Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: „ACAB“ ist nicht strafbar
„All Cops are Bastards“ beleidigt nach Karlsruher Ansicht keine einzelnen Polizisten. Die Hassparole drücke nur allgemeine Ablehnung der Polizei aus.
Im Oktober 2012 hatte ein Münchener Fan im Stadion eine Hose getragen, auf deren Gesäßpartie die Großbuchstaben ACAB gedruckt waren. Das Amtsgericht München verurteilte ihn daraufhin zu 300 Euro Geldstrafe wegen Beleidigung der bei dem Fußballspiel eingesetzen Bereitschaftspolizisten. Der Fan habe damit rechnen müssen, dass die Beamten die unflätige Parole lesen.
Der zweite Fall spielte in Karlsruhe. Schon 2010 hatte ein Fan gemeinsam mit anderen im Stadion die Buchstaben ACAB in die Höhe gehalten. Auch er wurde wegen Beleidigung verurteilt. Das Landgericht Karlsruhe hielt 600 Euro Strafe für angemessen.
Eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts hob nun beide Verurteilungen auf, weil sie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzten. Zwar sei es möglich, alle Mitglieder einer Gruppe unter einer Kollektivbezeichnung zu beleidigen, so Karlsruhe. Wenn das Kollektiv aber sehr groß ist, sei in der Regel nicht mehr der einzelne, sondern nur noch das Kollektiv gemeint, hier die Polizei als Institution.
Gericht schreibt eigene Rechtsprechung fort
Die Bezeichnung „all Cops“ (alle Polizisten) könne auch nicht einfach auf die jeweils anwesenden Polizisten bezogen werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn die ACAB-Parole gezielt bestimmten Polizisten entgegengehalten werde. Das bloße Zeigen der Parole in einem Stadion, in dem auch Polizisten anwesend sind, genüge nicht für die Annahme, dass gerade diese Polizisten beleidigt werden sollten. Beide Fälle müssen jetzt neu verhandelt werden.
Die Verfassungsrichter schrieben damit ihre eigene Rechtsprechung fort, wonach die „allgemeine Ablehnung“ der Polizei von der Meinungsfreiheit geschützt ist. Im April 2015 hatte Karlsruhe entschieden, dass der Anstecker „fck cps“ (fuck cops) keine Beleidigung einzelner Polizisten darstelle.
Az. 1 BvR 257/14 u.a.
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