CSU-Politiker auf dem Balkan: Verbunden mit den Rechtsextremen
Satiriker Jan Böhmermann kritisiert Christian Schmidt, den Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina. Den Ärger teilt die Mehrheit der Bevölkerung.
Doch der gutrecherchierte Beitrag ist schon jetzt schon zu einem ernsthaften Politikum geworden. Und leitet Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Christian Schmidt und seiner Politik in dem von serbischen und kroatischen Nationalisten angegriffenen und infrage gestellten Land Bosnien und Herzegowina.
Es handelt sich bei dem Hohen Repräsentanten immerhin um eine wichtige diplomatische Figur der internationalen Staatengemeinschaft, die nach dem Krieg 1992–95 installiert wurde, um den Friedensprozess in dem vom Krieg zerstörten Lande zu überwachen und auch anzuleiten.
Die Satiriker lassen Christian Schmidt, der seit Sommer 2021 im Lande ist, als Spielzeug-Superman über das Land fliegen, der mit seinen „Bonn-Powers“ protzt und seine weitreichenden Befugnisse – so kann er Politiker entlassen und Gesetze verändern – vor allem für die Unterstützung radikaler Nationalisten nutzt.
Mehrmalige Treffen mit kroatischen Extremisten
Der CSU-Politiker sei wie seine Partei eng mit der ultrakonservativen kroatischen Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) verbunden, deren Schwesterpartei in Bosnien und Herzegowina die kroatisch-katholische Bevölkerung der westlichen Herzegowina beherrscht, moniert auch eine Gruppe aus mehreren deutschen Diplomaten, die unabhängig voneinander jahrelang im Lande gewirkt haben.
Diese Partei in Bosnien sei ideologisch noch immer eng mit dem kroatischen Ustascha-Staat während des Zweiten Weltkrieges verbunden und ehrt ihre Führungsspitze während des letzten Krieges 1992–95 als Helden, obwohl diese vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als „kriminelle Vereinigung“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden ist.
Schmidt habe sich mehrmals mit diesen Extremisten unter der Flagge des kroatischen Parastaates 1992–95 (Herceg-Bosna) gezeigt, sodass der Eindruck entstanden sei, Deutschland unterstütze deren rechtsextremen Nationalismus, kritisiert die Gruppe. Dass jetzt kroatische Hassparolen auftauchen – wie „Tötet die bosnischen Muslime“ –, sei Ausfluss dieser Atmosphäre.
Der Hohe Repräsentant habe sich neutral zu verhalten und zu versuchen, europäische und universelle Werte in Bosnien und Herzegowina durchzusetzen, fordern die Bevölkerungsmehrheit aus bosnischen Muslimen, die Minderheiten der Roma und Juden, vor allem aber die nichtnationalistisch eingestellten Bürger der Städte. Im Sommer letzten Jahres demonstrierten Tausende in Sarajevo gegen Schmidt, weil er schon damals versuchte, eine Wahlrechtsreform zugunsten der kroatischen Nationalisten durchzusetzen. Böhmermann regt sich zu Recht darüber auf, wie Schmidt am Wahlabend im Oktober, kurz nachdem die Wahllokale geschlossen waren, das Wahlrecht zugunsten der Kroaten änderte – und das rückwirkend.
Kooperativ auch zu Serbiens Nationalisten
Auch gegenüber den serbischen Nationalisten und deren Führer, dem Putin-Freund Milorad Dodik, zeige sich Schmidt kooperativ, kritisiert Böhmermann. Als am 9. Januar serbische Paramilitärs in einer Vorstadt von Sarajevo aufmarschierten, um der Gründung ihres Kriegsstaates „Republika Srpska“ zu gedenken, den sie von Bosnien abspalten wollen, gab es kein Wort der Kritik vom Hohen Repräsentanten.
Vor allem die Teilnahme des Sohnes des serbischen Präsidenten, Alexandar Vučić, an der Parade gab Anlass, einen eklatanten Bruch diplomatischer Gepflogenheiten zu sehen. Vučić, der während des Krieges zu den glühendsten Propagandisten der serbischen Sache und damit des Völkermordes gehörte, wollte selbst nicht an der Parade in Sarajevo teilnehmen. Das wäre doch zu peinlich gewesen. Aber er schickte seinen Sohn Danilo in diplomatischer Mission.
Und Schmidt hatte nichts anderes zu tun, als die Kritiker aus diplomatischen Zirkeln zu rüffeln, die dies aufs Korn genommen hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke