piwik no script img

Oppositioneller aus TadschikistanAbschiebung in den Knast

Trotz massiver Warnungen wurde ein Tadschike aus NRW abgeschoben. Nun sitzt er im Gefängnis. Dort droht ihm Folter.

Mahnwache am Samstag, 28.01.2023 vor der Dortmunder Ausländerbehörde Foto: Cornelia Suhan

Bochum taz | Abdullohi Shamsiddin wusste, was ihn in Tadschikistan erwartet: „Riesige Angst“ habe er, sagte der Oppositionelle Mitte Januar bei seinem letzten Telefonat mit der taz aus dem Abschiebeknast Büren heraus. Als Mitglied der seit 2015 verbotenen, als nicht extrem geltenden Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans (IRPT), als Sohn eines hochrangigen Parteikaders drohten ihm dort nicht nur jahrzehntelange Sippenhaft, sondern auch „Schläge, Elektroschocks, Schlafentzug“, erklärte er unter Tränen.

Trotz massiver Warnungen von Menschenrechtsorganisationen wurde Shamsiddin am 18. Januar trotzdem abgeschoben. Nach seiner Ankunft in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe verschwand er fast zwei Wochen spurlos. Erst Ende Januar konnte er sich kahlgeschoren aus einem Gefängnis melden, in dem er offenbar unter menschenunwürdigen Bedingungen sitzt: Aus der Haft heraus bittet er um „Matratze, Decke, Seife, Shampoo, Zahnpasta, Hose, Jacke, Socken, Lebensmittel“.

Möglich gemacht haben das deutsche Behörden. Zwar antwortet die Bundespolizei seit 13 Tagen nicht auf eine Anfrage der taz, wie weit ihre Be­am­t:in­nen Shamsiddin begleitet und ob sie ihn an tadschikische Sicherheitskräfte übergeben haben – doch offenbar ist genau das geschehen: Bei seiner „Rückführung nach Duschanbe, Tadschikistan“ sei der Vater zweier Kleinkinder „von der Bundespolizei begleitet worden“, heißt es von der Stadt Dortmund, deren Ausländerbehörde die Abschiebung federführend betrieben hat.

„Wie bei allen begleiteten Rückführungsmaßnahmen üblich – so auch bei Herrn Abdullohi Shamsiddin – werden die Betroffenen nach Einreise an die im jeweiligen Herkunftsland zuständigen Behörden für die Grenzkontrolle verwiesen“, erklärt die städtische Pressestelle Dortmund.

Verantwortung für Shamsiddins Haft im tadschikischen Knast aber will in Deutschland niemand übernehmen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Furcht des Tadschiken vor politischer Verfolgung zuletzt am 21. Dezember für unbegründet erklärt hat, „äußert sich grundsätzlich nicht zu Einzelfallfällen im Asylverfahren“.

Die Stadt Dortmund erklärt, das „Beschleunigungsgebot in Haftsachen“ verpflichte „die Ausländerbehörden, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Dauer der Sicherungshaft auf ein Mindestmaß zu beschränken“. Mit anderen Worten: Weil Shamsiddin schon „über fünf Wochen in Abschiebehaft“ saß, habe er den tadschikischen Sicherheitskräften möglichst schnell ausgeliefert werden müssen.

Auch das von der Grünen Josefine Paul geführte nordrhein-westfälische Integrationsministerium verweist auf „mehrere entsprechende Gerichtsurteile“, die Shamsiddins Abschiebung für rechtmäßig erklärt haben – und an die sei die „Landesregierung selbstverständlich gebunden“.

Der DNA-Test wurde gerichtlich nicht angeordnet

Tatsächlich hatte das zuständige Verwaltungsgericht Gelsenkirchen noch am Tag der Abschiebung einen von Un­ter­stüt­ze­r:in­nen des 32-Jährigen in Auftrag gegebenen DNA-Test, der belegt, dass Abdollahi Shamsiddin mit einer Wahrscheinlichkeit „größer als 99,9999 Prozent“ Sohn des in Aachen als anerkannter Flüchtling lebenden führenden IRPT-Kaders Shamsiddin Saidov ist, als nicht beweiskräftig abgelehnt: Die Entnahme der DNA-Proben sei nicht überwacht worden, bemängelte ein Einzelrichter. Das Gericht gab den DNA-Test allerdings auch nicht in Auftrag.

Eine weitere, die „Verfolgungsfurcht“ stützende Zeugenaussage eines weiteren tadschikischen Oppositionellen wurde nicht anerkannt. Die Frage, ob diese Beschlüsse angesichts der sofortigen Inhaftierung Abdullohi Shamsiddins in Tadschikistan auch heute weiter vertretbar seien, beantwortet das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nicht.

Heftig kritisiert wird die Abschiebung dagegen von Menschenrechtsorganisationen. „Niemand sollte in ein Land deportiert werden, in dem eine reale Foltergefahr besteht“, sagt Hugh Williamson, Direktor der für Zentralasien zuständigen Abteilung von Human Rights Watch. Mit der Auslieferung habe Deutschland gegen seine „internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte verstoßen“, heißt es auch von Seiten der Organisation Freedom for Eurasia.

Deshalb müsse das grün geführte Bundesaußenministerium jetzt Druck auf die Regierung des autokratischen Präsidenten Emomalij Rahmon machen – und auf eine schnelle Freilassung des Regimegegners drängen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Deutschland möchte sich halt nicht mehr die Hände schmutzig machen, bei Rassismus und Co. dann lieber abschieben und andere Staaten dafür bezahlen.



    *ekelhAfD* und das in einer angeblichen Demokratie mit Gewaltenteilung....

  • Das macht mich echt wütend, dass einfach abgeschoben wird in Folterstaaten. Die Behörden wissen das genau.



    Als gelte es alle Menschen in Zentralasien und Afghanistan nun zu bestrafen.



    Alle brauchen doch Freiheit und Veränderung!



    So wird das Asylrecht gebrochen.

  • Der Mann ist wegen Vergewaltigung vorbestraft und ein Lügner. In einem früheren Artikel hat er behauptet, er sei verurteilt worden, obwohl er glaubte, als Zeuge geladen zu sein und ohne Anwalt. Dabei ist Vergewaltigung ein Verbrechen, wo man immer einen Pflichtverteidiger bekommt und am Anfang des Prozeses wird die Anklage verlesen. Da weiß man, dass man kein Zeuge ist.

    • @Dr. McSchreck:

      Solange er keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland darstellt, kann er auch nicht einfach wegen einer Straftat abgeschoben werden.

      Aber mit dem Einwand, er hätte wissen müssen, in welcher Eigenschaft er dem Prozess beiwohnte, haben Sie natürlich Recht. In Tadschikistan ist die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge etwas anders definiert als bei uns. Um einen Imageschaden von sich abzuwenden ist es durchaus legitim, sich nicht im Einklang mit den Fakten zu äußern. Shamsiddins merkwürdige Beteuerungen richten sich also offenbar an die eigene Community.

      Der Fall ist insgesamt sehr verworren. Die tadschikische Opposition trägt leider wenig zur Klärung bei, und warum es nicht zu einer Familienzusammenführung in Litauen kam, weiß ich auch nicht. Klar ist aber, dass der Mann zuletzt gut integriert war und wohl unter das Chancen-Aufenthaltsrecht gefallen wäre. Wahrscheinlich hat also irgendein Sachbearbeiter im Ausländeramt versucht, vor Inkrafttreten schnell noch Fakten zu schaffen. Darin liegt der Skandal.

    • @Dr. McSchreck:

      Das stimmt zwar, ein Asyl oder Anerkennung als Flüchtling kann zwar bei einer schweren Straftat widerrufen oder verweigert werden, das Refoulment-Verbot gilt aber weiterhin. Selbst ein Vergewaltiger darf nicht irgendwohin abgeschoben weden, wo ihm Hinrichtung, Folter oder ungerechtfertigte Inhaftierung droht.

      Viel relevanter wäre die Frage: mit welcher Begründung wurde er ins Gefängnis gesteckt? Wenn es nämlich wegen einer Straftat geschah, welche er noch verübt, bevor er Tadschikistan verließ, dann ist an der Verhaftung und der Abschiebung nichts ungerechtfertigtes.

      Eine weitere Frage die interessant wäre: hat er denn sich um Aufnahme in einem anderen Land bemüht, als er seinen ablehnenden Bescheid bekommen hat, aber noch nicht in Abschiebehaft genommen wurde? Zum Beispiel in die Türkei, die ja auch andere tadschikischen Oppositionelle aufnahm.

    • @Dr. McSchreck:

      Folter ist dann schon okay, wenn das so sein sollte, wie Sie vermuten?



      Wenn Sie die Unteilbarkeit von Menschenrechten nicht verstehen, okay, blöd.....



      Aber unsere Behörden und Gerichte sollten das schon tun!

      • @Life is Life:

        Der Mann hat drei Asylverfahren durchlaufen, ist der Abschiebung im zweiten Verfahren nur durch Selbstverletzung entgangen und hat seine echte Identität erst im dritten Verfahren offen gelegt.

        Zu diesem Zeitpunkt mussten ihm Behörden und Gericht keinen Glauben mehr schenken und durften von einer Schutzbehauptung ausgehen. Er hätte das DNA Gutachten unlängst vorlegen können.

      • @Life is Life:

        Wieso sollte Folter okay sein? Der Mann war seit langer Zeit ausreisepflichtig. Laut anderen Berichten lebt seine Familie schon länger in Litauen. Er hätte die Abscheibung leicht vermeiden können, wenn er einfach ausgereist wäre, zum Beispiel zu dieser Familie.

        Unsere Behörden und Gerichte verstehen das auch ganz gut, kann ich aus meiner beruflichen Erfahrung sagen. Sie lassen sich aber nicht an der Nase herumführen.

    • @Dr. McSchreck:

      Volle Zustimmung

  • Fachkräfte willkommen. Die fehlen dann aber in den Herkunftsländern und behindern dort eine wirtschaftliche Entwicklung. Und alle andere? Die werden hier in Lager irgendwo im Osten untergebraucht oder in den sicheren Tod oder Verfolgung abgeschoben. Das soll wertegebundene Politik sein? DAS IST menschenfeindlicher KOLONIALISMUS.

    Menschen in den Tod oder das Gefängnis abzuschieben ist ein Verbrechen.

    • @V M:

      §4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetztes besagt „Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, …(etc.)“.



      Es ist nicht so, dass in D Regierungen, Behörden und Gerichte nach eigenem Gutdünken entscheiden; es ist ein demokratisch verabschiedetes Gesetz, an welches sie sich zu halten haben: das nennt sich Rechtsstaatlichkeit. Wenn einem das nicht gefällt, kann er natürlich dagegen argumentieren und für die Änderung des Gesetzes eintreten, es vor dem Verfassungsgericht anfechten, etc. aber einhalten muss man es grundsätzlich dennoch.



      Jemand der keinen Aufenthaltstitel hat, darf sich grundsätzlich nicht in Deutschland aufhalten, und dass ist in so ziemlich jedem geordneten Land der Welt so. Man kann auch durch Asyl oder durch Anerkennung als Flüchtling einen Aufenthaltstitel erhalten. Fehlentscheidungen können zwar vorkommen (in den Behörden arbeiten ja auch nur Menschen), und vielleicht war es in diesem Fall so. Aber was daran Kolonialismus sein soll verstehe ich nicht.

      Geben sie mir Ihre Definition von Kolonialismus. Vielleicht verstehe ich es dann.

      "in den Tod oder das Gefängnis abzuschieben ist ein Verbrechen."

      In den Tod und in Folter ja, ins Gefängnis nicht unbedingt. Kommt drauf an, weswegen er ins Gefängnis gesteckt wurde. Aus früheren Artikeln geht hervor, das er bereits 2009 (als etwa 19-jähriger) nach Deutschland kam und bis 2022 unter falschem Namen lebte. Das er dies wegen Furcht vor Verfolgung durchs tadschikische Regime getan haben soll ist völlig unglaubwürdig: die IRPT wurde erst 2015 verboten und die Mitglieder erst danach verfolgt. Eine nicht-politische Straftat und die Flucht vor dem Gesetz wäre hingegen ein plausibler Grund. Von so etwas werden aber die Organisationen und seine Angehörigen die sich für ihn einsetzen nichts wissen (wollen). Wenn er wirklich Inhaftiert worden ist, weil er Sohn von Shamsiddin Saidov ist, hat man ihm mit dem DNA-Test vielleicht sogar noch einen Bärendienst erwiesen.

    • @V M:

      Endlich mal einer, der differenziert. Sollte der Beschuldigte wirklich der Vergewaltigung für schuldig gesprochen werden, dann hätte er eine schwere Straftat begangen und sollte in den Knast. Aber dann bitte hier oder in einem Land, wo nicht gefoltert wird.