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Inhaftierte Demonstranten in IranZwei Todesurteile vollstreckt

Im Dezember sorgte der Iran mit Hinrichtungen von Demonstranten für Entsetzen. Nun wurden nach offiziellen Angaben erneut zwei Protestteilnehmer gehängt.

Die jüngsten Hinrichtungen sind eine schreiende Ungerechtigkeit (Archivbild einer Demonstrantin in Berlin im Oktober 2022)

Teheran dpa | Im Iran sind zwei weitere Demonstranten hingerichtet worden. Die iranische Justizbehörde gab am Samstag bekannt, dass Mohammed-Mehdi K. und Sejed-Mohammed H. in den frühen Morgenstunden gehängt worden seien. Sie sollen während der systemkritischen Proteste im November für den Tod eines Sicherheitsbeamten verantwortlich gewesen sein, so die Justiz auf ihrem Webportal Mizan. Damit steigt die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste auf vier.

Nach Angaben der Justizbehörde hatten die beiden Männer vor Gericht zugegeben, bei Protesten in Karadsch, einem Vorort der Hauptstadt Teheran, einen angeblich unbewaffneten Sicherheitsbeamten mit einem Messer erstochen zu haben. Der Sicherheitsmann war Mitglied der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Einheit der Revolutionsgarden. Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten wurde dem Mizan-Bericht zufolge vom obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt.

Im Zuge der landesweiten Proteste waren im Dezember bereits der Rap-Musiker Mohsen S. und Madschid-Resa R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basidsch-Mitgliedern hingerichtet worden. Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beschloss daraufhin auch wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen weitere Sanktionen gegen den Iran.

Die Sanktionen haben laut Experten die bereits akute Wirtschaftskrise noch weiter verschärft. Die nationale Währung Rial hat nach den Protesten über 25 Prozent an Wert verloren. Angesichts der Entwicklungen im Land ist kein Ende der Finanzkrise in Sicht. Einige Beobachter befürchten gar einen Wirtschaftskollaps in dem ölreichen Land.

Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstranten seien verhaftet worden.

Über die Zahl der zum Tode verurteilten Verhafteten gibt es widersprüchliche Informationen, da bei einigen das Todesurteil in Berufungsgerichten aufgehoben wurde. Die Rede ist von 20 Demonstranten, die auf der Todesliste der Justiz stehen sollen. Die iranische Führung hat diese und ähnliche Angaben bislang weder bestätigt noch dementiert.

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini Mitte September. Sie starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Seither gibt es immer wieder Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.

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16 Kommentare

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  • @HERBERT LOOSE

    Todesstrafe ist Todesstrafe. Mörder sind Menschen. Einen Menschen umzubringen ist barbarisch, ob im Iran oder in den USA oder sonstwo.

    Sa gibt's nicht zweierlei Moral.

  • Zivilisation geht anders. Wir sollten sämtliche Verbindungen mit dem Mullah-Terrorregime sofort beenden.



    Erst wenn die weg und abgeurteilt sind, kann man neu anfangen.

    Der Iran ist leider nicht das einzige Land, dass von religiösem Wahn geprägt ist.

  • Die Außenministerin muss endlich ernst machen mit wertegeleiteter, feministischer Außenpolitik!

    Dass sich der Aufstand an Kopftuchvorschriften entzündet hat, macht ihn nicht zu einem Terf-Ding, das nur die angeblich rechtslastige Alice Schwarzer interessiert und das wan daher aussitzen kann: er ging von Frauen aus, denen ihre Menschenrechte verweigert werden, es geht um grundsätzliche feministische Anliegen, nicht um ein neokoloniales Sich-Einmischen.

    Es ist aktuell so viel von angeblichen und wirklichen Fehlern der Vergangenheit die Rede, vor allem von verhängnisvollen Energieabhängigkeiten, in die wan sich sehenden Auges begeben habe.

    Aber das neue LNG aus Katar, auf das wir nun angewiesen sind, muss durch die Straße von Hormuz.

    Und die kann der Iran blockieren - allem Anschein nach ist das der Grund für die zögerlichen Reaktionen gerade auch aus Deutschland.

    Botschaften müssten geschlossen werden, ihr Personal ausgewiesen, öffentlicher, lauter Protest des AA vernehmbar sein, Iraner*innen hierzulande effektiv geschützt werden.

    Vor allem aber gehören die Revolutionsgarden, dieser Staat im Staat, auf die EU-Terrorliste, so, dass Sanktionen alle ihre Mitglieder persönlich wirklich treffen

    aktion.campact.de/...sstrafe/teilnehmen

    Reine Lippenbekenntnisse reichen nicht!

    • @ke1ner:

      „Botschaften müssten geschlossen werden, ihr Personal ausgewiesen,“

      Sprich: Abbruch der diplomatischen Kontakte.







      Keine Möglichkeit zur Abschiebung von unerwünschten Personen, wie z.B.



      www.t-online.de/re...choben-werden.html

      Keine Visa mehr für ausländische Journalisten damit sie über die Situation im Iran berichten können.



      Keine Möglichkeit zur Ein- und Ausreise in den Iran, somit auch keine Möglichkeit den Protestierenden vor Ort irgendeine Unterstützung zukommen zu lassen.



      Das Regime muss nur noch die Internet- und Telefonverbindungen abbrechen, damit ja nichts über geplante Hinrichtungen oder Gewalt gegen die Demonstranten an die Weltöffentlichkeit dringt.

      Klingt irgendwie nach Eigentor.

    • @ke1ner:

      „…Straße von Hormuz. Und die kann der Iran blockieren.“

      Warum hat es der Iran denn dann nicht schon früher wegen anderer Sanktionen getan? Ich vermute, weil mit der Schließung dieses internationalen Seeweges damit auch die Häfen der Anreinerstaaten am persischen Golf unter Blockade kämen. Das kann in einen Krieg mit diesen münden, vor allem mit Saudi-Arabien. Einen Krieg mit den Nachbarn wegen eine Paar EU-Sanktionen wird der Iran ja wohl kaum vom Zaun brechen. Ich erachte das als leere Drohung.

      "Vor allem aber gehören die Revolutionsgarden, dieser Staat im Staat, auf die EU-Terrorliste"

      Wenn’s denn so einfach wäre… dazu müssen gewisse Kriterien erfüllt sein und es muss rechtlich einwandfrei geschehen. So manche Organisation hat schon erfolgreich dagegen geklagt auf diese Liste gesetzt worden zu sein.

      taz.de/Gericht-rue...rpolitik/!5173879/

      Wäre echt peinlich, wenn die Revolutionsgarden am Ende noch erfolgreich klagen …

  • mittelalterliche brutalität ...

    gegen neugeist.

  • Furchtbar. Unsere Grausamkeit kennt wohl keine Grenzen.

  • Friedliche Revolution nicht möglich



    Da eine friedliche Revolution nicht möglich scheint, muss das Volk die Parlamente stürmen und die alte Riege vom Throne stoßen. Eine andere Möglichkeit sehe ich leider nicht.

    • @Rudi Hamm:

      Vielleicht ist es doch möglich, mit genügend Puste. Ich kenne keine gewalttätige Revolution , die gut geendet hat - denn die Lautesten und Gewalttätigsten gewinnen immer. Ob das dann die Frauen sind?

  • Das sind Barbaren, kein Zweifel.



    By the way: wieviel Todesurteile wurden voriges Jahr in den USA vollstreckt?

    • @Perkele:

      Ist das vergleichbar? Im Iran handelt es sich meiner Ansicht nach - ich war ja nicht dabei - um politische Urteile.



      In den USA müssen Mörder ihr Leben lassen.



      Das macht für mich schon einen großen Unterschied.Über China braucht man gar nicht zu reden - die Totalkatastrophe!

      • @Herry Kane:

        Und dann ist es also OK, wenn -angebliche- Mörder getötet werden? Ist das Zivilisation? Ist das den Gottesgeboten entsprechend? Und vor allem: sind es nicht zumeist Schwarze die betroffen sind? Wieviele von den Verurteilten haben denn ein wirklich (!) faires Verfahren bekommen? Die Todesstrafe ist unmenschlich, unzivilisiert und gehört abgeschafft. Überall.

        • @Perkele:

          Was die Todesstrafe, angeht, bin ich ebenfalls ohne Ausnahme dagegen. Im Iran geht es - im Gegensatz zu den USA -aber oft um eindeutig politisch motivierte Schnell-Aburteilungen wegen solcher "Verbrechen", wie "Krieg gegen Gott". Das alles in einer Diktatur, in der Gewaltenteilung, freie Wahlen und eine unabhängige Justiz nicht vorgesehen sind. Wenn Sie die Kommentarfunktion unter einem Artikel zu den Zustaenden im Iran nutzen, um vom Inhalt des Artikels abzulenken, indem Sie lauthals "Aber die USA!" (in denen es durchaus Kritikwuerdiges, wie eben die Todesstrafe, gibt) schreien, fallen Sie m. E. den iranischen Protestierenden in den Ruecken.

          Zu Ihrer "by-the-way"-Frage, unten zwei Aussagen ueber die USA (Stand 30.11.22) und - zum Vergleich - Iran (Stand 30.06.22, also noch vor dem Tod Jina Aminis):

          de.statista.com/st...n-in-den-usa-2011/

          www.amnesty.de/ira...gen-in-diesem-jahr

    • @Perkele:

      Die FR berichtete Mitte Dezember von 18. Wobei wohl etwa 1/3 davon problematisch verlief



      www.fr.de/politik/...icht-91981930.html

      • @Ingo Bernable:

        Problematisch!? Selbst im Mittelalter wurden Delinquenten begnadgit, wenn die Hinrichtung nicht sofort tödlich war. Es wurde als ein Zeichen göttlicher Gnade angesehen. Im evangelikalen Gottesstaat USA sollte das eigentlich zu denken geben...

        • @Perkele:

          "Selbst im Mittelalter wurden Delinquenten begnadgit, wenn die Hinrichtung nicht sofort tödlich war."



          Das Sterben jener die man damals gepfählt oder aufs Rad geflochten hat konnte auch schon mal ein paar Tage dauern.