Nachfolge für Transsexuellengesetz: Nächste Etappe zur Selbstbestimmung

Seit Monaten liegen die Eckpunkte für das geplante Selbstbestimmungsgesetz vor. Nun scheinen die zuständigen Ministerien vor einer Einigung.

Portrait Marco Buschmann

Beim ihm liegt gerade der Referentenentwurf zum Gesetz: Justizminister Marco Buschmann (FDP) Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Monatelang wurde der Gesetzentwurf für das geplante Selbstbestimmungsgesetz zwischen Justiz- und Familienministerium hin und her geschoben. Jetzt scheint es aber einige Einigung zu geben. Wie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dem Tagesspiegel sagte, ist der Entwurf „weitgehend abgeschlossen“. Gegenüber der taz bestätigte ein Mitarbeiter des Familienministeriums: Nun werden Details geklärt. Wann der Gesetzentwurf fertiggestellt wird, liegt wohl an terminlichen Fragen.

Sven Lehmann (Grüne), Queerbeauftragter der Bundesregierung und Staatssekretär des Familienministeriums, übte nach Buschmanns Äußerung auf Twitter Druck auf Buschmann aus: „Es wäre wichtig, wenn es endlich grünes Licht dafür gäbe, damit wir mit der Gesetzgebung starten können. Das diskriminierende Transsexuellengesetz muss dieses Jahr abgelöst werden, das sind wir den Menschen schuldig.“

Eckpunkte für das Selbstbestimmungsgesetz stellten Buschmann und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bereits im Juni letzten Jahres vor. Darin wurde bekannt gegeben, dass es künftig eine einheitliche Regelung für alle transgeschlechtlichen sowie nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen geben wird, die ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen ändern wollen. Geschlechtsangleichende Maßnahmen sind nicht Teil des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes.

Das Selbstbestimmungsgesetz soll das seit 1981 geltende Transsexuellengesetz ablösen, da es in Teilen als verfassungswidrig erklärt wurde. Momentan sind zwei psychologische Gutachten nötig, um den Geschlechtsantrag anzupassen. Dabei werden teils intime Fragen gestellt wie: „Wie oft masturbieren Sie wöchentlich?“

Verbände warten auf den Entwurf

Dass diese Praxis entwürdigend ist, erkennt auch Buschmann in einem Interview mit der Zeit an: „Der Staat muss die geschlechtliche Identität respektieren, die eine Bürgerin oder ein Bürger hat. Deshalb darf er Personen, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen, nicht durch quälende Verfahren zwingen.“

Doch im Bundesjustizministerium scheint man Sorge zu haben vor Männern, die ihren Geschlechtseintrag anpassen, um in Frauenschutzräume zu dringen. So äußerte sich Buschmann Anfang Januar im gleichen Interview mit der Zeit, dass geprüft werden müsse, inwiefern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt werden können, wenn eine Betreiberin einer Frauensauna einer Person angeknüpft an die äußere Erscheinung den Zutritt verweigern könne.

Ak­ti­vis­t_in­nen beobachten diese Äußerungen kritisch. So sagte Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*: „Wir erleben, dass seit einigen Wochen Marco Buschmann von vermeintlich nicht geklärten Fragen spricht.“ Das Selbstbestimmungsgesetz solle nicht dazu führen, dass das AGG ausgehebelt werde. „Es ist wichtig, dass nicht unterschieden wird zwischen trans Personen, die operiert sind, und solchen, die nicht operiert sind.“

Für Hümpfner ist wichtig, dass das Selbstbestimmungsgesetz bald kommt und der Referent_innenentwurf den Verbänden zur Abstimmung geschickt wird: „Wir kennen die Eckpunkte. Die Selbstauskunft wird ausschlaggebend sein. Dass das Verfahren vorm Standesamt geführt wird, ebenso.“

Ähnlich äußerte sich Nora Eckert, Vorständin bei TransInterQueer: „Es soll so niedrigschwellig wie möglich sein. Wünschenswert wäre, wenn Namensänderung und Personenstandsänderung ab 14 ohne Zustimmung der Sorgeberechtigten möglich würde.“ Nach den aktuellen Eckpunkten haben 14-Jährige die Möglichkeit, ihren Geschlechtsantrag anzupassen, die Eltern müssen zustimmen. Tun sie das nicht, haben Jugendliche die Möglichkeit, vor das Familiengericht zu ziehen.

Eckert bewertet das kritisch: „Man muss sich die Situation vorstellen, wenn die Sorgeberechtigten nicht zustimmen: Da ist eine junge Person mit ihren Problemen. Dazu kommen die Schwierigkeiten mit den Eltern, und dann sollen sie im Konfliktfall noch vor das Familiengericht gehen. Das soll einem 14-Jährigen abverlangt werden.“ Im Moment ist den meisten LGBTIQ+-Verbänden wichtig, dass das Selbstbestimmungsgesetz überhaupt vorangebracht wird.

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