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Die Linke bei der Berlin-WahlGar nicht so schlimm

Die Linke erzielt bei der Berlin-Wahl, gegen den Bundestrend, ein passables Ergebnis. Die Erleichterung ist groß. Nun würde man gerne weiterregieren.

Klaus Lederer beim Wahlkampfabschluss der Linken im Festsaal der Berliner Stadtmission- Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz | Die Spitzen der Berliner Linkspartei liegen sich erleichtert in den Armen, als am Sonntag die erste Wahlprognose um kurz nach 18 Uhr im Statthaus Böcklerpark in Berlin-Kreuzberg verkündet wird. Ein großer Applaus bricht aus: Gut 12 Prozent – das ist wesentlich besser, als es viele hier erwartet haben. Als Spitzenkandidat Klaus Lederer kurz darauf die Bühne betritt, empfängt ihn ein Sprechchor. „Klaus, Klaus, Klaus!“, rufen die etwa 200 Linken-Mitglieder auf der Wahlparty. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Koalition mit SPD und Grünen weiter möglich – obwohl die CDU mit Abstand stärkste Kraft geworden ist.

Des großen Applaus ungeachtet, hat die Partei dennoch einige Stimmen verloren. Bei der Wahl 2021 kam die Linke noch auf 14,1 Prozent der Stimmen. Die Linken-Hochburg Berlin, wo die Partei seit 2016 mitregiert, bröckelt also weiter – obwohl Lederer nun erklärt, ihm falle „ein Stein vom Herzen“. Auch für Dietmar Bartsch, Linken-Fraktionschef im Bundestag, ist die Linke „wieder da“.

Die Berliner Parteivorsitzende Katina Schubert ruft auf der Bühne: „Wir werden gebraucht in dieser Stadt und diesem Land.“ Und die Linken-Sozialsenatorin Katja Kipping fordert eine Neuauflage einer Regierung mit SPD und Grünen im Land. Es gebe dafür „klare soziale Mehrheiten“.

Doch woran liegt es, dass die Partei fortwährend an Stimmen verliert? „Die Partei ist einfach in einem schlechten Zustand“, sagte der innenpolitische Sprecher der Partei, Niklas Schrader, der taz. Entsprechend hat die „Berliner Linke“ im Wahlkampf voll auf Abgrenzung zum Bund gesetzt. Sogar das Parteilogo wurde entsprechend modifiziert. Überzeugen sollten die realen Entlastungen des rot-grün-roten Senats: etwa das zumindest temporäre 29-Euro-Ticket und das 9-Euro-Sozialticket, der Härtefallfonds gegen Strom- und Gassperren oder der Mietenstopp und das Kündigungsmoratorium in den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften.

Die Partei setzte auf Vergesellschaftung

Zur Wahrheit gehört aber auch: Insbesondere im Kernthema Mieten kann die Partei auf keine strukturellen Gamechanger mehr verweisen, seit CDU und FDP den Mietendeckel weggeklagt und das Bundesverwaltungsgericht das bezirkliche Vorkaufsrecht gekippt hat. Umso wichtiger ist für die Partei der erfolgreiche Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne, dessen konsequente Umsetzung weiter das Alleinstellungsmerkmal der Partei ist.

Um den Volksentscheid durchzusetzen, müssen die Linken aber mitregieren. Ob das möglich sein wird, darauf hat die Partei jedoch kaum Einfluss. Der klare Gewinner des Abends ist die CDU. Schafft diese es, eine Koalition mit SPD oder Grünen zu bilden, ist es egal, dass es auch für eine Mehrheit mit SPD und Grünen reichen könnte.

Sozialsenatorin Kipping warnte auf der Wahlparty denn auch gleich davor, dass die „Truppe um Kai Wegner“ ins Rote Rathaus kommen könnte – das würde die Stadt weiter spalten. „Wem Berlin am Herzen liegt, kann das nicht wollen“, sagte Kipping, die damit wohl auf den rassistisch aufgeladenen Diskurs der CDU im Nachgang der Berliner Silvesternacht anspielte.

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6 Kommentare

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  • Die CDU punktete, laut Umfrage, mit dem Thema Recht und Ordnung.



    Das war die Partei, die die Vornamen der Böllerspezialisten forderte?



    Da wird in Berlin ja echt eine Brandmauer gegen Rechts errichtet.



    Die Grünen sehen schon " klare Regierungsbeteiligung".



    Für links stehende BürgerInnen gibt es nur die Option der Fortsetzung der Koalition.



    Wer mit der CDU zusammen arbeitet, macht dies wohl nicht aus inhaltlichen Gründen.

  • 2 Prozentpunkte Verlust innerhalb von 1,5 Jahren, aber "alles nicht schlimm"?

    Eine Partei, die sich nur wegduckt und sich in alles fügt. Wenn sie weiter so schnell und viel verliert, wird sie noch vor Lederers Rente aus dem Parlament fallen.

    • @Rosmarin:

      Man sollte auch bedenken, dass die Wahlbeteiligung gesunken ist und bei sinkender Wahlbeteiligung sind es oft die Ärmeren die zuhause bleiben. Die Reichen sind diesbezüglich deutlich "fleißiger", viele der sozial schwachen haben halt auch einfach nimmer das große Vertrauen und viel Hoffnung. Wenn man das bedenkt und wenn man sich den Verlust in anderen Bundesländern und auf Bundesebene anschaut, kann man schon sagen, dass die 2 Prozentpunkte net so schlimm sind

  • 15% Verluste = Passabel…

    Muss ich meinem Chef auch mal erklären das 15% weniger operatives Ergebnis durchaus okay sind.

  • “Die Linke ist wieder da” erklärt Dietmar Bartsch. Kann man so sehen. Oder: noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Immerhin stehen die Linken im Bund aktuell wieder stabil bei 6%. Das ist nicht die Welt, aber somit kann man Bartsch durchaus zustimmen.



    Und trotz gewaltigen Stimmenzuwaches für die CDU wird es in Berlin keine bürgerliche Mehrheit geben, weil die FDP aus dem Senat hinaus gewählt wurde. Für die Liberalen wird es damit auch auf Bundesebene eng und es befeuert nur die Rufe derjenigen unter ihnen, die die Ampel gerne platzen lassen möchten.



    Und die CDU profitierte in erster Linie von den Schwächen der Berliner Regierungsparteien, nicht, weil sie sich selbst großartig profiliert hat. Oder sieht das jemand von den Hauptstadt-Bewohner*innen unter den Foristen anders?



    Also wird es wohl eine Fortsetzung der bisherigen Koalition geben, entweder unter Führung der SPD oder der Grünen. Bei letzterem käme Frau Jarasch doch noch zum Zug, persönlich gönne sich es ihr, nicht aber ihrer Partei. Dass die Grünen sich - trotz der ganzen Lützi- und Hambi-Debatten - überraschend gut halten konnten, führe ich in erster Linie auf die Berliner Verhältnisse zurück, im Bund sieht der Trend weitaus schlechter aus.



    Das miserable Abschneiden von Giffeys Berliner SPD lässt sich mit einem Wort kommentieren: verdient! An einen (negativen) Scholz-Effekt bzw. des Bundes-Trends glaube ich hingegen nicht.



    Und die AfD? Dazu möchte ich mich am liebsten überhaupt nicht äußern … schwacher Trost, dass deren Stimmenzuwächse unter Berliner Verhältnissen nur “moderat” ausfallen. Ich fürchte, unter sächsischen Bedingungen hätten wir einen Erdrutschsieg erwarten können.

    • @Abdurchdiemitte:

      Was ich mich ja bei der FDP frage: wer denkt allen ernstes, dass man diese Kleinpartei in der Ampelregierung noch stärker wahrnehmen muss? Wirklich alle die ich kenne regen sich über die FDP auf, eben WEIL sie so viel bestimmen und verhindern auf Bundesebene. Wer sagt das den Liberalen? Also, dass sie sich mal lieber um Digitalisierung und ÖPNV kümmern sollten, anstatt Politik für Autofahrer zu machen und staatliche Entlastungen zu verhindern oder zu schmälern.



      Die FDP braucht mMn 3 Erfolge mit denen sie dann weiter für sich werben kann: Digitalisierung, Entbürokratisierung und Legalisierung von Cannabis