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Debattenkultur in DeutschlandGefangen im Diskursteufelskreis

Schuld sind wieder mal Ausländer, Fleisch ist Leitkultur, Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen sind respektlos. In Deutschland dominieren die fauligen Debatten.

Die Lage ist ernst und wir befinden uns in einer Achterbahn der unangenehmen Gefühle Foto: Manfred Segerer/imago

S ehr geehrte Lesende, liebe Mit­bür­ge­r*in­nen der First, Business und Economy Class, leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir nach langjähriger Beobachtung zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Deutschland sich selbst gefangen hält.

Die Lage ist ernst. Wir sind eingesperrt im Diskursteufelskreis. Eine Achterbahn der unangenehmen Gefühle. Ist Ihnen schon übel? Brauchen Sie eine Kotztüte? Sind Sie eingeschlafen vor Langeweile? Zur Fütterungszeit wirft ein Dompteur das rohe Fleisch aufs Klicklaminat.

Der Wecker piepst im Takt der fauligen Debatten. 00:15 Uhr: Ausländer raus. 6:45 Uhr: Die Freiheit Deutschlands wird auf der Karnevalsparty verteidigt. 11:20 Uhr: Grillfleisch ist Leitkultur. 14:03 Uhr: Verdammt, wer wird unseren Spargel stechen? 16:30 Uhr: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen – aber bitte nicht auf Arabisch. 20:15 Uhr: Respektlose Kli­ma­k­le­be­r*in­nen als Bedrohung des Rechtsstaats. Dann von vorn, etwaige Lücken stopft „Identitätspolitik“. Und Fakten? Lieber nicht.

Ich habe mir mal vorgenommen, nicht auf diese Köder zu reagieren. Leider klappt das nicht immer. Rassistische und faktisch falsche Aussagen sollten nicht unwidersprochen bleiben, schon gar nicht, wenn sie von Staatsverwaltern getätigt werden, und von Leuten, die öffentliche Wahrnehmung formen. Es hilft nicht, das todlangweilig zu finden. Sich darüber zu belustigen. Zu glauben, man müsse es nur ignorieren, dann ginge es von alleine weg. Also: Gegenrede. Dagegen, dagegen, dagegen. Und doch ist mir mit jedem Satz, mit jedem Nachdenken über die Provokation, als ginge etwas Wichtiges verloren. Die Chance, herauszufinden, worüber man eigentlich nachdenken will. Die Möglichkeit, zu wachsen. Und das ist nicht nur mein persönliches Problem.

Gedankliches Auswandern

Demokratie braucht Widerstand, wenn der sich aber auf Abwehr beschränkt, kostet das: Energie, Lust am Mitmachen, und Raum für Ideen und für den Mut, über das Etablierte hinauszudenken. Es gibt viel Potenzial in Deutschland für diesen Mut – ganz besonders auch bei denen, die der CDU-Vorsitzende „kleine Paschas“ nennt und die Innenministerin „junge Männer mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten“.

Bei denen, die Jahrzehnte geschuftet haben, um dann abgeschoben zu werden oder altersarm zu sein. Bei denen, die Lützerath verteidigt haben und für eine radikale Wende in der Klimapolitik kämpfen. So viel Potenzial, aber so wenig Boden, auf dem es wachsen kann.

Der „lebendigen Streitkultur“ sind Lebendigkeit und Kultur abhandengekommen. Im Diskursteufelskreis schaltet man die Nachrichten aus, redet nicht mehr mit, wandert gedanklich aus. Innerlicher Braindrain, nicht als Entgiftungskur, sondern für immer. Das ist der zerstörerische Nebeneffekt unterirdischer Debatten. Er führt dazu, dass dieses Land ständig scheitert an dringend notwendigem Wandel, Moderne und Fortschrittlichkeit. Muss das sein?

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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34 Kommentare

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  • Vielleicht hilft gegen diesen Braindrain auch, Diskurse im Zusammenhang mit den formalen Gesetzmäßigkeiten einer bürgerlichen Öffentlichkeit zu kritisieren. Das führt zwar auch unweigerlich dazu, dass du dein Handy an die Wand schmeißen willst, ich glaube aber, diese Distanznahme zum verinnahmenden Diskurs hilft, gegen die eigene Verdummung anzuarbeiten.

  • Also Schuld an der miesen Debattenkultur sind immer die anderen? Die einem die falschen Debatten aufzwingen und dann auch noch die falschen Meinungen äußern.

    Tja, und was machen wir nun?

  • Zumindest für mich persönlich liegt es nicht an der Debattenkultur, sondern daran, dass eigentlich nur noch heiße Luft produziert wird. Ich brauche keine Debatte mehr, sondern endlich eine Umsetzung. Bei Talkshows krieg ich Brechreiz und möchte allen Teilnehmern zurufen: *macht* doch endlich was statt nur rumzulabern. Wir haben kein Debatttendefizit, sondern ein Vollzugsdefizit. Auch deshalb warte ich eigentlich stündlich darauf, dass sich die Klimabewegung radikalisiert.

  • @WHITE_CHOCOBO hat da einen guten Ansatz gebracht: Lösungen, gangbare Möglichkeiten zumindest ins Spiel bringen.

    Wenn es hier auch um die Bevölkerung geht: Ja, von denen sind nach Corona, Krieg, Inflation zusätzlich zu den teilweise gravierenden privaten Problemen (auch systematischen, Leben als Alleinerziehender mit Mindestlohn usw.) viele nicht nur müde, sie KÖNNEN NICHT MEHR. Sie hören immer nur: Das lassen, das einschränken, darauf verzichten, dir hier noch Mühe geben, das noch ertragen, damit zurechtkommen - und dann verschließen einige die Ohren und ziehen sich aufs sehr Private zurück.

    Ein Horrorszenario jagt das nächste. Stirbt meine Oma an Corona? Wird es in Deutschland Krieg geben, gar einen Atomkrieg? Kann ich mir noch Lebensmittel und meinen Kindern noch etwas zu Weihnachten leisten? Habe ich morgen noch einen Job? Und gefühlt alle paar Wochen kommt etwas Neues hinzu.



    Dazu kommen, ja, Genderdebatten - wenn du deine Sprache nicht ändern kannst oder willst, bist du intolerant - und diverse andere, verunsichernde Debatten.



    Plötzlich hat man Sorgen,die man gar nicht haben müsste, die die eigenen Eltern so nie hatten. Bin ich noch genauso wertvoll wie andere, wenn ich alt, weiß, Mann bin oder bin ich eine Belastung? Darf ich noch meine Meinung sagen, wenn Menschen über x, y, z reden oder habe ich den Mund zu halten? Werden mir meine Enkel den Urlaub im Ausland, das eigene Benzinauto, die Ölheizung vorwerfen? Bin ich Schuld daran, dass sie dann mit Naturkatastrophen leben müssen?

    Gebt den Menschen einen Lichtblick, gangbare Alternativen in kleinen Schritten, die Erlaubnis für einen möglichst sorgenfreien Alltag und eine positive Identität und sie werden viel, viel offener für Diskussionen, Einschränkungen und Veränderungen sein.



    Aber zur Zeit sind viele einfach nur müde, überfordert und verängstigt.



    Das ist kein guter Startpunkt für Engagement und Veränderung.

  • Danke! Und besonders für den semantischen Bezug zu der "lebendigen Streitkultur" im letzten Absatz. Das ist der Begriff, der mir in meiner Analyse bislang immer gefehlt hat.

  • Meiner Meinung nach liegt die Diskussionskultur am Boden, weil sichdie jeweiligen Teilnehmer bei vielen Themen gar nicht mehr gegenseitig zuhören wollen, ihre eigene Agenda als unfehlbar erachten und es somit keinen Willen zu gewinnbringenden Ergebnissen gibt.

    Weis nicht, ob dass an der netztypischen Freund/Feind, Daumen hoch/Daumen runter Meinungsbildung liegt. Oder an der "Ich und meine Bubble Mentalität" der heutigen Zeit.Oder weil man denen die meiste Aufmerksamkeit schenkt, die am Lautesten schreien.

    Polemik und Vereinfachung sind meist wichtiger als Erkenntnisgewinn. Vorurteile wichtiger als Argumente. Schubladen und Lagerdenken wichtiger als Differenziertheit. Abwehrhaltung wichtiger als Selbstreflexion.

    Das kann man selbst in Diskussionen erleben, wo die Positionen gar nicht soweit von einander entfernt sind. Kleinigkeit reichen aus, um sich in gegenseitigen Anfeindungen zu ergehen.

    Und ehrlich gesagt, kann ich auch nicht erkennen, wo der Artikel an einer Verbesserung der Debattenkultur interessiert ist. Wenn man den "Teufelskreisdiskurs" durchbrechen will, isses nicht ratsamt mit Pauschalvorwürfen einzusteigen.

  • Gute These, dass die Streitkultur in unserer Gesellschaft fehlt. Ein Blick auf die Streitkultur zum "wichtigen Feminismus" - so Scholz und Klingbeil - in der SPD.

    Das ZDF belegt die komplette Sprachlosigkeit der SPD-Frauen, nachdem sich Scholz gegen Parität im Kabinett und für einen Mann (Pistorius) entschieden hatte.

    www.zdf.de/nachric...tt-kritik-100.html

    Nicht eine SPD-Frau war gegenüber dem ZDF bereit, sich strittig für klare Regeln für die Unabdingbarkeit von Parität im Kabinett einzusetzen, weil der "wichtige Feminismus" mit der Wahl von Pistorius eine schwere Schlappe in der SPD erlebte.

    Wenn es nützlich ist, wie bei seiner Wahl zum Bundeskanzler, bemüht Scholz Feminismus, bezeichnet sich sogar als Feministen, aber beim wichtigen Anlass - und der findet sich in der Politik immer, wenn ein Mann mehr Macht will - opfert Scholz den eigenen Anspruch an Feminismus.



    Dass Scholz nach seiner Entscheidung für Pistorius nicht verkündet, warum er als Feminist Parität im Kabinett leider nicht einhalten kann und seinen Fraktionsvorsitzenden verkünden lässt, dass die FDP Schuld ist, weil sie bei Parität im Kabinett leider nicht mitmacht, zeigt, dass Scholz ein höchst strategisches Verhältnis zum Feminismus hat.

    Auffällig ist auch, dass Frau Esken als Vorsitzende schweigt und nicht fordert, Partität zwischen Mann und Frau im Kabinett mit klaren Regeln festzuzurren, an die sich Grüne und SPD gemeinsam halten könnten.

    Um gleichberechtigte Repräsentation in der Politik zu erreichen, setzte sich die SPD im Wahlprogramm für Paritätsgesetze im Bundestag, Ländern und Kommunen ein.

    Jetzt wäre Zeit, Farbe zu bekennen, was Abgeordnete der SPD hier eigentlich erreicht haben, und für mehr Feminismus zu streiten.

    Doch es herrscht komplettes Schweigen im Walde. Vermutlich, weil der kämpferische Feminismus in der SPD gar nicht mehr lebt und aufgrund eigener Interessen (Karriere) längst gestorben ist.

    • @Lindenberg:

      Der Grund für das Schweigen ist wahrscheinlich, dass die Wahrheit das geneigte Publikum "beunruhigen könnte" (um mal einen der wahrsten politischen Sätze der vergangenen Jahre zum Thema "politischer Diskurs" zu zitieren). Die ist nämlich im Zweifel, dass Scholz gerne wieder eine VerteidigungsministerIN wollte, aber keine in Betracht kommende Frau wollte Verteidigungsministerin werden.

      Ich weiß zugegebenermaßen nicht sicher, dass das so ist, aber es ist auf Basis der bekannten Fakten die wahrscheinlichste Variante: Lambrecht war ja schon eine eigentlich unwillige, nur quotenbedingte Gewaltlösung, die es nicht lang aushielt, bevor das notorisch karrierezersetzende Verteidigungsressort sie wieder ausspuckte. Wo soll da jetzt ein Jahr später (und noch unter dem Eindruck des unrühmlichen Schuicksals von Lambrecht) plötzlich die genauso weibliche, aber geeignertere und willigere Alternative herkommen?

      Aber sowas gibt man nicht gerne zu, gerade wenn man EIGENTLICH die Einstellung verkaufen will, dass jeder Job, den ein Mann machen kann und will, auch problemlos mit einer Frau besetzt werden könne. Denn es wäre peinlich einzuräumen und Wasser auf die Mühlen aller Quotengegner, dass man mit dieser These so deutlich am eigenen weiblichen Spitzenpersonal scheitert. Wer da kräht, ist schnell "Verräter".

      Von daher ist es - wahrscheinlich - ein gutes Beispiel für das, was Frau Hierse bemängelt: Die aktuelle Debattenkultur lässt zu wenig Raum für Ausgewogenheit. Wer etwas zu vermelden hat, dass nicht so ganz zur Ideologie des eigenen politischen Umfelds passt, hält besser den Mund. Gleiches gilt für das inhaltliche Zugehen auf die Gegenposition.

      • @Normalo:

        "bevor das notorisch karrierezersetzende Verteidigungsressort sie wieder ausspuckte."

        Kritik aus dem Ressort war nicht das, was Frau Lamprecht zu Fall brachten.

        Das waren die B-Noten im Auftreten. Im Lande des Lächelns kann ein Lächeln die Kanzlerkandidatur verpatzen und ein Besuch eines Nagelstudios zur falschen Zeit die Minister-Kariere. Nagelstudios

        • @Rudolf Fissner:

          Sie vergessen, dass die wirksamste Waffe im politischen Kleinkrieg das Leck ist, wir deren Schmauchspuren wir auch hier wieder sehen: Irgendwer hat diese kleinen Schnitzer immer wieder durchgesteckt, damit sich die stets zur Empörungslawine bereite "Öffentlichkeit" darüber entrüsten konnte.

          Wenn umgekehrt eine Ministerin, deren Stab loyal zu ihr steht, mal zur Unzeit im Nagelstudio sitzt, bemerkt das normalerweise kein Mensch. Genau dafür gibt es ja so einen Stab.

      • @Normalo:

        Wahrscheinlich habt ihr beide recht, ich meine sowieso dass das eine das andere irgendwo notwendig zur Folge hätte. Dass es ja nicht nur ne C-Wahl ist sondern am Ende und vermutlich erst recht unterhalb der im Zweifel eher noch mal weiblich besetzten ersten Hochglanzschicht doch wieder ein Mann zum Vorschein kommt, und eben keine Frau, das kommt ja nicht von ungefähr. Garantiert aber steckt dahinter nicht die Selbstlosigkeit der Männer, noch kann die Personalie ausgerechnet Pistorius belasten, dass es hier einfach größere Affinität zum (repräsentativ) Militärischen gibt. Es ist demnach einerseits nicht so weit her mit dem Feminismus in der SPD, und war es auch nie, prinzipiell wesensfremd. Andererseits natürlich nichts und schon gar nicht in diesen Zeiten, was man gern einräumt. Und dass das wiederum besonders den dortigen Frauen schwerfallen dürfte, liegt mein ich ebenfalls auf der Hand. Ist aber vielleicht alles schon etwas hochtrabend und Hintergrund in der Hauptsache das, was so eint wie kaum etwas anderes, nämlich die gemeinsame Angst vor dem Versagen. Die Koalition, ja längst ohne Mehrheit, m.E. von Beginn an primär eine Selbsterhaltungsmaschine, ausgenommen eventuell die Sicht der FDP, wo es auch als wenig geliebtes Sprungbrett empfunden werden kann, oder Mezzanin auf dem Weg nach ggf. Jamaika, ein Flug in den sie wohl nur zu gern direkt umsteigen könnten und wollten. Kann die SPD halt nicht und schon deshalb allgemeine Schockstarre, nur nichts Falsches sagen, auch nur denken. Sie wissen mit der letzten Patrone war's das erst mal. Es ist keine Alternative für Scholz erkennbar und es ist auch keine Mehrheit ohne die Union mehr realistisch.

      • @Normalo:

        Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen im Bundesvorstand der SPD sollte wissen, ob eine Frau in der SPD den Job der Verteidigungsministerin wollte, aber sie schweigt, veweist bürokratisch und ohne jedlichen Esprit auf Twitter auf die nächste Gelegenheit zur Herstellung von Partität im Kabinett von Scholz, als sei das ein Verwaltungsakt und habe nichts mit dem persönlichen Engagement, Mut und Charakter eines jeden Mannes und einer jeden Frau in der SPD zu tun.

        "Wir sind Feministinnen alle!" verkündete die gesamte SPD-Fraktion zum Gedenktag 100 Jahre Frauentag.

        Mehr als zehn Jahre ist das her und die gesamte Partei ist kaum einen Schritt weiter in Punkto Feminismus.

        Die Steinmeier-Phrase es "bleibt noch einiges zu tun" von vor mehr als zehn Jahren wird im Zusammenhang mit Pistorius bestimmt wieder fallen!

        twitter.com/asf_spdfrauen

        www.spdfraktion.de...feministinnen-alle

        • @Lindenberg:

          Nochmal: Leidiger Teil der heutigen Debattenkultur ist eben, dass man am zuverlässigsten die Schnauze hält, wenn man nichts zu sagen hat, das in das eigene ideologische Horn tutet oder - Gott bewahre - gar etwas zu sagen HÄTTE, das der eigenen Ideologie zuwiderliefe. Wenn Sie auf so konsequentes Schweigen treffen, ist DAS daher der wahrscheinlichste Grund.

          Beispiel: Frau Högl erklärt, dass sie Pistorius den Job gönnt und ihm Glück wünscht; die Frage, ob sie ihn eigentlich selbst haben wollte, wiegelt sie einsilbig ab. Warum? Logisch lommen nur zwei Gründe in Frage: Entweder hat sie wie alle anderen prominenten SPD-Frauen einen Maulkorb gekriegt. Halten Sie das für realistisch - also nicht nur das so ein Maulkorb verordnet wird sondern auch, dass sich ALLE dran halten??

          ...ODER ihre kommunizierte persönliche Entscheidung, den Job nicht haben zu wollen, würde ihr als Verrat an der feministischen Sache angekreidet und riefe jede Menge Machos auf den Plan, die darauf brutal verallgemeinernd tönen "Siehste: Die Frauen wollen nicht, selbst wenn man sie nicht bloß lässt, sondern quasi zum Jagen trägt. Zum Teufel mit der Quote!" Da schweigt man lieber.

          Dazu passt auch, dass der liebe Koalitionspartner überhaupt kein Blatt vor den Mund nimmt und durch die Blume von Patriarchat schwadroniert. Denn die Personalie Pistorius hilft natürlich den Grünen, sich gegenüber der SPD als die "bessere" Feminismuspartei zu platzieren.

          Allgemein: Feminismus sollte zum primären Ziel haben, dass jede Frau ihr Leben so selbstbestimmt leben kann und die gleichen Chancen hat wie ein entsprechender Mann. Es ist legitm, dass zu einem gewissen Grad an der Repräsentation des weiblichen Geschlechts in hervorgehobenen Positionen festzumachen, ABER das sollte kein Selbstzweck werden. Wenn mal eine Position zu vergeben ist, und es findet sich keine geeignete Frau, die sie haben will, dann sollte das AUCH ok sein und nicht totgeschwiegen werden müssen. Sonst frisst die Revolution ihre Kinder.

  • Nein, Frau Hierse , schuld sind nicht DIE Ausländer. Das wird auch so nicht thematisiert.



    Es geht nur um junge Männer und Jugendliche mit Männlichkeitswahn.

    • 6G
      659428 (Profil gelöscht)
      @Frau Flieder:

      Dieser Kommentar ist doch ein hervorragendes Beispiel

    • 6G
      659554 (Profil gelöscht)
      @Frau Flieder:

      "Das wird auch so nicht thematisiert."

      Ha. Ha. Ha. Ha.

    • @Frau Flieder:

      Für sie vielleicht nicht, aber für Teile der Bevölkerung, Presse und Politik schon. Sie reagieren subjektiv als Nichtbetroffene und trivialisieren Rassismus.

      • @Andreas J:

        Eben, wir haben eine gelunge Integration, migrationsspezifische Benachteiligungen und Diskriminierung sowie die daraus entstehenden Probleme auch in krimineller Hinsicht existieren nicht. Was sind wir dich wunderbar antirassischisch.

        Zynismus off. Ehrlich gesagt, für mich ist das spezifische Wegschauen schon wieder ein ganz spezieller Rassismus. Ein Rassismus der nicht wahrhaben will das spezifische migrationsbezogene soziale Benachteiligung auch spezifische Probleme nach sich ziehen in denen die Betroffenen aktiv auch nicht positiv zu bewertende Wege einschlagen.

        • @Rudolf Fissner:

          Meinen sie mich mit Wegschauen?

  • Vielen Dank für den Artikel, Sie sprechen mir aus der Seele! Einfach nur traurig wie wenig konstruktiv hier mit Potential umgegangen wird und wie ermüdend die immer wieder vorgeschobenen alten populistischen "Einordnungen" sind auf die die Menschen immer wieder so bereitwillug aufspringen. Vielleicht weil sich die eigene Position wie ein warmer alter Sessel anfühlt, der immer wieder im gleichen Muster verteidigt werden kann? Diese trügerische Sicherheit bieten rassistische Sündenbocksucher a la Merz immer wieder an, und die Menschen nehmen diesen Irrsinn vielleicht auch deswegen dankbar an, weil sie dann von der Aufgabe befreit sind sich konstruktiv zu engagieren.



    Wie damit umgehen? Sie finden auf der Metaebene den richtigen auch noch humorvollen Ton. Respekt! Und vielleicht sollte man allen Beteiligten diese Ebene näherbringen (auch in der Schule) damit man merkt wie destruktiv das ist und dass es auch anders geht.

  • Man könnte es auch umdrehen: Schuld sind immer die Fleischesser, Nicht-Genderer, alten weißen Männer, Nicht Grünen-Wähler usw.. Debattenkultur heißt eben nicht, dass "ICH" immer Recht habe. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Und- oh Wunder- es gibt auch immer noch die Mitte, die weder weit links noch weit rechts steht.

    • @Emsch:

      Debattenkultur ist aber auch kein zwanghafter Konsens um des Friedens willens. Die Mitte verläuft auch nicht zwischen den politischen Begriffen links oder rechts, sondern ob man in der Lage ist sich Argumente anzuhören und zur Analyse und Selbstkritik fähig ist.

  • Eine Diskussion hat zwei Seiten:

    Zu "Schuld sind immer die Ausländer" gehört die zweite Seite "Ausländer können nicht Schuld sein". Überspitzt gesagt.

    So verhakt man sich und kommt nicht weiter. Oder es endet in einer Diktatur.



    Beim Rest der Beispiele ist es genau so.

    • @WeisNich:

      ""Ausländer können nicht Schuld sein". Überspitzt gesagt."

      Das ist nicht überspitzt gesagt, das ist Quatsch. Niemand sagt das, aber Sie machen damit direkt wieder das Framing auf, dass die Täter natürlich alle die "falschen Vornamen" hätten und dass die Ursache gefälligst im "Ausländer" sein zu suchen sei, nicht in anderen Umständen. Wenn man drauf hinweist, was das sozial für Viertel sind, in denen das passiert, dann kommt zielsicher das Totschlagargument "bäh bäh immer die schwere Kindheit", dann sind wir direkt wieder weg von Diskussionen über Klasse und gewollte strukturelle Armut und hängen wieder in irgendwelchen rassistisch grundierten law & order-Debatten fest.

      Es hat schon seinen Grund, dass zielführende Debatten zu dem Thema nicht möglich sind. Diese Debattenzerstörung ist auch gewollt, weil ein Kulturkampf um Rassismus dem strukturkonservativen Einheitsbrei in der deutschen Parteienlandschaft lieber ist als eine Debatte, die darauf hinausläuft, warum alle kapitalistischen Staaten eine permanente Unterschicht brauchen, die in einer Gesellschaft, die gleichzeitig Einwanderungsgesellschaft und bis ins Mark strukturell rassistisch ist, eben am leichtesten aus rassifizierten Personenkreisen gebildet werden kann.

      Das, was die CDU in Sonntagsreden als "Integration" einfordert, ist in Wahrheit gar nicht gewollt. Das Reden darüber ist soziales Kontrollinstrument, gewollt ist stattdessen ein stetiges Untenhalten nichtweißer Menschen, dem Integration nur im Weg stünde. Warum haben wir bspw. ein Ungleichheit so krass festschreibendes Bildungssystem? Weil Aufstieg für "den Ausländer" die Ausnahme bleiben soll. Das ist kein "Integrationsversagen", das ist notwendig, damit der Paketbote und der Pizzabäcker billig genug sind. Das geht nur durch möglichst viele "Geringqualifizierte", die in Konkurrenz zu einander gehalten werden. Wenn das kippt, ist sofort Sand im Getriebe, s. den Brexit als Beispiel.

      Ich verstehe aber, dass das für viele ein zu großes Fass ist.

      • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

        Ihre Antwort zeigt für mich, dass Weisnich mit seinen Einwurf schon recht haben könnte.

        Sie haben recht, niemand sagt "Ausländer können nicht schuld sein"; zumindest der Ernst zunehmen wäre. Aber es sagt ebenfalls niemand, der ernst zunehmen wäre die Ausländer seien an allem schuld.

        Behauptungen wie die Ihre, dass die Gesellschaft bis ins Mark rassistisch sei sind einer Debatte sicher ebenfalls nicht förderlich weil schlicht ebenso falsch wie die Behauptung alle Ausländer seien bis ins Mark kriminell.

      • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

        "Das ist nicht überspitzt gesagt, das ist Quatsch. ... Sie machen damit direkt wieder das Framing auf..."



        Und Sie bestätigen die These über die schwierige Debattenkultur. Danke dafür.



        "Es hat schon seinen Grund, dass zielführende Debatten zu dem Thema nicht möglich sind."



        Stimmt. Siehe oben.

      • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

        Könnte man jetzt vieles entgegnen.



        Aber - ich möchte Ihnen lieber zu letztem Teil zustimmen. Das Bürgertum braucht Personal!



        Ist aber nicht in der Lage oder Willens, sich um die Unterbringung, Integration etc zu kümmern.

  • Leider reiht sich der Artikel für mich genauso in diesen Teufelskreis ein, denn das Beklagen der fehlenden oder verkommenen Debattenkultur gehört ebenso zum bekannten Zirkus wie die aufgezählten Normativitäten deutscher 'Leitkultur'. Gleichzeitig stolpert der Ansatz mMn. über ein grundlegend problematisches Prinzip: Wenn man die Dinge anders angehen möchte, ist es hilfreich, nicht immer nur "dagegen, dagegen, dagegen" zu sein, sondern etwas 'anders' zu machen, d.h. der bekannten Struktur etwas (anderes) daneben (!) zu setzen, dass das Bestehende verändert. Das könnte ein neuer Zugriff auf die Themen sein, dass könnte den Einbezug der beschuldigten Gruppe und deren Sicht in den Diskurs sein, das könnte die Einladung und der Einbezug zum Mitmachen sein usw. usw.

    Vielleicht ist es mir aber auch entgagangen oder ich habs einfach nicht mitbekommen, aber mich würde die Perspektiv e der Täter in diesem Zusammenhang wirklich intereressieren und nicht nur Deutungen über (!) die Täter. Mir ist klar, dass das eine journalistische Herausforderung ist, aber es muss doch möglich sein, mit ein paar Leuten zu sprechen und hier zu rechercheiren.

    Jedenfalls sind die Reaktionen auf die konservativen Erklärungsmuster und Provokationen genauso abgedroschen und erwartbar, wie die Provokationen selbst und damit eben auch Teil des "Diskursteufelskreises".

  • Die Debattenkultur sehr gut zusammengefasst!!

    • @KielerSprotte:

      Aber wie soll eine Debatte geführt werden, wenn sie nicht kontrovers sein darf?

      • @Waage69:

        Kontrovers ist ok. Woran es fehlt, ist Ergebnisoffenheit.

      • @Waage69:

        "Aber wie soll eine Debatte geführt werden, wenn sie nicht kontrovers sein darf?"



        Konstruktiv wäre ein Ansatz ;-)



        Es ist eben weit verbreitet, Gegenargumente nicht als solche anzuerkennen, sondern mit religiöser Inbrunst sowohl die Argumente als auch das argumentierende Gegenüber runter- und/oder lächerlich zu machen.



        Das hat mit kontroversen Debatten nur insofern zu tun, als dass sich dabei Gegner gegenüberstehen. Aber ein Austausch von Argumenten - was ja eine Debatte eigentlich sein sollte - ist das nicht.

        • @Encantado:

          und auch @Normalo:

          Kontrovers (sonst gäbe es ja nichts zu diskutieren)- konstruktiv (fair und im Umgang höflich ohne bewussten Gebrauch von Fakedaten und sofortigem herausholen von Moralhämmern) -ergebnisoffen (dabei immer im Blick: Grundkoordinaten Menschenrechte, Umsetzbarkeit innerhalb der demokratischen Bandbreite)

          so in etwa stelle ich mit das vor.