Linke nach der Berlin-Wahl: „Vergleichsweise aufgeräumt“

Die Linkspartei ist dem Abwärtstrend der Bundespartei entkommen. Jetzt beobachtet sie ersteinmal, was SPD und Grüne tun.

Janine Wissler (r) und Martin Schirdewan (l) überreichen Klaus Lederer (2.v.r)und Katina Schubert (2.v.l) bei einer Pressekonferenz

Pressekonferenz der Linken am Tag nach der Wahl: Große Erleichterung trotz Verluste Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN taz | Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Berliner Linkspartei, sagte am Montagmittag, er sei „vergleichsweise aufgeräumt“. Zu Recht. Die Berliner Linkspartei ist dem Abwärtssog der Bundespartei entkommen. Sie hat zwar ein wenig verloren – aber dieses Minus ist fast ein gefühlter Sieg. Trotz des miserablen Erscheinungsbildes der zerstrittenen Bundeslinken hat sich die Partei in Berlin als progressive Kraft profiliert. 43 Prozent der Berliner WählerInnen fänden es gut, wenn die Linkspartei weiter mitregieren würde. Laut Lederer verdankt sich das der Mixtur von „klarer Haltung“ etwa bei der Enteignung von Wohnungskonzernen und „Pragmatismus“.

Die zweite Lektion dieser Wahl ist für die Linkspartei zwiespältiger. Auch in Berlin gelingt der vergleichsweise gut aufgestellten Partei der Brückenschlag zwischen hippen, bewegungsorientierten Innenstadtmilieus und den Außenbezirken nur begrenzt. Ost-West-Spaltung war früher – die neue Grenze verläuft zwischen Innenstadt und Außenbezirken. 17,4 Prozent haben innerhalb des S-Bahn-Rings bei der Linkspartei ihr Kreuz gemacht, nur 10,2 Prozent waren es jenseits des Rings.

Die Bindungskräfte an eher traditionelle Milieus, die für weniger Autoparkplätze und Tempo 30 in der ganzen Stadt nicht zu begeistern sind, schwinden offenbar. In dieses Bild passt, dass die Partei mehr bei Männern als bei Frauen verloren hat. Die neuen Hochburgen der Linkspartei sind Nordneukölln und Friedrichshain-Kreuzberg, Innenstadtbezirke, die jünger und akademischer geprägt sind. Ihr bestes Ergebnis erzielten die GenossInnen mit 30,7 Prozent nicht im Osten, sondern in dem Wahlbezirk Neukölln 2. Die Linkspartei hat vier Direktmandate gewonnen – zwei in Lichtenberg, je eins in Kreuzberg und Nordneukölln.

Und nun? Die Gesamtlage sei, so Lederer, „paradox“. Denn die CDU hat die Wahl zwar eindeutig gewonnen, aber gleichzeitig seien von ihr geführte mögliche Koalitionsregierungen mit SPD oder Grünen in Umfragen äußerst unbeliebt. Dass die SPD hauchdünn vor den Grünen liegt, mache eine Fortführung von R2G wahrscheinlicher.

Die grüne Partei, so die Einschätzung mancher Linker, würde Angebote der CDU eher ausschlagen als eine SPD ohne Aussicht auf das Rote Rathaus. Bei dem Machtpoker der nächsten Tage schaut die Linkspartei erst mal zu. Bevor es zu möglichen rot-grün-roten Gesprächen kommt, wird die CDU mit SPD und Grünen reden. „Wir sind zu Gesprächen bereit. Alles Weitere wird sich zeigen“, so Lederer lakonisch.

Enteignung wird großes Thema

Wenn es zu Verhandlungen der Linkspartei mit SPD und Grünen kommt, steht für die Linken womöglich eine Zerreißprobe bevor – zwischen den gelobten Tugenden „klarer Haltung“ und „Pragmatismus“. Denn im Mai wird die vom Senat berufene Kommission ihren Bericht vorlegen, ob die Enteignung von Wohnungskonzernen finanziell und juristisch machbar ist.

Falls die Kommission wie erwartet grünes Licht gibt, ist die Linkspartei in der Pflicht, auch gegen Widerstand aus der SPD-Führung dafür zu sorgen, dass das Enteignungsgesetz kommt. Katina Schubert, Chefin der Berliner Linken, kündigte schon mal an, man werde „mit großen Selbstbewusstsein“ in mögliche Gespräche mit SPD und Grünen gehen.

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