Seenotrettung im Mittelmeer: Nur einige Schiffe dürfen nach Italien

Nach vergeblicher Suche in Italien bittet das Rettungsschiff „Ocean Viking“ nun Frankreich um Hilfe. In Catania durften 35 Gerettete von Bord der „Humanity 1“ gehen.

Zuletzt hat die „Ocean Viking“ keine Genehmigung zum Anlegen in Italien bekommen Foto: Reuters

FRANKFURT A.M./MARSEILLE epd/afp | Im italienischen Catania sind die 35 vom Rettungsschiff „Humanity 1“ im Mittelmeer geretteten Menschen von Bord gegangen. Das teilte die Organisation „SOS Humanity“ am Dienstagabend in Berlin mit. Wenige Stunden zuvor hatten die italienischen Behörden auch den 213 Geretteten von der „Geo Barents“ erlaubt, in Italien an Land zu gehen. „Dieses ungerechtfertigte Warten hat nun endlich ein Ende“, erklärte die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die das Schiff betreibt, auf Twitter.

Am vergangenen Wochenende hatte die „Humanity 1“ bereits 144 der insgesamt 179 Geretteten in Catania von Bord bringen können, die übrigen mussten nach Vorgaben der italienischen Behörden auf dem Schiff bleiben. Die Crew der „Geo Barents“ hatte Ende Oktober 572 Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer gerettet, bis zum Montag hatte ein Großteil das Schiff in Catania verlassen.

„Wir sind allerdings entsetzt über die eklatante Missachtung von Gesetzen und von Menschenrechten durch italienische Behörden“, erklärte der Leiter der Schiffsoperative von SOS Humanity, Till Rummenhohl. Die 35 zunächst an Bord der „Humanity 1“ verbliebenen Menschen waren nach Angaben der Organisation in einen Hungerstreik getreten, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen.

Zuvor waren am Dienstag auch die 89 von der „Rise Above“ geretteten Flüchtlinge in Italien an Land gegangen. Auf der „Ocean Viking“ warteten weiter hunderte Flüchtlinge auf die Erlaubnis, von Bord gehen zu können. Der internationale Verbund SOS Méditerranée hatte erklärt, die Situation für 234 Gerettete auf dem Rettungsschiff sei unerträglich.

Im Mittelmeer gibt es keine staatlich organisierte Seenotrettung. Lediglich private Initiativen halten nach Flüchtlingen in Seenot Ausschau. Immer wieder müssen die Geretteten tagelang warten, bis sie einen Hafen zugewiesen bekommen. Die neue rechtsnationalistische Regierung in Italien hat den Kurs gegen private Seenotretter bereits direkt nach ihrer Amtsübernahme vor etwas mehr als zwei Wochen deutlich verschärft.

Bei der Überquerung des Mittelmeers kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in diesem Jahr 1.891 Flüchtlinge und Migranten ums Leben oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

NGO-Schiff „Ocean Viking“ ersucht nun Frankreich

Nach vergeblicher Suche nach einem sicheren Hafen in Italien hat das Rettungsschiff „Ocean Viking“ mit mehr als 200 aus Seenot geretteten Flüchtlingen an Bord nun Frankreich um Hilfe gebeten. „Angesichts des Schweigens Italiens und der außergewöhnlichen Situation hat die ‚Ocean Viking‘ ihren Antrag auf einen sicheren Ort in Frankreich ausgeweitet“, erklärte die Betreiberorganisation SOS Méditerranée am Dienstag.

Die „Ocean Viking“ ist das jüngste Rettungsschiff mit Migranten an Bord, das keine Genehmigung zum Anlegen in Italien bekommt. Die Seenotretter nahmen in mehreren Einsätzen in den Such- und Rettungszonen Libyens und Maltas im Oktober nach eigenen Angaben insgesamt 234 in Seenot geratene Menschen auf. Einige der Flüchtlinge befinden sich seit mehr als zwei Wochen an Bord.

„Es ist ein humanitärer Notfall, der eine sofortige Reaktion erfordert“, erklärte Carl Drexler, Geschäftsführer von SOS Méditerranée in Deutschland. Einige der Überlebenden hätten bereits angegeben, aus Verzweiflung über Bord springen zu wollen.

Die Organisation erwarte, dass das Schiff bis zum 10. November in der Nähe von Korsika ankommt, erklärte SOS Méditerranée. „Diese extreme Lösung ist das Ergebnis eines kritischen und dramatischen Versagens aller europäischen Staaten, bei der Suche nach einem sicheren Hafen zu helfen.“

Italiens neue Regierung unter der ultrarechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat einen restriktiven Kurs im Umgang mit Bootsflüchtlingen angekündigt. Innenminister Matteo Piantedosi ist der Meinung, dass die Länder, unter deren Flagge die Rettungsschiffe fahren, für die geretteten Migranten an Bord verantwortlich sind.

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