Polizist verbreitet rechtsextreme Posts: Duldsame Kolleg*innen
Ein Hamburger Polizeibeamter veröffentlichte jahrelang rechtsextreme Posts auf Facebook. Viele Kolleg*innen wussten davon – und schwiegen.
E in weiterer Einzelfall, getragen von vielen: Auf Facebook hat ein Hamburger Polizeibeamter Posts sogenannter alternativer Medien aus dem rechtsextremen Spektrum verbreitet. Über Jahre hat der als bürgernaher Beamter eingesetzte Polizist über das soziale Medium Hass und Hetze verbreitet.
Die Facebook-Seite war Kolleg*innen aufgefallen. Doch anstatt die politischen Aktivitäten zu melden, setzten einzelne von ihnen zustimmende Kommentare ab. Erst ein anonymer Hinweis, ein mehrseitiger Brief an die Beschwerdestelle der Polizei, habe zu Maßnahmen geführt, sagt Deniz Celik. Der innenpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion der Linken brachte den Vorgang durch eine Kleine Anfrage in die Öffentlichkeit.
Im Innenausschuss der Bürgerschaft wollte Celik am Dienstag wissen, was genau der Beamte postete. Doch eine Auskunft erhielt er nicht. Der Polizist, der im multikulturell geprägten Stadtteil Wilhelmsburg auch in Schulen als sogenannter Cop4U, also als Ansprechpartner für Schüler:innen und Lehrpersonal, wirkte, wurde versetzt. Die Disziplinarabteilung der Polizei ermittelt. Der Staatsschutz war zwischenzeitlich ebenfalls mit der Sache befasst, hatte in den Facebook-Posts aber keine strafrechtliche Relevanz erkannt. Sieben weitere Profile von Beamten seien ebenfalls überprüft worden
„Zu dem laufenden Disziplinarverfahren kann ich nichts sagen“, sagt Polizeipressesprecher Holger Vehren, da dieses eben noch liefe. Nach Abschluss würde sich zeigen, ob und wenn ja welche disziplinarischen Schritte geboten seien, so Vehren zur taz. Zu überprüfen sei, ob ein Verstoß gegen die politische Neutralitätspflicht oder die Pflicht zur Verfassungstreue vorliege und ob der Beamte gegen das Mäßigungsgebot oder die Wohlverhaltenspflicht verstoßen habe. Im Innenausschuss hieß es, das Verfahren werde bald abgeschlossen.
Die Versetzung sei nicht bloß ein „falsches Signal“, sagt indes der Abgeordnete Celik. Er vermisst ein „klares und deutliches Zeichen gegen rechts“. Personen mit menschenfeindlichen Positionen müssten aus dem Polizeidienst entfernt werden, so der Bürgerschaftsabgeordnete. Und die Fraktion der Linken erwartet von der Behörde eine „umfassende Aufklärung über die Situation am PK 44“, dem Kommissariat in Wilhelmsburg, wo der Polizeibeamte Dienst tat.
Den Vorfall hatte Celik im ersten Tätigkeitsbericht der Dienststelle „Beschwerdemanagement und Disziplinarangelegeheiten“ der Polizei Hamburg ab Seite 70 entdeckt. Dort wird ausgeführt, dass der Polizeibeamte den Hinweisgebenden auffiel, weil er auf seinem privaten Profil über Jahre regelmäßig Beiträge mit rechten Posts als auch solche mit „dienstlichem Bezug“ veröffentlicht hatte. Auf dem öffentlichen Profil habe der Beamte zudem rechtsextreme Kommentare Dritter nicht gelöscht oder diesen wenigstens widersprochen.
Über Facebook seien „eine Vielzahl“ von Kolleg*innen aus dem Polizeikommissariat 44 mit ihrem Kollegen verbunden gewesen, heiß es in Celiks Kleiner Anfrage. Sie hätten folglich zwangsläufig einen großen Teil der Posts zumindest wahrgenommen.
„Insgesamt ergab sich für den Beschwerdeführenden der Eindruck, das gesamte PK kenne die Einstellung des hier beschwerten Beamten und begrüße sie womöglich“, fasst Celik in der Kleinen Anfrage zusammen.
In der Antwort erklärt der Senat, dass „das gesamte Führungspersonal des PK 44“ bereits eine „mehrstündige Fortbildung“ erhalten habe. Deren Ziel: „Erhöhung der Sensibilität im Umgang mit politisch motiviertem Fehlverhalten“. In der Fortbildung, die allein von der Polizei ausgerichtet wurde, sei auch über die Folgen eines „gesellschaftlichen Vertrauensverlusts in die Polizei“ in einem „migrantisch geprägten Stadtteil“ diskutiert worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was