Wahlen in Bosnien: Ein Deutscher im Fokus der Kritik

Christian Schmidt ist Hoher Repräsentant in Bosnien und Herzegowina. Wollte er auf Druck von Kroatien und den USA das Wahlgesetz ändern?

Ein Politiker vor einem Rednerpult

Menschenrechtler machen ihm Vorwürfe: Christian Schmidt

SARAJEVO taz | Was wurde dem CSU-Politiker aus dem fränkischen Fürth in den letzten Tagen und Wochen nicht alles vorgeworfen. Christian Schmidt kungele mit den Kroaten, habe kein Gefühl für die anderen Bevölkerungsgruppen, werde mit seinen Sondervollmachten als Hoher Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft die Nationalisten stützen und damit Bosnien und Herzegowina endgültig zerstören. In der Tat waren auch gutwillige Beobachter irritiert, als bekannt wurde, dass Schmidt monatelang geheime Verhandlungen mit dem kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenković geführt hatte. Kroatien nutzte seine Kontakte als EU-Mitglied in Brüssel und auch in Berlin, um das in Bosnien bestehende Wahlgesetz anzugreifen.

Vor allem kritisierten die Beobachter, dass die kroatische Bevölkerungsgruppe ihre Kandidaten für die dreiköpfige Präsidentschaft nicht allein, sondern auch mit anderen Bürgern des zweiten Teilstaats, der kroatisch-bosniakischen Föderation beziehungsweise Föderation Bosnien und Herzegowina, wählen lassen musste.

So wurden kroatische Extremisten im höchsten Staatsamt verhindert, denn viele Bosniaken stimmten für den linksliberalen Željko Komšić aus Sarajevo, Kroate zwar, doch loyal zum Staat Bosnien und Herzegowina. Die Loyalität der kroatischen Extremisten aus der Westherzegowina und aus Mostar wurde in der Tat zu Recht angezweifelt. Denn sie fordern nicht nur ein neues Wahlrecht, sondern wollen, dass die dominierende Volksgruppe einer Region das Recht hat, auf „ihrem“ Territorium alles zu bestimmen. Während des Kriegs schon hatten die Kroaten den Parastaat Herceg-Bosna ausgerufen, jetzt drohen die HDZ und ihr Führer Dragan Čović wieder damit.

Auch die US-Botschaft hat ihre Hände im Spiel

So geriet Schmidt in die Kritik von Menschenrechtlern, Zivilgesellschaft und der bosniakischen SDA. Zu Recht befürchteten sie, die HDZ strebe an, Minderheiten aus den von Kroaten bestimmten Gebieten unter Druck zu setzen oder, wie früher, blutig zu vertreiben. Das Wahlgesetz sei nur eine Vorstufe dieser extremistischen Politik, war die Befürchtung in Sarajevo.

Wie sich jetzt herausstellt, war Schmidt auch unter Druck der US-Botschaft, die unbedingt einen Kompromiss zwischen den beiden Nationalparteien SDA und HDZ erzwingen wollte. Die USA gehen davon aus, dass eine neue Allianz zwischen Kroaten und Bosniaken ein Bollwerk gegen Milorad Dodik und damit gegen Putin auf dem Balkan sein könnte, anstatt das Bollwerk in der Demokratisierung des Systems zu sehen.

Das rief natürlich Proteste in Sarajevo hervor. Als Gerüchte umgingen, Schmidt wolle seine Sondervollmachten für die Änderung des Wahlgesetzes zugunsten der kroatischen Extre­misten nutzen, kam es im August zu Massenprotesten. Schmidts Bürohaus wurde belagert.

Diese Proteste seien ihm in die Knochen gefahren, berichten Insider. Schmidt verzögerte die Entscheidung über das Wahlrecht bis zum 2. Oktober, also den Tag der Wahl. Nach Schließung der Wahllokale verkündete er, dass er einige Reformen verfügt habe. Von der Wahlrechtsreform à la Čović war keine Rede mehr. Dagegen sollen in der zweiten Kammer des Föderationsparlaments die Zahl der Sitze so gestaltet werden, dass die kroatische Seite etwas bevorzugt wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.