiner Partei bzw. Koalition etwas erwarten.

    Die Parteien in Berlin scheitern alle auf unterschiedliche Weise, aber sie scheitern.

  • Vielleicht gibt's ja demnächst Nachrichten aus erster Hand. Inhaltlich scheint es schwer vorstellbar, dass die Grünen bei der CDU mehr durchsetzen können, als in einem linken Bündnis.



    Entweder die Grünen haben tatsächlich ungeschickt agiert( wie andere Medien berichteten), oder sie wünschen sich schwarz grün .



    Ist natürlich auch weniger anstrengend, wie in NRW zu beobachten.



    Wozu Klima und Umweltpolitik voranbringen, wenn es reicht, dass die Spitzenhandidatin schmückend neben dem Ministerpräsidenten steht?



    Auch Baden Württemberg steht nicht gerade für den starken Ausbau der Regenerativen Energien.



    Aber ist das Klima denn sooo wichtig?



    Wenn es heiß wird, kauf Dir doch ein Eis an der Tankstelle!



    Nachdem ein paar Hunderttausend in Berlin so gewählt haben, könnten das doch auch gut 60 Mio im Bund nachmachen.



    Es ist nun nur wichtig, dass die Medien das entsprechend verkaufen.



    Dass die CDU mit rechten Sprüchen gewählt wurde ,ist zu vergessen, die Ampel weiter zu ritisieren, wo man sie trifft.



    Und bald ist es da, Deutschlands Idyll: Grillen im Schottergarten, der E SUV daneben.



    Und wenn es zu warm wird?



    Klimaanlage an, Tür auf!

  • Jetzt müssen die nur noch einen würdigen Nachfolger für Rüdiger Landowski finden.

    Geht's noch.

  • Ich hoffe auf das Bündnis pro Autofahrer und gegen Schwarzgrün.

    Wenn die Grünen zu forsch vorgehen, schadet das ihrem Koalitionspartner. Das sah man an Berlin, und man sieht es im Bund. Die CDU sollte sich nicht als Steigbügelhalter für grüne Illusionen hergeben. Ein bürgerliches Bündnis aus CDU und SPD ist möglich. Berlin und die Berliner haben eine Auszeit vom grünen Experimentierchaos verdient.

    • @Gorres:

      Grünes Experimentierchaos? In Ihren Augen hat die CDU wohl zukunftsfähige Pläne in der Schublade. Wir stehen vor Herausforderungen, die es vorher so nicht gegeben hat. Da wird jede Regierung Fehler machen und Entscheidungen treffen, die Ihnen nicht gefallen. Da hilft auch kein "Rumsödern" ...

  • Ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, die Probleme dieser Stadt werden nicht gelöst werden. Für die Politiker bedeutet dies eine satte Altersabsicherung!

    • @RCory:

      Oh, wird Ihre Partei nicht in der Regierung sein? Eine Partei mit "F" im Namen? Das tut mir aber leid ...