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Flüchtlingspolitik in FrankreichDoch nicht so gastfreundlich

Paris brüstet sich gegenüber Rom mit der Aufnahme der von Mittelmeerflüchtlingen. Doch zugleich verschärft die Regierung die Kontrollen am Ärmelkanal.

Passagiere der Ocean Viking am 11. November auf dem Weg ins französische Hyères Foto: Daniel Cole/ap

Paris taz | So gastfreundlich, wie das zunächst aussehen mochte, ist Frankreich für die 234 geflüchteten Menschen auf dem SOS-Mittelmeerschiff „Ocean Viking“ und andere aus Seenot Gerettete und als „Migranten“ abgestempelte Durchreisende nicht. 44 Passagiere der „Ocean Viking“ sollen laut Innenminister Gérald Darmanin nach einer schnellen Prüfung ihres Asylgesuchs umgehend in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Die Mehrheit der übrigen möchte Frankreich an Nachbarländer weiterreichen, darunter an Deutschland.

Damit reagiert die Regierung nicht zuletzt innenpolitisch auf die Kritik von rechts: Als sie die „Ocean Viking“ nach ihrer Odyssee im Mittelmeer schließlich in Toulon ankern ließ, forderten Politiker aus der extremen Rechten, aber auch aus den Reihen der konservativen Les Républicains, Frankreich dürfe solche Rettungsaktionen nicht unterstützen, sondern müsse im Gegenteil diese Geflüchteten systematisch zurückschicken.

Das hindert Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung aber nicht, sich gegenüber Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni mit einer „humanen“ Behandlung dieser Geflüchteten zu brüsten und sich insbesondere mit harten Worten dafür einzusetzen, dass Italien das internationalen Seerecht und die EU-Regeln respektieren müsse.

In Wirklichkeit hat sich mit dem Fall „Ocean Viking“ nichts an Frankreichs unter Macron noch verschärften Asyl- und Immigrationspolitik geändert. Das unterstreicht ein am Montag unterzeichnetes neues Abkommen mit London.

Unterlassene Hilfeleistung – 27 Menschen ertranken

Darin verspricht Frankreich gegen die britische Zahlung von 72 Millionen Euro, mit zusätzlichen Polizeikräften und Spürhunden die Jagd auf die Personen zu verstärken, die in Booten oder versteckt auf den Fähren aus Calais und Umgebung den Ärmelkanal überqueren wollen.

Aus langer Erfahrung weiß man auf beiden Seiten des Ärmelkanals, dass dies letztlich bloß zusätzliche Schikanen sind, die weder den Flüchtlingsstrom aus mehreren Krisengebieten bremsen noch Großbritanniens Attraktivität als Ziel der Migration vermindern werden.

Einen Schatten auf Frankreichs offiziell so „humane“ Behandlung der Asylsuchenden und Verteidigung der Menschenrechte wirft eine Tragödie im Ärmelkanal vor einem Jahr. Am 24. November 2021 sind mindestens 27 Menschen ertrunken, nachdem sie mehr als zwei Stunden die französischen und britischen Rettungsdienste um Hilfe angefleht hatten. Diese nahmen die SOS-Rufe zuerst nicht ernst und schoben sich danach gegenseitig die Verantwortung für einen eventuellen Einsatz solange zu – bis es zu spät war.

Dank einer Strafanzeige der Organisation Utopia56 und der daraufhin eröffneten gerichtlichen Untersuchung hatten französische Medien Zugang zu den Aufzeichnungen der Kommunikation zwischen Schiffbrüchigen, deren Gummiboot am Sinken war, und der Rettungsstelle CROSS.

Die von der Wochenzeitung Le Canard enchaîné publizierten Auszüge zeugen von einer schockierenden Unmenschlichkeit und einem grausamen Zynismus. So antwortet ein CROSS-Vertreter einem der zahlreichen und wiederholten Hilferufe entnervt: „Ach, du verstehst nicht? Dann wirst du halt nicht gerettet. Du hast die Füße im Wasser?… Bah – Ich habe (dich) nicht gebeten loszufahren.“

Noch und noch wurden die immer eindringlicher um Hilfe Flehenden aufgefordert, zuerst ihre Position anzugeben, obschon diese längst bekannt war. Dabei entsteht zwingend der Eindruck, dass die französische Seite Zeit gewinnen wollte, damit das in Not geratene Boot womöglich bis in die britischen Hoheitsgewässer gelangen würde.

Die Briten wiederum erachteten die Franzosen als zuständig, obwohl ein Schiff der britischen Küstenwache schneller vor Ort sein konnte. Dieses Pingpong hat mindestens 27 Menschen das Leben gekostet, nur 2 haben überlebt. Noch ist nicht bekannt, ob und wann es zu einem Prozess wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfe kommt.

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2 Kommentare

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  • Es fällt noch eine anderer Schatten auf Frankreich, Deutschland und die gesamte EU:

    Man beteiligt sich an der Abschottung gegenüber dem Elend in der Welt und dem Klimawandel, man setzt dazu Frontex ein und schaut bei den Straftaten nicht hin. Man arbeitet dazu mit Küstenwachsen zusammen, die man nur deshalb so nennt, um sie nicht Milizen zu nennen, und man sieht weg, wenn diese Menschen in Sklaven- und Folterlager verschleppen. Die Seenotrettung überlässt man privaten Initiativen und schützt diese nicht, wenn sie als Täter vor Gericht gestellt werden. Geflüchtete, die ins Steuer greifen, damit ein Boot nicht untergeht, lässt man jahrelang im Gefängnis verschwinden und schweigt dazu. Auf das Vielfache am Geflüchteten durch den Klimawandel bereitet man sich durch Zäune vor.

    Es ist unsinnig, unter diesen Voraussetzungen auch nur einem EU-Staat eine Politik der Menschenrechte gegenüber Geflüchteten zu unterstellen. Es geht ausschließlich darum, Menschenrechtsverletzungen so weit wie möglich zu verdecken, andere möglichst die dreckige Arbeit machen zu lassen und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen.

    Liest man die Dokumentationen über die Straftaten von Frontex, z.B. im Spiegel, nehmen wir die UN-Berichte ernst, die von Konzentrationslagern in Libyen sprechen, akzeptieren wir, dass diejenigen, die jetzt im Mittelmeer ertrinken, vollwertige Menschen sind, dann lässt sich nicht anders formulieren. Jede schwächere Formulierung würde die Fakten leugnen, so schlecht steht es leider und nach allem, was wir wissen, wird der Klimawandel alles zum Einsturz bringen, was jetzt noch an minimaler Menschlichkeit sichtbar ist.

    Gerade deshalb müssen wir so weit kommen, dass wir den Klimawandel als Menschenrechtsfrage diskutieren und dass wir die Vorbereitung auf die prognostizierte Explosion der Geflüchteten-Anzahl zum Thema machen. Jetzt, bevor es zu spät ist.

  • Widerlich. Ich schäme mich, Europäer zu sein.