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Debatte über Ende der Corona-MaßnahmenDie Ampel ist uneins

Der Virologe Christian Drosten sieht Corona nun als endemisch an. Fallen bald die Schutzmaßnahmen? Die Koalition streitet darüber.

Hält die Pandemie für vorbei: Christian Drosten Foto: Stefan Boness/Ipon

Berlin taz | Die Ampel-Koalition ist sich uneins über den Umgang mit Corona-Regeln. Nachdem der Virologe Christian Drosten von der Charité Berlin sich am Dienstag im Tagesspiegel dazu äußerte, dass die Pandemie nach seiner Einschätzung nun vorbei sei und eine „erste endemische Welle“ erlebe, diskutieren Po­li­ti­ke­r:in­nen über den Umgang mit Corona.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) will, dass die Schutzmaßnahmen beendet werden. Auf Twitter schrieb er: „Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern. Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden.“ Auf der gleichen Plattform ergänzte Buschmann Dienstagmittag: „§ 28b VIII Nr. 1 IfSG sieht vor, dass die Bundesregierung bundesweit einheitliche Corona-Maßnahmen durch Rechtsverordnung auch vor dem 7.4.23 beenden kann. Das war für eine Entwicklung vorgesehen, die günstiger ist, als es die Prognosen im Herbst waren. Das ist nun der Fall.“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lehnt ein sofortiges Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen ab. Dem Evangelischen Pressedienstes sagte er: „Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch, und der Winter ist noch nicht zu Ende. Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert.“

SPD und Grüne mahnen weiter Vorsicht an

Auch die gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, sprach sich für das Beibehalten der Schutzmaßnahmen aus: „Das von den Ampelpartnern beschlossene Infektionsschutzgesetz hat eine deutliche Besserung der Corona-Lage mit einkalkuliert“, so Baehrens. „Den Pfad bis zum Ende der Regelungen Anfang April sollten wir beibehalten. Einen anderen Weg zu fahren, so wie vom Bundesjustizminister gefordert, halte ich für voreilig.“ Wie ihr Parteikollege und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht sie nun die Bundesländer in der Pflicht.

Ähnlich äußerte sich der Grünen-Gesundheitsexperte und Arzt Janosch Dahmen, der am Dienstag der Rheinischen Post sagte, dass Deutschland im Vergleich zu China besser mit der Pandemie zurecht käme dank der nochmals angepassten Impfstoffe und vielen Auffrischimpfungen: „Bei der großen Zahl an Infektionen dort ist eine Strategie der Eindämmung etwa durch Einreisebeschränkungen zudem unrealistisch“, so Dahmen. „Viel sinnvoller wäre es, wenn wir uns hier vor Ort nun noch einmal konsequenter durch Masken, Abstand und Lüften schützen und Infektionsketten nicht nur bei Corona, sondern auch etwa Influenza und RSV kurz halten.“ Das sei laut Dahmen besonders notwendig im Hinblick auf die große Zahl an Atemwegserkrankungen, die zu einem Rekord an Personalausfällen sorge, insbesondere auch im Gesundheitswesen.

Atemwegserkrankungen laut RKI weiter hoch

Das Robert-Koch-Institut teilte vergangenen Mittwoch mit, dass sich Atemwegserkrankungen auf einem „überdurchschnittlich hohem Niveau“ befinden. Etwa 2,3 Millionen Menschen hätten in der zuletzt gemessenen Woche vom 12. bis zum 18. Dezember wegen einer Atemwegserkrankung ihre Ärztin aufgesucht. Dabei seien die meisten Fälle dem Grippevirus sowie dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) zuzuschreiben.

Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, warnt unterdessen vor Sorglosigkeit im Umgang mit Corona. Man könne sich im Umgang mit der Krankheit zwar „Erleichterungen leisten“, sagte der Mediziner dem Bayrischen Rundfunk. „Dabei sollten wir aber nicht alle Vorsicht fahren lassen.“ Es gehöre zu guter Prävention, weiterhin sich und andere zu schützen.

Das Coronavirus werde nie mehr ganz verschwinden, betonte Montgomery. „Bleiben wir also auf der Hut, aber entspannen wir uns auch im aktuellen Umgang mit dem Coronavirus. Vor allem aber sollten wir aufhören, Infektionsschutzmaßnahmen zum Gegenstand ideologischer Diskussionen zu machen.“ Gefragt seien Vorsorge, Rationalität und Verantwortungsbewusstsein.

Die aktuellen Corona-Regeln gelten bis zum 7. April und beinhalten das Tragen einer FFP2-Maske im Zug und in Arztpraxen sowie die Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen, wo ebenfalls Maske getragen werden muss. Bundesländer können zudem entscheiden, ob das Tragen einer Maske in Öffentlichen Verkehrsmitteln notwendig ist oder in Innenräumen ein Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten werden soll.

Infokasten aktualisiert am 5.01.2023 um 10:30 Uhr. d. R.

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20 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Die nächsten Corona-Mutanten sollten nach FDP-"Politikern" benannt werden. In alfabetischer Reihenfolge:



    Buschmann, Kubicki, Lindner. Als Impfstoff werden Champagner und Rotwein empfohlen.

  • Von allen "Spezialisten" dieser Pandemie war Drosten der einzige, dessen Aussagen ich vertraut habe, die ich als seriös und Zielführend empfand. Seine Prognosen waren sachlich und ruhig vorgetragen, während Lauterbach als Dauerpanikmacher in den Medien trommelte.



    Auf diesem Wege: "Danke Herr Drosten, wie sie uns durch die Pandemie sachlich begleitet haben".

  • Drosten: Die Pandemie ist jetzt Normalität.



    Buschmann: die PaNdEmIe IsT vOrBeI.

    • @LeSti:

      Ja, leider ist das ganze auch - wie meistens - komplizierter.



      Den Toten ist egal welches Schild der Ursache für ihr Ableben umhing.



      Und die Freiheit in der hier gewünschten Form führt nur dazu, daß die Rücksichtslosen noch rücksichtsloser sein werden.

    • @LeSti:

      Drosten sagte nicht, dass die Pandemie Normalität sei, sondern dass sie in DE in eine Endemie („erste endemische Welle“) übergegangenen, also vorbei ist.

      • @Rudolf Fissner:

        Ich zitiere aus der Wikipedia (de.wikipedia.org/wiki/Epidemie): "[...] Epidemie gesprochen, wenn die Anzahl an neuen Erkrankungsfällen (Inzidenzen) über einen gewissen Zeitraum in einer bestimmten Region zunimmt. [...] Bei einer Länder und Kontinente übergreifenden Ausbreitung wird von einer Pandemie gesprochen. [...] Als eine Endemie wird demgegenüber das andauernd gehäufte Auftreten einer Krankheit in einer umschriebenen Population bezeichnet; hierbei bleibt die Inzidenz annähernd gleich, ist aber gegenüber nichtendemischen Gebieten erhöht."

        Zu betonen ist jener Abschnitt: " Endemie wird [...] andauernd gehäufte Auftreten einer Krankheit [...] umschriebenen Population [...]"

        Das bedeutet, um es klar zu sagen, dass Covid nicht vorbei ist. Ich habe das Interview von Drosten nicht gelesen, meine aber einen Kommentar zu erinnern, demnach er nicht gefordert hat, die Infektionsschutzmaßnahmen auf zu heben, sondern im Gegenteil bemerkte, dass diese weiter sinnvoll seien können.

        Ob C. Drosten, den ich ob seiner besonnenen und fundierten Begleitung der Pandemie sehr schätze, dies nun dezidiert gesagt hat oder nicht, ist doch letzten Endes irrelevant. Ich verstehe nicht, warum wir in geänderten Zeiten (gefährliche [zoonotische] Pandemien sind weiterhin ein zunehmendes Risiko) nicht unser Verhalten anpassen sollten. D. h., was spricht gegen weiterbestehende Maskenpflicht, Luftfiltern und Lüftungspflicht im öffentlichen Massenverkehr, in öffentlichen Einrichtungen und Geschäften des basalen täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Hygiene...), Gesundheitseinrichtungen, Klassenräumen höherer Jahrgangsstufen im Winter [geschl. Fenster], Hörsälen ...), Großraumbüros,Konzertsälen also überall dort, wo Menschen hin müssen, oder, wie in Konzerthäusern, Kinosälen während der Veranstaltung eher nicht kommunizieren, sie es also eher nicht einschränkt. ... ? Um auch die Vulnerablen der Gesellschaft so wenig, wie möglich aus zu schließen und so weit, wie möglich zu schützen.

      • @Rudolf Fissner:

        So ist es. genauer genommen sagt Drosten, dass wir die erste endemische Welle gesehen haben.

        Die Pandemie muss demnach bereits zuvor beendet gewesen sein.

  • hihi, ham die Aluhüte also doch recht. Die Regierung dieser Republik besteht in Wahrheit aus: Drosten. In wahrer Wahrheit: Buschmann ist unverschämt genug, Drosten einfach mit Mutwillen und Absicht öffentlich misszuverstehen. Mitten in der wildesten Winterwelle respiratorischer Erkrankungen.



    Und seit vor Moanten auch Team Vorsicht, Sektion Münchner Hofgarten, zu den spätpubertären Q-Biquis umgeschwenkt is: Gegenwehr zwecklos ? Früher war die FDP-Übernahme des Justizministeriums immer Anlass, ein wenig aufzuatmen. Jetzt die vulgärliberale.nur noch, Viren massenweise einzuatmen. Wo ist sie hin, die (Auch,ach, manchmal-)Vernunft-Partei von Baum, Verheugen, Leutheuser, ... ?



    Der Marburger Bund nennt Buschmanns Ansinnen schlicht "eine Dreistigkeit". Wobei sein Fokus liegt auf der Unverschämtheit gegenüber Gesundheitspersonal und -system. Was is darüberhinaus mit der Unverschämtheit mir gegenüber, diederdas ich einfach mit der Straßenbahn fahren und in den Supermarkt gehen können möchte ? Auch die x-te Re-Infektion mit dem Zeugs hiunterlässt oft ihre Spuren und nagt mutmaßlich an der (Über)lebenserwartung.



    Auch wenn die überall gezogenen Resumees sehr uneinheitlich ausfallen, in drei Jahren Corona haben doch viele was, und auch aus eigenen Fehlern, gelernt. Nur die FDP ganz offenbar nicht. Mit der nächsten 'Großen' Koalition wären leider auch die Grünen draußen, aber vielleicht wärs das wert, wenn wir damit auch die Lindnerpartei endlich wieder loswürden - und so auch die nächste Epidemie wieder mit sowas wie merkelschem Durchblick abreiten könnten. Allerdings bittebitte erst nach Merz.



    www.rnd.de/politik...JHYCHDBSAIQOA.html

  • 6G
    666757 (Profil gelöscht)

    Darf man mal fragen, in wessen Auftrag plötzlich eine zweifelsfrei weiterhin vorhandene Pandemie in eine angebliche „Endemie“ umdeklariert wird?



    War das auch Gegenstand der Pandemie-Planspiele, die unter Beteiligung weltweit hochrangiger Politiker, Geschäftsleute wie Bill Gates etc. und z.B. auch Herrn Drosten über 20 Jahre hinweg stattfanden? (Vgl. youtu.be/SSnJhHOU_28 )

    Fakt ist, dass in der Vergangenheit politisch hier große Fehler gemacht wurden und viele unnötig an Corona starben. Und wer will letztlich wissen, wie sich weitere Mutationen auswirken? „Mr. Gott?“

    Trau, schau, wem!



    Ein altes Sprichwort, das zur Vorsicht mahnt.

    Sprich: Masken und Abstand schützen auch weiterhin.



    Wer das immer noch nicht kapiert hat, dem ist nicht mehr zu helfen.



    Vom Ende der Pandemie kann m.E. keine Rede sein, sie bleibt weltweit Thema gerade in Staaten, deren Bevölkerung keine ausreichenden Impfungen bekommen haben.

    Wer verharmlosend von „Endemie“ oder „Ende der Pandemie“ spricht, sieht eben noch nicht einmal über den Tellerrand …

  • UNSOZIAL-Virus



    Das Respiratorische Synzytial-Virus is auf keinen Fall barrierefrei: Das kann ja kein Mensch aussprechen ! Dieder das erfunden hat, derdem husten wir was.

  • "FDP versteht nicht, was endemisch bedeutet" … und verkriecht sich immer tiefer in Idiotie. Kommt, erhöhen wir die Zahl der Infektionen, während die Kliniken überlastet sind. Was kann schon passieren.

    :-(

    • @Arne Babenhauserheide:

      Die derzeitge Krankheitswelle (bei der Corona noch etwa einen anteil von 5% hatte, allerdings nur in der Häufigkeit bzgl. Krankheitsschwere noch deutlich darunter) ist mittlerweile am Abflauen.

      Es ist also auch im Hinblick auf den aktuellen Trend der beste Zeitpunkt seit Langem, um noch bestehende Pandemiegesetze aufzuheben.

      Der sinnvolle Zeitpunkt war im Juni bei abflauender BA.2-Welle.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Der Wahlanalytiker meint: Fischen am rechten Rand.

  • Herr Drosten ist Medienprofi und wird im Zweifelfall beraten. Dass, was abzusehen war, hat er sicher berücksichtigt.

    • @Zweitkorrektur:

      Wenn er die Reaktion von z.B. Buschmann berücksichtigt hat, muß man in Drosten jetzt auch einen Populisten sehen?

      • @0 Substanz:

        Die Reaktion von z. B. Buschmann - andere werden folgen - war zu antizipieren. Ohne Zweifel.

      • @0 Substanz:

        Nein, sicher aber einen Befürworter des Aufhebens verpflichtender Regeln.

  • Ist doch völlig schnuppe, wir haben gerade eine massive Welle von Atemwegsinfektionen aller Art. Gegen die helfen Masken. Es wäre echt schön, wenn Leute das mal ganz nüchtern einsehen würden. In einer vollgestopften U-Bahn fängt man sich leicht etwas ein und wenn es dann eine Grippe ist und kein Corona, dann hat man davon sehr wenig, denn krank ist man so oder so.

    • @Mustardman:

      Das Problem ist, dass die verpflichtenden Regeln an ein spezifisches Virus geknüpft sind, das bereits über ein halbes Jahr lang keine gesellschaftskritische Gefahr mehr darstellt.

      Wenn der Bundesjustizminister dazu nichts sagt, hätte er ganz einfach seinen Job verfehlt.

    • @Mustardman:

      Die Vernunft starb zuerst.