piwik no script img

Hamburger Polizei beschlagnahmt PlakateErmittlungen für rechten Kollegen

Andreas Speit
Kolumne
von Andreas Speit

Die Hamburger Polizei beschlagnahmt Plakate, die auf einen rechtsextremen Polizisten aufmerksam machen. Dieser war als COP4U an Schulen im Einsatz.

Unter einer dieser Mützen steckte auch der Kopf des Kollegen, der rechte Posts verbreitete Foto: dpa | Maurizio Gambarini

E s sind kleine Plakate, aber sie führen zu großen Aktivitäten. Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg entfernt die Polizei verschiedene Zettelvarianten, auf denen auf einen Polizistenkollegen aufmerksam gemacht wird, der rechtsextreme Posts über Facebook verbreitete. „Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Beleidigung“, sagt ein Polizeipressesprecher der taz und bestätigt, dass die „Zettel wiederholt als Beweismittel sichergestellt“ wurden. Eines der kleinen Plakate ist in den ersten Zeilen wie eine Stellenausschreibung formuliert: „PK44 sucht COP4U mit 'Berufserfahrung’“. In Klammern gesetzt heißt es aber weiter: „Hart, Gerecht und Rechtsradikal“.

Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres war dem Bürgerschaftsabgeordneten der Linken, Deniz Celik, aufgefallen, dass gegen einen bürgernahen Polizeibeamten (COP4U) aus dem Polizeikommissariat 44 in Wilhelmsburg interne Maßnahmen eingeleitet wurden.

Der innenpolitische Sprecher der Fraktion erst brachte den Vorgang in die Öffentlichkeit: Über Jahre hatte der Polizeibeamte via Facebook Posts sogenannter alternativer Medien aus dem rechtsextremen Spektrum verbreitet. Die Online-Aktivitäten waren den Kol­le­g*in­nen aufgefallen. Die politischen Aktivitäten meldeten sie nicht, einzelne von ihnen setzten vielmehr zustimmende Kommentare ab. Erst ein anonymer mehrseitiger Brief an die Beschwerdestelle der Polizei führte zu Ermittlungen, sagte Celik der taz im Dezember 2022.

Der langen Untätigkeit der Kol­le­g*in­nen folge nun schnelles Handeln, meint ein Anwohner zu taz. Er beobachtete, dass die Polizei nun im Stadtteil in der Nähe von Schulen im Reiherstiegviertel die Zettel entfernt, dessen ersten Zeile jeweils unterschiedlich lautet. So steht auf einem „COP4U – Dein Freund und Nazi“ und auf einem anderen: „COP4U radikal durchgreifen bei Problemkindern!“

Schweigende Kol­le­g*in­nen

Nach den ersten Zeilen – fett hervorgehoben – haben die anonymen Au­to­r*in­nen den Sachverhalt zusammengefasst: dass die „Kolleg*innen“ von der „Wache PK44“ die Ansichten ihres Kollegen kannten aber nicht einschritten, was für sie „bisher“ keine Folgen gehabt habe. Die Au­tor*­in­nen fragen: „Welche Konsequenzen ziehen Schulen, Eltern, wenn Po­li­zis­t*in­nen als vermeintliches Erziehungspersonal, für Kinder mit Sorgen und Problemen, in einem problembelasten und multikulturellen Stadtteil wie Wilhelmsburg zuständig sein soll?“

„Das Auftreten der Polizei soll wohl einschüchtern“, sagt der Anwohner. Er fand die Entfernaktion etwas martialisch. Denn gleich zwei Streifen seien gekommen, die Polizeibeamt*in­nen hätten sich so aufgestellt, als bestünde eine Bedrohung, berichtet er. Bei der Entfernung hätten die Be­am­t*in­nen Handschuhe getragen – vielleicht um Fingerabdrücke oder DNA-Spuren zu sichern, fragt er sich. Der Sprecher der Polizei möchte der taz zu „einzelnen Ermittlungsschritten“ aus „taktischen Gründen“ nicht antworten.

In der Rechtsprechung ist es zwar umstritten, doch der Verdacht einer Beleidigung, eine „herabsetzende Äußerung“, liegt nur vor, wenn eine konkrete Person betroffen ist. Kurz: die Polizei ermittelt für einen Kollegen, der Hass und Hetze verbreitete.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Danke an Andreas Speit & die taz!



    Daß ihr immer solche letztlich unglaublichen Vorgänge bei „unseren Freunden & Helfern“ aufdeckt!



    Dranbleiben & Dank im Voraus.

    Was am meisten bei derartigen Vorgängen aufstößt!



    Ist - mit welcher selbstsicheren Unverfrorenheit dabei die Betroffenen zu Werke gehen: “Wieso? Ich darf das - ich bin doch Polizist!“



    ( ein illegal in den Meckenheimer Weißen Bällen anhörender Uniformträger zu nem Kripo-Kollegen!;(



    & nochens



    Wie sicher sich die A 45 - Sauerlandlinie



    Autobahnpolizei mit ihrem illegalen Owi-Katalog gefühlt haben!



    Erhellt - daß sie illegal abgepresste Ware Schweinehälften - Joghurt-Paletten - the whole shit - im Intra-Net zum Verkauf angeboten haben. Bis das einem mehrbesternten auffiel!



    Keiner wurde belangt •

    So geht das ©️ Kurt Vonnegut



    (Kleiner Ausriß aus gut 10 Jährchen Dienstrecht als VerwRi)

  • taz-Zitat: "(...) 'Das Auftreten der Polizei soll wohl einschüchtern', sagt der Anwohner. Er fand die Entfernaktion etwas martialisch. Denn gleich zwei Streifen seien gekommen, die Polizeibeamt*in­nen hätten sich so aufgestellt, als bestünde eine Bedrohung, berichtet er. (...)"

    Wieder ein schönes Beispiel für den Streisand-Effekt, ähnlich des Hamburger "Pimmel-Gate"

  • Allein der Name "COP4U" ist ja schon peinlich.

    • @rero:

      ACAP All Cops Are Peinlich?😀(Schbässle)