piwik no script img

Sozialverbände kritisieren Lindner„Ein besonders bitteres Fest“

Finanzminister Lindner erteilt weiteren Entlastungspaketen eine Absage. Sozialverbände kritisieren, die bisherigen Hilfen seien nicht zielgenau.

Bei ihnen ist der Kühlschrank an Weihnachten wohl voll: Finanzminister Lindner mit Ehefrau Franca Lehfeldt Foto: Frederic Kern/Future Image/imago

Berlin taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht zur Zeit keinen finanziellen Spielraum für weitere Entlastungspakete. „Wir haben deshalb im kommenden Jahr ein enormes gesamtstaatliches Finanzierungsdefizit. Wir sind an die Grenze gegangen, ich werde sie nicht überschreiten“, sagte Lindner der Neuen Osnabrücker Zeitung. Von Sozialverbänden hagelt es prompt Kritik. Die aktuellen Hilfen reichten nicht aus, heißt es. Die Entlastungspakete müssten gezielter diejenigen unterstützen, die von der aktuellen Inflation existentiell bedroht sind.

„Millionen von Menschen wissen nicht mehr, wie sie den Kühlschrank füllen und die Wohnung warmhalten können“, sagte Joachim Rock, Leiter der Abteilung Arbeit, Soziales und Europa im Paritätischen Gesamtverband, der taz. „Wenn Christian Lindner dringend nötigen weiteren Hilfen eine Absage erteilt, ist das armutspolitisch ignorant und verteilungspolitisch verkehrt. Rock kritisiert zudem, dass insbesondere Menschen mit mittleren und hohen Einkommen von der Energiepreisbremse profitieren.

„Menschen mit geringen Einkommen brauchen mehr Unterstützung, bei ihnen gibt es häufig nichts mehr zu sparen.“ Aus diesem Grund forderte er unter anderem die Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes auf 725 Euro und eine schnelle und unbürokratische Ausweitung des Wohngeldes.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, sieht dies ähnlich. Ihre Kritik: Entlastungsmaßnahmen seien größtenteils nach dem Gießkannenprinzip erfolgt, anstatt diejenigen gezielt zu unterstützen, die durch die hohen Energiepreise bedroht seien.

Hilfen schneller auszahlen

„Damit Menschen, die bereits jetzt in Armut leben, gut über den Winter kommen, sind weitere zielgenaue Zuschüsse neben dem Verzicht auf Strom- und Gassperren dringend erforderlich“, erklärt Loheide auf taz-Nachfrage. Außerdem sei es wichtig, dass die Hilfen, wie beispielsweise das Wohngeld Plus, schneller ausgezahlt werden.

„Es wird natürlich für einige ein besonders bitteres Fest, weil hier nicht nur ein Krieg tobt in Europa, sondern weil sich viele Weihnachten schlechterdings nicht mehr leisten können“, äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv. Die Energiekrise und explodierende Lebenserhaltungskosten brächten viele Menschen an ihre Belastungsgrenzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Erstaunlich, dass auf dem Foto eine echte Person neben Lindner abgebildet sein soll.



    Das passt perfekt - lässt sich doch bei ihm mit eher einfacher Mathematik der nächste, postulierte Gedanke erraten.

  • „Wenn Christian Lindner dringend nötigen weiteren Hilfen eine Absage erteilt, ist das armutspolitisch ignorant und verteilungspolitisch verkehrt." (Ch. Rock)



    Das ist natürlich völlig richtig!



    Nur: Hat hier irgend jemand irgend etwas anderes von Herrn Lindner erwartet?

  • Ein überwiegender Teil der Hilfen ging zufälliger Weise entgegen des Willens der Wähler wieder an Gutverdienende und v.a. Reiche:

    Je reicher, um so höher die Hilfen!



    Je größer und schwerer das KFZ, je mehr man damit fährt, je größer das Haus umso höher die Hilfen!



    Je besser der Job, umso höher die Einmalzahlungen!



    Wohungseigentümer haben mehr Handlungs- und Fördertopfmöglichkeiten als Mieter!

    Wohingegen Kranke im Krankengeldbezug, Alleinerziehende oder Menschen, die keine Arbeitsstelle hatten, frieren müssen und keine Hilfen erhielten.



    Jetzt, oh Wunder, ist sie Kasse leer. Konnte Herr Lindner ja nicht absehen, obwohl immer wieder die Zielgenauigkeit der Hilfsmaßnahmen vorher öffentlich angemahnt wurde, anstatt diese mit der Gießkanne zu verteilen.



    In dieser Situation auch noch eine Erhöhung der Reichensteuer, Tempo 120, Übergewinnsteuer abzulehnen und Lufthansa-Hilfen zu belassen und Masken-Betechungsgelder straffrei zu lassen ist Klientelpolitik.



    Warum die FDP zudem in der Koalition einen derart großen Einfluss hat, obwohl sie nur verhältnismäßig wenig Wählerstimmen erhielt, bleibt unklar!



    Ist das soziale Gerechtigkeit, ist das Wählerwille, ist das Demokratie?

    Es wundert mich nicht, dass sich immer mehr Menschen von dieser verkappten Klientelpolitik in der Finanzkrise, der Coronakrise und der Energiekrise -je nach ihrer Fasson- abwenden.

    Es ist zu überlegen, ob dies die wahren Gründe für das Entstehen der vielen verqueren politischen Gruppen ist.

    Die Menschen merken das doch, auch wenn einige dies auf Grund von beruflicher Überbelastung oder intellektuell nicht konkret eruieren, erfassen bzw. zuordnen können, das müssen sie auch nicht.

    Die Verantwortung verbleibt bei den jew. Politikern, die die wahren Gründe durch ihren Machtvorteil eloquent wegargumentieren!

  • Stille Nacht.

  • Klar- nachdem die Lufthansa grade unsere Steuergelder zur Rettung des Skandalkonzerns in 7 Milliaren Boni , widerechtlich und entgegen der Abmachungen damals , umgewandelt hat muss der Oberpfrimel Lindner natürlich noch seinen Ekelzynismus draufsetzen. Verhöhnung der LeistungserbringerINNEN durch die Leistungseinnehmer. weact.campact.de/p...iation-a&utm_term=

  • "Bei ihnen ist der Kühlschrank an Weihnachten wohl voll: Finanzminister Lindner mit Ehefrau Franca Lehfeldt" Warum Argumente, wenn es auch persönlich geht?

    Jo mei: was sollen die Sozialverbände auch sagen, außer "zu wenig .... zielgenauer ... schneller ... sonst Armut"

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Kann ich dann meine Rente zurückgeben und Bürgergeld beantragen bei 725 Euro?



    Wären meine Sorgen deutlich weniget!



    Habe immer gearbeitet !

  • Nett, sich an ihn zu wenden damit. Aber Leute, der Mann ist nicht von den Linken, er ist von der FDP. Was erwartet ihr? Ungleichheit und Verteilungsprobleme sind die DNA der FDP.

    • @Jalella:

      Und starke Wirtschaft bitte nicht vergessen.